kapitel 2

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Basti klopfte zwei mal, woraufhin sich etwas im Zimmer tat. Die Tür wurde von einem Blondschopf mit ein paar Sommersprossen geöffnet. "Heyy kommt rein", begrüßte uns dieser voller Freude. Wie kann man nur so motiviert sein? Wir betraten das Zimmer, in welchem noch ein weiterer Junge saß, mit sehr kurzen, braunen Haar.

"Das ist mein neuer Mitbewohner Kevin, er ist auch Autist und non-verbal. Kevin, das sind Stegi und Tim" Er zeigte erst auf den Blonden, dann auf den Braunen. Kurz hob ich meine Hand und winkte. Etwas peinlich war mir das Ganze hier schon. "Eyy, auch Autist? Ich bin mir sicher du verstehst sich blendend mit Basti dann. Mach dir keine Sorgen, wir verurteilen hier niemanden. Du musst dich nicht verstellen, falls du das denkst", entgegnete mir Tim. Als Antwort schenkte ich ihm ein Lächeln. Das war schon immer mein Traum gewesen, einfach hingenommen zu werden, so wie ich bin. Kein "könntest du das vielleicht lassen", "das gefällt mir aber nicht so" oder "kannst du dich nicht einfach normal verhalten". Nein, hier war ich als vollwertiger Mensch angesehen.

"Wir müssen dann aber auch wieder gehen, haben noch zu tun. Tschau tschau", verabschiedete uns Basti von den anderen. Wieder in unserem Zimmer angekommen schmiss er sich wieder auf sein Bett. "Ich denke mal du willst Koffer auspacken? Soll ich dir helfen" Bedrückt schüttelte ich den Kopf. "Alles gut, verstehe ich. Ich mag es auch nicht wenn andere meine Sachen anfassen" Mal wieder diese verständnisvollen Art, warum kann die nicht jeder haben?

Als ich bereits einige Klamotten in den Schrank geräumt hatte, fiel mir eine Weltkarte auf Bastis Seite auf. Still betrachtete ich sie von ganz nahe. Auf manchen Städten waren Stecknadeln. "Ah ja, das sind Orte, an denen ich gerne mal hinreißen würde. Mein Hobby ist irgendwie so Vexillologie und Hauptstädte und so. Ich weiß, klingt bisschen albern" Ich drehte mich zu ihn um mit einem großen Lächeln im Gesicht. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, zeigte ich auf mich. "Du interessierst dich auch dafür?" Eifrig nickte ich. Dann realisierte ich, dass Basti der erste Mensch war, der mich verstand. Nichtmal meine Eltern wussten was ich sagen wollte, er schon. Ich musste nicht mit ihm reden um zu kommunizieren. Bei ihm fühlte ich mich geborgen, sicher.

Während ich meine restlichen Sachen noch einräumte erklärte mir Basti die Tagesordnung. "Also Frühstück gibt es wenn Schule ist um 6 bis 8 Uhr, ansonsten 7 bis 10 Uhr. Mittagessen ist immer von 13 bis 14 Uhr, Abendessen von 17 bis 19 Uhr. Eine Kleiderordnung gibt es hier nicht wirklich, außer Jogginghosen, die darfst du nicht anziehen. Unterricht ist immer von 8 bis 15 Uhr, wobei eben von 13 bis 14 Uhr Mittagspause ist. Du kannst dich auch noch für Nachmittagsfächer eintragen. Wir haben Basketball, Kunst, IT oder Italienisch"

Ich stockte mit meinem Handeln und schaute ihn fragend an. Er verstand. "Am Anfang vom Schuljahr, irgendwann in der ersten Woche, wird ein Zettel ausgeteilt, da kannst du dann ankreuzen wohin du willst. Was davon wäre denn was für dich?" Kurzerhand deutete ich auf meinen Mund, während ich noch die letzten Sachen in mein Nachtschränkchen verstaute. "Italienisch also. Ja, Sprachen interessieren mich auch, aber ich habe nicht die nötige dedication dafür" Verträumt schaute er an die Zimmerdecke. Woran er wohl denken mag? Manchmal wünschte ich, ich würde Menschen besser verstehen. Schon allein Gesichtsausdrücke zu deuten ist für mich eine Seltenheit. Ist jemand genervt, gelangweilt, ist es einfach sein entspanntes Gesicht, ich hab keine Ahnung.

hiraethWo Geschichten leben. Entdecke jetzt