"Zusammen."

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"Hallo Spatz. Ich wollte dich ja eigentlich bald besuchen kommen, aber ich kann leider nicht kommen. Erinnerst du dich noch an Onkel David? Er war ein Freund deines Vaters. E-er hatte einen Autounfall und dein Vater.. er ist ein bisschen aufgewühlt. Ich bleibe hier, um für ihn da zu sein. Ich hoffe du verstehst das. Ich werde das auf jeden Fall nachholen. Will ja wissen, wie du dich eingelebt hast. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.
Liebe Grüße, Mama."
Ich hatte mich echt gefreut, sie zu sehen. Es war zwar noch nicht so länger her, dass ich sie gesehen hatte, aber für mich fühlte es sich ewig an. Ich vermisste meine Familie. Aber ein Neustart hatte ja auch manchmal Nachteile. Es war einfach so, und damit musste ich mich abfinden.
"Hey Mama. Ja, ich kann es verstehen. Hoffe, du kommst bald wirklich mal vorbei. Hab dich lieb, Sophie."
Ich wunderte mich ein bisschen über mich selbst, dass ich so egoistisch dachte. Meine Gedanken waren nicht bei David, an den ich mich übrigens nicht mehr erinnerte. Nicht bei seinem Autounfall. Ich hatte nicht mal gefragt, wie es ihm ging. Und das obwohl ich wusste, wie schlecht man sich in einem Krankenhaus fühlen konnte. Also schickte ich noch schnell eine Nachricht hinterher.
"Wie geht es ihm denn?"
Auf dem Weg nach Hause war meine Stimmung sehr betrübt. Aber wenn wunderte es schon, wenn man gerade aus dem Krankenhaus kam, die nächste schlechte Nachricht erhalten und ich immer noch nichts von Marco gehört hatte. Aber war ich nicht selber schuld? So wie ich ihn angeschnauzt hatte. Oh Gott, war ich dämlich.
Er hatte doch gesagt, dass ich mich melden sollte. Warum sollte er das denn tun?
Zu Hause angekommen setzte ich mich aufs Sofa und zückte mein Handy.
"Hallo? Sophie?"
"Hey Marco." Meine Katze legte sich auf die Couch, ich streichelte sie ehe ich Marco's Stimme wieder wahr nahm.
"Wie geht es dir?"
"Ganz ok eigentlich.. und dir?"
"Sicher? Du sahst letztens ein wenig krank aus."
Mir kamen die Tränen. Ich musste es ihm sagen. Ich wollte mit ihm in Kontakt bleiben. Ich wollte ihn näher kennen lernen. Mich vielleicht sogar ein wenig mehr in ihn verlieben. Ein weinerlicher Ton überkam mich.
"Sophie? Was ist los?"
"Marco. I-ich muss dir etwas sagen, aber nicht am Telefon. Es muss persönlich sein."
Kurze Stille. Was dachte er wohl?
"Können wir uns treffen?", fragte ich also.
"J-ja klar. Sag mir einfach wann und wo, und ich bin da."
Ich lächelte. Er war echt süß, wie er sich um mich sorgte.
Wir vereinbarten uns am Freitag zu treffen. Er würde herkommen und wir würden etwas essen gehen. Wir redeten noch ein wenig. Er erzählte mich von dem anstrengenden Training, dass sein Neffe Nico bei ihm übernachtet hatte. Ich hörte einfach nur zu und antwortete ab und zu. Es tat gut, dass er redete und mich auf andere Gedanken brachte. So müsste ich nicht erklären, was bei mir los war.
Nachdem er aufgelegt hatte, kamen aber wieder neue Gedanken. Ich müsste mich bei meiner Nachbarin bedanken, dass sie sich um meine Katze gekümmert hatte, so lange ich weg war. Ich beschloss nachher einkaufen zu gehen und ihr einen Kuchen zu backen.
Außerdem musste ich mich erkundigen, was in der Uni alles passiert war. Es gab viel nachzuholen.

Freitag:

Ich kam gerade von der Arbeit. Zum Glück hatte mein Chef Verständnis, dass ich nicht da war. Er kannte zwar nicht die Wahrheit, aber eine andere gute Lüge. Darin war ich mittlerweile ein echter Profi. Leider, zugegebener Maßen.
Ich zog mich um, ehe ich vor dem Spiegel meine Schminke nochmal auffrischte.
Mein Haare fielen gelockt an meinen Schultern entlang und ich war ein wenig bleich. Wahrscheinlich, weil ich Marco heute die Wahrheit sagen würde. Ich musste es. Er war es mir wert.
Es klingelte. Ich sah auf die Uhr. Es war tatsächlich schon 19 Uhr.
Schnell ging ich zur Tür, atmete noch einmal durch, ehe ich die Sprechanlage betätigte.
"Hallo?", fragte ich überflüssiger Weise. Es war klar, dass es Marco war.
"Hey, ich bin's. Marco. Kommst du runter?"
Er klang ruhig. War er denn gar nicht aufgeregt, dass ich ihm was zu sagen hatte? Die meisten wurden sofort leicht panisch, wenn sich etwas wie "Wir müssen reden" ähnelte.
"Ja, sofort."
Ich streichelte noch einmal meine Katze, nahm meine Tasche und ging dann runter.
Als ich Marco sah, bildete sich ein Lächeln auf meinen Lippen. Er sah wieder unverschämt gut aus, wie er da an seinem Auto lehnte.
"Hey", sagte ich.
Er sah auf, lächelte und umarmte mich. Nachdem wir uns gelöst hatten, fragte er: "Können wir los?"
"Ja." Ich stieg auf der Beifahrerseite ein und schnallte mich an.
Marco startete das Auto und fuhr los.
"Wo gehen wir essen?", fragte ich.
"Ich hab mich ein bisschen umgehört und.."
"Umgehört?", fragte ich. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er jemanden hier kannte. Naja, bis auf mich.
"Okay, gegoogelt." Ich grinste. Wusste ich es doch. "Auf jeden Fall hab ich einen Spanier gefunden und dachte wir könnten dort was essen."
"Spanisch klingt gut."
Ich war ein absoluter Fan von Spanien. Meine Familie und ich flogen früher oft nach Spanien in den Urlaub oder auf die kanarischen Inseln.
Die Kultur, das Land und besonders die Sprache gefiel mir. Die ich übrigens beherrschte, da ich seit der 10 Klasse Spanisch hatte.
Im Restaurant angekommen, setzten wir uns, bestellten was und unterhielten uns. Unteranderem erzählte ich ihm auch von meiner Vorliebe für Spanien.
Es herrschte kurz Stille, als wir mit dem Essen fertig waren.
"Marco?"
"Hm?"
Ich musste es jetzt einfach wissen. Es beschäftigte mich schon den ganzen Abend.
"Bist du denn gar nicht neugierig darauf, was ich dir zu sagen habe?"
Er schien zu überlegen, was er sagen sollte. Öffnete kurz seinen Mund um etwas zu sagen, doch es kam nichts. Dann lächelte er. Ich sah ihn fragend an. Was dachte er?
"Es ist mir ein bisschen peinlich", fing er an, "aber ich habe nur daran gedacht, dass ich dich wieder sehe. Natürlich bin ich neugierig, aber die Vorfreude überwog."
Es war schön das gehört zu haben. Es klang ehrlich. Als freute er sich tatsächlich.
"Aber..", fuhr er fort und hob gespielt warnend seinen Finger, "ich will es trotzdem wissen."
Er grinste, fand sich wahrscheinlich lustig.
Ich hätte ja mitgelacht, ginge es nicht um so ein ernstes Thema. Aber er ahnte ja nichts.
"I-ich.. können wir woanders darüber reden?"
Seine Mundwinkel senkten sich. Er hatte bestimmt gehofft, dass ich mit lachte.
"Ja, ich bezahl nur eben und dann können wir los."
"Okay, danke."
Nachdem er bezahlt hatte, stiegen wir ins Auto.
"Wohin soll's gehen?", fragte er.
Ich diktierte ihm den Weg zu einem kleinen Park. Dort angekommen setzen wir uns auf eine Bank. Es herrschte einige Minuten Stille. Ich sah mich zusammengepressten Beinen etwas weiter weg von ihm, sodass eine kleine Lücke zwischen uns war. Er sah mich an. Ich versuchte seinem Blick stand zuhalten, aber ich konnte es nicht. Ich konnte es noch nie.
"Was wolltest du mir sagen?", fragte er.
"I-ich weiß nicht wie ich anfangen soll und ich kann verstehen, dass wenn du es weißt, du nichts mehr mit mir zu tun haben willst, aber ich kann dich einfach nicht mehr anlügen. Dafür bist du mir zu wichtig geworden."
Dabei sah ich ihn an. Er ist mir mehr als wichtig geworden. Viel mehr.
"Als es mir letztens so schlecht ging, hatte es einen Grund. I-ich.." Tränen kamen mir langsam aus den Augen.
"Ich bin krank, Marco."
Kurze Stille. Nur die typischen Geräusche der Nacht waren zu hören.
"Hast du eine Grippe, oder..?"
Ich lächelte. Aber nicht weil es lustig war. Es war so lächerlich. Ich wünschte mir echt, dass es nur eine Grippe wäre.
"Nein, Marco. Ich bin schon länger krank. Seit Jahren." Ich wollte ihm gerade eine neue Lüge vortäuschen, aber als ihm in die Augen sah, wusste ich, dass ich bereits zu viel gesagt hatte, um ihn wieder anzulügen. Er würde mir keine Lüge mehr glauben.
"Ich hab eine Niereninsuffizienz. E-es.. Mh, es ist so, dass meine eine Niere schon länger nicht mehr gut arbeitet und deswegen hatte ich letztens Krankheitserscheinungen. Ich musste ins Krankenhaus und hab da stärkere Medikamente bekommen. U-und wenn ich.."
Immer mehr Tränen rannte über meine Wangen.
"Ich brauche spätestens in ein einhalb Jahren eine neue Niere. Sonst ist es irgendwann vorbei."
"Was meinst du mit vorbei?"
"Dann arbeitet mein Organ nicht mehr. D-dann.. Ich werde dann sterben, Marco.
Und ich will, falls es passiert, dich da nicht mit rein reiten. Es kann sein, dass ich noch rechtzeitig eine neue Niere bekomme, aber ich will nicht, dass du verletzt wirst. Ich will nicht, dass du mich in dein Leben mit ein bringst, wenn ich bald nicht mehr da sein könnte."
Seine Wangenknochen arbeiteten auf Hochtouren. Ich machte mich schon darauf gefasst, dass er wirklich gehen würde. Dass ich es ihm doch nicht hätte sagen sollen, auch wenn es egoistisch gewesen wäre. Aber es kam anders.
"Sophie.. I-ich werde dich nicht alleine lassen. Es ist nicht mehr allein dein Problem. Ich will dich in meinem Leben haben, auch wenn es schlecht enden könnte." Ich guckte ihn überraschte an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Er rückte ein wenig näher an mich ran, nahm mich in seine Arme und wischte mir die Tränen weg. Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust und versuchte zu realisieren, dass er mich bei sich haben wollte. Auch wenn meine Last mich begleitete.
"Aber jede Minute, jede Sekunde, die ich dich bei mir haben kann, ist es mit wert, am Ende vielleicht verletzt zu werden", fuhr er leise fort, mit einer Stimme, die fast einem flüstern ähnelte, "Ich glaube daran, dass wir es schaffen können. Ich und du. Zusammen."

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- T

Alles hat einen Grund (Marco Reus Ff)Where stories live. Discover now