Kapitel 1.1 ✔

158 40 101
                                    

Xenia's Sicht:

Ich starrte in den Spiegel. Dies tat ich jeden Morgen. Jedoch sah ich niemals mich selbst, sondern nur ein Mädchen, dass zwar aussah wie ich selbst, aber nicht ICH war. Dies war bloß eine Kopie von mir, eine Fälschung. Da waren blaue Augen, die wie meine Aussahen, aber nicht meine waren. Aus meinem Kopf wuchsen schwarze Haare die mir wie Wasser über die Schultern fielen, aber nicht zu mir gehören. Dieses Mädchen dem diese DNA gehörte, war vor Jahren gestorben. Zurück blieb dieses etwas im Spiegel, dass nicht ich bin, sondern ein Werk lauter Experimente.

Ich wandte mich schnell vom Spiegel ab und griff mir meinen Rucksack, der über dem Stuhl neben meinem Bett hing. Danach schwang ich mich in die Küche und machte mir ein Brot für die Pause. Dies packte ich in meinen Rucksack, bevor ich mir meinen Schlüssel schnappte und die kleine Wohnung verließ.
Mein Weg führte mich über mehrere Straßen, vorbei an Schaufenstern und vielen Autos. Und in jeder einzelnen Spiegelnden Fläche sah ich meine billige Kopie.

Nach einigen Minuten kam ich an der Schule an und sofort besserte sich meine Stimmung, als ich Kim sah, die wie immer ans Schultor gelehnt da stand und mir zuwinkte. Ich beschleunigte meine Schritte und fiel ihr um den Hals. Sie erwiderte die Umarmung sofort und zerrte mich schließlich am Arm hinein ins Schulgebäude, wo mir wie immer die Plakate ins Gesicht sprangen, die überall hingen.
Auf diesen Plakaten prangten folgende Worte:

Mutanten sind eine Gefahr für die Menschheit
Wenn Sie einen Mutanten finden oder einen Verdacht haben, melden Sie sich bitte umgehend bei der örtlichen Polizei und wahren Sie Abstand zu der Person

Ich danke ihnen für ihre Mithilfe
Ihr Präsident

Jedesmal wenn ich diese Plakate sah, würde ich am liebsten die Welt um mich herum niederschreien. Denn was konnten wir schon dafür? Schließlich hat sich keiner von uns freiwillig für derartige Experimente gemeldet.
Verstehen die denn nicht, dass wir sie nicht absichtlich angreifen? Es liegt nunmal an unseren Genen, die verändert wurden. Einige von uns tragen Raubtier Gene in sich, andere sind lebendige Waffen. Und wir anderen sind anders, haben andere besondere Fähigkeiten, aber innerlich sind wir alles noch Menschen. Menschen, die ihren Familien damals entrissen worden sind und zu dem gemacht worden, was sie heute sind.

,,Xenia, alles ok?" Ich nickte ihr stumm entgegen und wandte mich wieder zum gehen zu. Kim und ich liefen dicht beieinander durch die überfüllten Gänge auf dem Weg zur Sporthalle, deren Eingang mit dem großen Schulgebäude verbunden war.
Wir gingen mit den anderen Mädchen in die Sammelumkleide und zogen uns um. Anschließend betraten wir die Sporthalle und mussten auf Anweisung von unserem Lehrer einige Runden in der Halle laufen. Alles lief so wie immer, doch dann machte der Lehrer eine Ankündigung, die mir Angst einjagte.

,,Meine Lieben, ab nächster Woche werden wir wieder jeden Donnerstag ins Schwimmbad gehen. Bitte bringt wie immer eure Badeklamotten und Handtücher mit. An alle Mädchen: sollten eure Haare länger als zur Schulter gehen, bitte ich euch eure Haare zusammenzubinden.
Diesesmal möchte ich alle dabei haben. Jeden einzelnen von euch."
Bei letzterem glitt sein Blick über mich und sofort blickte ich auf den Boden um ihm zu entgehen.
Nach seiner kleinen Rede brach Jubel um mich herum aus. Auch meine beste Freundin Kim jubelte mit und fing an zu stahlen. Kurz gesgt: Alle freuten sich. Alle außer mir. Für mich war dies eine Nachricht, die meinen Tot bedeuten könnte. Denn sobald ich vollständig ins Wasser eintauche, verwandle ich mich. Mein Körper würde sich zu dem verändern, was ich war. Eine Mutation.

Meine Haut würde einen bläulichen Ton annehmen, mein eines Auge würde sturmgrau werden, meinen Körper würden glänzende Schuppen zieren, zwischen meinen Fingern und Zehen würden Schwimmheute erscheinen, meine Haare würden Blau werden und hinter meinen Ohren würden Kiemenschlitze hervortreten.

Eigentlich mochte ich diesen Anblick von mir. Es war mein neues Ich mit dem ich klarkommen musste. Aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt. Doch wenn jemals irgendjemand davon erfährt, würde ich sofort zur Polizei geliefert werden und höchstwahrscheinlich hingerichtet oder für weitere Experimente benutzt werden. Ich konnte niemandem vertrauen, nicht einmal meiner eigenen Familie, die ich längst hinter mir gelassen hatte.

Damals, als die Labore von uns zerstört wurden und wir aus dieser Hölle flohen, suchte ich nach meiner Familie, wurde jedoch von ihr verstoßen, als sie mein neues verändertes Ich erkannten. Mein Stiefvater hasste Mutanten und bezeichnete sie als Abschaum, als eine Plage. Mein leiblicher Vater ist gestorben, als ich zwei war. Er war Krank und war dann an Herzversagen gestorben. Meine Mutter sagte zwar nichts, aber in ihren Augen konnte ich Angst erkennen. Angst vor mir, vor ihrer eigenen Tochter. Einzig und allein mein Bruder hatte keine Angst vor mir, aber er wurde von meinen Eltern festgehalten und es wurde ihm verboten jemals wieder ein Wort mit mir zu reden. Seit ich das Haus verlassen hatte, hatte ich ihn oder jemand anderen aus meinem früheren Leben nie wieder gesehen. Aber das war vermutlich auch besser so.

Plötzlich ertönte eine tiefe Glocke und erlöste uns von dieser Stunde.
Ich saß noch eine Weile auf dem Boden, bevor ich mich erhob und den Rückweg in die Kabine antreten wollte.
Doch auf einmal erklang die tiefe Stimme meines Lehrers hinter mir, die meinen Namen rief.
Ich drehte mich um und sah, wie er auf mich zukam und mir in die Augen blickte.

,,Xenia, diesesmal möchte ich deine Anwesenheit in der Schwimmhalle bestätigen können. Solltest du wieder nicht erscheinen, werde ich deine Eltern verständigen müssen." Ich nickte zur Bestätigung, dass ich ihn verstanden hatte und wandte mich wieder zum gehen, wobei ich weiterhin den Blick meines Lehrers in meinem Rücken spürte.

,,Diesesmal kommst du aber zum Schwimmen oder?" Fragte mich Kim, als ich als letzte die Umkleide verließ.
,,Ich weiß nicht..." Sagte ich leise. Denn es ging nicht. Ich konnte nicht ins Wasser ohne, dass es starke Konsequenzen davon tragen würde. Allerdings musste ich hingehen, sonst würde der Lehrer meine Eltern kontaktieren und die würden ihm von meinem anderen Ich erzählen. Dass darf auf keinen Fall passieren!
Ich werde einfach hingehen und versuchen mich so gut wie möglich rauszuhalten.
Hoffen wir einfach, dass das funktioniert.

~𝕏𝕖𝕟𝕚𝕒 | 𝔼𝕚𝕟 𝕃𝕖𝕓𝕖𝕟 𝕒𝕝𝕤 𝕄𝕦𝕥𝕒𝕟𝕥~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt