Brocken Dreams (2)

29 6 8
                                    

Sugawara führte ihn durch die weiß angestrichenen Flure, die alle gleich erschienen. Kageyamas Sinne waren wegen des Emotionstrubels betäubt und seine Beine zitterten fürchterlich, sodass es verwunderlich war, dass er überhaupt noch auf den Füßen stand.

Nach gefühlter Ewigkeit blieb der Ältere vor einer Tür stehen und sah in die saphirblauen Seelenspiegel hinauf. Die Pupillen der Nummer 9 erschienen kleiner als sonst und ein tiefer Schatten legte sich über seine Augen.

Dieser Anblick überforderte ihn. Wie sollte er den Jüngeren beruhigen? Er befand sich in einer völlig neuen Situation. Normalerweise drehte sich alles nur um den Volleyball und ums Gewinnen, wo er den Rücken der anderen stützen musste. Aber diesmal ...

Der Verlust von Hinata im Team war für Karasuno enorm. Mehrfach hatte sein Willen sie zum Sieg geführt oder sie aufgemuntert. Mehrfach wendete er die Situation auf ihren Nutzen, indem er unerbittlich hinter dem Ball hersprang.

Aber nicht nur das. Er war ein guter Freund, der sie immer wieder zum Lachen brachte. Seine enorme Energiestrahlung konnte einen ganz schön überfordern und trotzdem schloss man den Orangenhaarigen schnell ans Herz.

Und jetzt wurde ihnen mitgeteilt, dass er nie mehr mit ihnen spielen würde. Die Sportart, das Volleyball, war das, was sie alle miteinander verband. Auch wenn jeder ab und zu mal ein Witz über seine Größe gemacht hatte, hatte Hinata sich nie davon einschüchtern lassen. Im Gegensatz, sein Traum war es, das Ass des Teams zu werden.

Wie sollte er, Sugawara Kōchi, Kageyama versichern, dass alles wieder gut sein wird, wenn er selber nicht wusste, wie es weiter gehen wird? Vor allem, wenn er wusste, dass Kageyama für den Kleineren mehr als nur Freundschaft empfand ...

» Sollen wir hineingehen oder brauchst du noch einen Moment? «, fragte er schließlich.

» Nein «, hauchte der Schwarzhaarige und räusperte sich, um seine Stimme zu stabilisieren, » Nein, schon. Lass uns zu Hinata gehen. «

Kageyama fühlte sich ganz und gar nicht bereit, Hinata zu sehen. Sein Körper schrie ihn an, er solle wegrennen und sich unter seiner Bettdecke verkriechen. Er wollte ihn nicht sehen. Nicht in diesem Zustand.

Aber das ließ sein eigener Stolz nicht zu. Er durfte kein Feigling sein. Er war kein kleines Kind mehr, der sich heulend in den Armen seiner Mutter versteckte. Er musste sich dem stellen, was ihm bevorstand. Auch, wenn es ihn von innen zerreißen sollte.
Schließlich zählte Hinata auf ihn.

Der Silberhaarige öffnete langsam die Tür und führte den Jüngeren hinein. Mit unsicheren Schritten betrat Kageyama den Raum und sofort schlug ihm der Geruch der Desinfektionsmittel entgegen.

Und dann schoss ihm dieser eine Gedanke in Lichtgeschwindigkeit durch den Kopf. Diese eine verfluchte Frage brachte ihn erneut zum Schwanken. Sein Herz fing schneller an, sein Blut durch die Adern zu pumpen, sodass er das Gefühl in den Gliedern verlor.

Aus Reflex schloss er seine Augen, um sich von seiner Umgebung abzutrennen. Er musste sein Inneres-Ich beruhigen. Er durfte jetzt nicht durchdrehen. Denn dies würde sowieso nichts bringen, nur die Lage verschlimmern.

Alles wird wieder gut sein - versuchte er sich ruhig zu halten.
Jedoch waren diese Worte nur eine leere Lüge. Eine Lüge, die er sich selbst versuchte aufzutischen, obwohl er bereits die fürchterliche Wahrheit kannte.

Wie wird Hinata reagieren?

Er spürte, wie Sugawara leicht seine Schulter beruhigend druckte. Er atmete tief durch.
Ich muss jetzt für Hinata da sein - und mit diesem Gedanken öffnete er langsam seine Augen wieder und sah sich im Krankenhauszimmer um.

✓ Brocken Dreams 「KageHina」Where stories live. Discover now