IX - Schmerzvoller Arm des Versprechens

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Sam schluckte und starrte die Frau mit offenem Mund fassungslos an. Hatte die wirklich gerade emotionslos angekündigt, sie vergewaltigen und ermorden zu lassen? Betrüger und Mörder ... blutiges Labyrinth ... Die Warnung in der letzten SMS war im Grunde eindeutig gewesen. Shit. Glühend heiße und eiskalte Schauer jagten über ihren Rücken. Wie kam sie aus dieser Nummer wieder raus? Ruhig, Sam. Die hätten dich direkt beim Eintreten töten können. Warum so lange warten? Das war nur ein Einschüchterungsversuch. Ähnlich wie Jed Harper wollte die etwas von ihr.

„In Ordnung", lenkte sie ein. „Was willst du?"

„Sichergehen, dass von all dem nichts an die Öffentlichkeit dringt", antwortete die Frau im weißen Dress mit heiserer Stimme und lehnte sich relaxed zurück. „Hast du einen Vorschlag, wie wir da zusammenkommen, Darling?"

„Ich ..." Hatte sie nicht vorhin selbst groß rumgetönt, dass ihre ganze Redaktion Bescheid wüsste? Ihr Kopf war wie leergefegt.

„Nun?"

„Nein", antwortete sie ehrlich und erntete erhobene Augenbrauen der Anwältin. Wobei diese sich eher wie eine Mafiapatin gab. Tief durchatmend setzte sie hinzu: „Wie gesagt: Mein Team kennt die Unterlagen, hat die korrupte Wallet bereits im Detail untersucht und alles dokumentiert. Falls ihr mich tötet – oder als Geisel nehmt –, werden die erst recht motiviert sein, das zu veröffentlichen."

Das war nicht gelogen, auch wenn ihr „Team" nur aus genau einer weiteren Person bestand. Aber Paul würde sicherlich die Redaktion informieren, sollte ihr was zustoßen.

Die Frau, deren Namen sie nicht kannte, schaute sie sekundenlang schweigend an. Versuchte vermutlich, herauszufinden, ob das ein Bluff ihrerseits war.

„Stupid Bitch", blaffte sie und lehnte sich vor. „Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass mein Arm lang ist? Sehr lang. Berlin ist nicht weit weg. Flieg nach Hause, zu deiner Familie und zu deinen Freunden. Zu Ulrike, Karsten, Freya und Ludwig. Zur Redaktion im wie nennt ihr das ... Pressehaus? Glaube mir eines", sie beugte sich noch weiter vor, hob ihren Zeigefinger und starrte sie aus Iriden klar und hart wie Eiskristalle an, „keiner von denen – oder deren Familien – werden den Morgen erleben, nachdem auch nur eine Zeile über meine Geschäfte, Xavier oder Bitty2000 in eurer Zeitung erschienen ist."

Glitschige, eisige Würmer fraßen sich durch ihre Eingeweide, windeten sich und suchten einen Weg hinaus. Die Frau kannte die Namen ihrer Eltern, ihrer Oma und ihres Ex-Freundes. Selbst wenn diese Drohung überzogen war, in Berlin existierte eine durchaus aktive Mafiaszene, das wusste sie von den Reportagen ihrer Kollegen. Bei diesen Texten wurde aus genau diesem Grund auf hundertprozentige Verschwiegenheit und Geheimhaltung gesetzt. Damit sich niemand an den Redakteuren oder deren Familien rächen konnte. Hätte sie vorher gewusst, dass sie es mit organisierter Kriminalität zu tun bekäme ... niemals wäre sie derart offensiv aufgetreten.

„Nun denn", die angebliche Anwältin erhob sich und ließ sie wie einen begossenen Pudel sitzen. „Ich denke, wir haben einen Deal. Nicht wahr?"

Mehr als ein Nicken brachte Sam nicht zustande. In diesem Moment war sie heilfroh, dass wirklich nur Paul von der Geschichte wusste. Tatsächlich würde sie alles daransetzen, damit kein Wort über diese Sache an die Öffentlichkeit kam. Das war es nicht wert.

„Sehr schön." Die Platinblonde marschierte, Xavier wie einen ungezogenen Schüler im Schlepptau, in Richtung Ausgang.

Auch Sam erhob sich und folgte ihnen. Die Frau dreht sich nochmals um, sodass Sam ebenfalls innehalten musste.

Mit den Leibwächtern an ihren Seiten schaute sie ihr direkt in die Augen: „Ich habe dir doch erzählt, was ich Jose und Beppo hier versprochen habe, oder? Und ich pflege meine Versprechen zu halten. Diese kleine Lektion wird dir helfen, es dir zu merken. Ihr beide", damit wandte sie sich an die erwartungsvoll grinsenden Kerle, „achtet darauf, dass sie keine sichtbaren Schäden im Gesicht davonträgt, ja?"

𝗱𝗲𝗮𝗱𝗯𝗼𝗼𝗸 - ​Ralphs letztes Rätsel✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt