Yeongyu

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"Hay.", haucht Beomgyu, setzt sich vor dem Grab seines besten Freundes, zieht die Beine an sich und seufzt dann etwas.
"Ich glaube du bist böse auf mich, nicht wahr?", fragt er leise, spielt mit seinen Fingern.
Irgendwas muss er immer mit seinen Händen machen, sonst würde er durch drehen.
Daher hat seine Mom ihm so'n pop it Ding gekauft und es hilft tatsächlich.
Nur zu seinem Pech hat er es zu Hause liegen lassen.
"Es tut mir leid das ich nicht bei deiner Beerdigung gewesen bin. Ich konnte es nicht. Ich konnte es nicht wahr haben...Da hin zugehen, hätte mir nur noch mehr gezeigt das all das hier echt ist, weißt du? Keine Ahnung ob du es verstehst...aber keine Sorge, ich fühle mich selbst deswegen schon unglaublich beschissen genug. Daher habe ich mich jetzt auch her bewegt, weißt du? Um mich bei dir zu entschuldigen..und um mit jemanden zu reden.
Etwas was ich schon lange mit niemanden mehr tue. Okay, gelogen, ich rede mit Jisung, aber zur Zeit ist unser Kontakt auch etwas weniger, weil er eine Menge zu tun hat. Dennoch freue ich mich auf jede Nachricht von ihm..naja, reden wir nicht über Jisung. Es tut mir leid das ich nicht bei deiner Beerdigung gewesen bin. Such mich nachts bitte nicht heim. Mich plagen sowieso schon wieder Alpträume. Einer nach dem anderen...aber egal. Wie geht es dir?", fragt Beomgyu, schaut in den Himmel.
Er vermisst Taehyun, sehr sogar, bereit es nicht zur Beerdigung gegangen zu sein.
Warum war er bloß so?
Warum ist er so ein Arschloch gewesen?
Okay, nein, er ist es noch immer.
Vielleicht war er sauer gewesen.
Auf Taehyun und auf dich.
Dabei dürfte er doch gar nicht wütend sein.
Er selbst versteht nur zu gut wieso Taehyun sich das angetan hatte.
Eigentlich hatte es ihn noch nicht einmal gewundert... nicht wirklich überrascht.
Sein bester Freund hatte es ihm geschrieben und er?
Beomgyu selbst hat es nicht wirklich kapiert, hat nichts auf die Reihe bekommen um ihm zu helfen...und keine zwei Tage später bekommt er den Anruf von Yeonjun das Taehyun Tod sei.
Selbstmord begangen hatte.
"Ich hoffe dir geht es besser, Hyunnie. Du hast es verdient glücklich zu sein. Und ich hoffe, dass egal wo du bist, jetzt endlich atmen kannst, dich endlich wie du selbst fühlst und leben kannst, Hyunnie, aber ich vermisse dich so sehr..."
Darauf ist es ruhig zwischen, Beomgyu sagt nichts mehr, weiß nicht was er erzählen soll.
Woher weiß man auch was man einem Grabstein erzählen soll?
Sein Blick wandert zu den gelben Lilien, welche neben seinem Rucksack liegen, nimmt diese und legt sie auf das Grab.
"Ich habe deine Lieblingsblumen geholt..", flüstert Beomgyu, versucht etwas zu lächeln, doch kann er es nicht.
Er kann schon seit Wochen nicht mehr lächeln oder lachen.
An Mini Momenten schaffen seine Freunde ihm ein Lächeln zu entlocken.
Doch nicht oft und wenn es passiert, dann fühlt er sich kurz darauf wieder beschissen..
So als dürfte er nicht glücklich sein.
Selbst seine Familie sieht das etwas nicht stimmt.
Doch bei seinen Stimmungsschwankungen zur Zeit ist es schwer mit ihm zu kommunizieren.
Er streitet sich mit seiner Mutter und seine Geschwister sind eh mehr als nur Stress Pur.
Tief atmet er durch, fährt sich durch die Haare.
Was macht er jetzt?
Einfach reden, oder?
Das machen Menschen doch auf Friedhöfen.
Mit den verstorbenen reden um sich ihnen nahe zu fühlen.
Nicht wahr?
Er weiß es nicht.
Das letzte Mal auf dem Friedhof war er bei seiner Uroma um das Grab sauber zu machen.
Dort hatte er ein kleines Kind gesehen, maximal sechs, welches vor einem Grab saß.
Als er ihn fragte was er dort macht, meinte das Kind, das es mit seiner Mama reden würde.
Das war so traurig zu sehen...
Er beißt sich auf die Lippe, fängt kurz darauf an zu reden.
Vielleicht hilft es ja irgendwie...
Ach was weiß er schon.
"Weißt du...ich war gestern wieder beim Hügel, denn gestern waren die Perseiden, ein Meteoriten Schauer. Sie haben beim Sternbild Pegasus begonnen und sind durch die gesamte Gegend gestreut...Ich habe gestern zum ersten Mal Sternschnuppen gesehen...Mein Traum, Sternschnuppen zu sehen ist also in Erfüllung gegangen. Weißt du noch wie ich deswegen immer geheult habe, weil ich eingeschlafen bin vor den Sternschnuppen? Nun habe ich welche gesehen. Ganze fünf Stück! Und weißt du was mein erster Reflex gewesen ist? Ich habe sofort nach meinem Handy gegriffen, wollte es Changbin und dir schreiben. Doch noch mitten im Handy greifen, ist mir eingefallen das ich das nicht mehr kann.
Ich habe gestern auch meiner Mom über die Sternbilder erzählt, auch über die Milchstraße, welche gestern gut zu sehen war.
Und dann habe ich an Changbin denken müssen und sofort war alles wieder zu nichte.
Dabei war ich kurz glücklich...
So verdammt glücklich.
Aber es hat sich auch so verdammt falsch angefühlt.
Ich darf nicht glücklich sein.
Du warst auch nie glücklich, hast es jedem nur vorgespielt und nun sind wir hier. Du nicht mehr am Leben, und ich leider Gottes am Leben. Ich bin nicht mehr ich, seid dem zu gegangen bist, weißt du das eigentlich? Ich meine ich tue nichts mehr. Rein gar nichts mehr. Alles was ich noch tue ist zu schreiben oder Tiktok zu schauen, aber sonst? Ich tue nichts.
Du bist nun seit einem Monat schon fort und genauso lange habe ich Changbin nicht mehr in meinem Leben...Ich vermisse euch beide. Dich und ihn...Ich wurde gefragt ob ich mir etwas gewünscht habe. Die Frage hat mich etwas auf dem Konzept gebracht..denn ehrlich gesagt habe ich mir nichts gewünscht, war in diesem Moment einfach nur glücklich.
So glücklich wie seit fast einem Jahr nicht mehr...aber bei der letzten Sternschnuppe hab ich mir etwas gewünscht, ja, aber das darf ich nicht verraten, sonst wird es nicht wahr werden.
Okay, es wird sowieso nicht wahr werden und dennoch...dennoch würde ich es dir zu gern erzählen. Ich würde dir so gern alles erzählen, aber so viel ist in den nächsten Wochen nicht passiert. Das einzig spannende sind Changbin seine Sachen die er gestern gepostet hat. Ich habe es gelesen... und weiß nicht was ich denken oder fühlen soll. Weißt du, ich weiß das es stimmt was er schreibt. Es stimmt immer, aber er hat ewig gebraucht um das zu kapieren.
Um zu kapieren das er mich noch liebt. Nicht das ich es nicht auch noch tun würde, aber ich weiß nicht... irgendwas in mir sagt das es nicht richtig ist. Das nichts mehr richtig ist. Es hat Ewigkeiten gebraucht bis er es kapiert hat und dafür musste er mich erst verlieren...aber keine Ahnung..Er hat Wooyoung und neue Freunde. Mit denen wird er sicherlich glücklicher. Es wird nur noch etwas Zeit dauern, bis das funktioniert... Ist es egoistisch? Bin ich egoistisch?
Bin ich ein Arschloch, weil ich es nicht schaffe ihm zu schreiben? Weil ich Angst habe vor allem möglichen? Das mein Kopf es mir verweigert, weil ich Angst habe wieder verletzt zu werden..?
Ist das nicht vollkommen egoistisch?
Ich habe ihn von mir gestoßen, weil er mir weh getan hatte, aber war das richtig..? Du hast ihn immer gemocht. Manchmal hättest du ihn gegen die Wand schleudern wollen, aber du hast ihn gemocht.."
Er atmet durch, legt den Kopf auf seine Knie ab, schlingt dabei die Arme um sich.
"Ich denke die schrecklichste Woche meines Lebens hat mir die zwei wichtigsten Menschen weg genommen. Jetzt hab ich nur noch Jisung, Felix und Minho. Und natürlich auch Seungmin..alles andere ist oberflächlich. Eigentlich schreibe ich kaum noch mit jemanden. Ich bin zwar ununterbrochen am Handy, aber schreibe mit kaum jemanden... ich lese und schreibe viel...
Oh...und ich habe mir die Haare geschnitten. Kürzer als sie eigentlich sein sollten, aber ich mag es. Jetzt muss ich mir nur noch eine Haarfarbe überlegen...ich weiß nämlich nicht, welche ich nehmen soll... ich möchte sie gern vor Schulbeginn noch einmal färben... wenn ich es hinbekomme.. oder die Motivation finde...das einzige was mir jetzt wirklich noch Motivation gibt ist mein Konzert in zwei Monaten.."
Gerade als er weiter reden möchte, hört er Schritte die immer näher kommen. Daher hört er auf.
Nicht jeder muss das hören.
Wahrscheinlich gibt er eh schon einen verdammt lächerlichen Anblick ab.

"Hay Beomgyu.", sagt Yeonjun, setzt sich neben den besten Freundes, seines verstorbenen Bruders.
Ewig hatte er ihn nicht mehr gesehen und auf der Beerdigung war er sauer, weil er ihn nirgendwo gesehen hat, aber nach einem Gespräch mit Soobin und Seungmin hatte er es verstanden.
Beomgyu war nicht bereit.
Er war nicht bereit Abschied zu nehmen, nicht bereit raus zu gehen.
Etwas was er seit Wochen nicht wirklich getan hatte.
Seine Sozialphobie bringt ihn noch um, daher weiß Beomgyu nicht einmal ob er es auf seinen CSD schafft.
Will er überhaupt dahin?
Eigentlich schon, aber im selben Augenblick spürt er die Panik aufkommen bei dem Gedanken der Menschenmassen.
Schon die Zug Fahrt hier hin ist absolut schrecklich gewesen.
Eine Weile sitzen beide stumm nebeneinander, sehen auf Taehyun sein Grab.
Worüber sollten sie auch reden?
Sie haben nie wirklich miteinander gesprochen.
Yeonjun mochte Beomgyu nicht einmal wirklich.
Daher bleiben beide ziemlich ruhig, hängen ihren eigenen Gedanken nach.
Aber auch nur so lange bis Yeonjun aufsteht.
"Na komm.", sagt dieser und hält Beomgyu seine Hand hin, weshalb dieser ihn verwirrt ansieht.
"Lass uns beide etwas essen gehen.", sagt der ältere nur, weshalb Beomgyu seine Hand ergreift, sich aufhelfen lässt.
"Worauf hast du Hunger? Ich lade dich ein." sagt Yeonjun, während er auf Taehyun sein Grab sieht, schwach lächelt.
Er vermisst seinen Bruder, sehr sogar, aber weiß er, dass es ihm jetzt besser geht.
Taehyun wollte sterben und das ist okay.
Er ist ihm nicht böse.
Manchmal bringt alles kämpfen nichts um glücklich zu werden und dann kann man nur einen Ausweg finden. Für seinen kleinen Bruder war es der Tod.
"Ich weiß nicht ob ich Hunger habe. Ich glaube nicht das ich Hunger habe..", murmelt Beomgyu, löst den Blick nicht vom Grabstein, hat Tränen in den Augen.
Er weint entweder zu viel oder gar nicht.
Yeonjun zieht ihn sanft an sich, wuschelt durch seine Haare.
"Na komm, wir gehen zu Mcces. Ich denke das tut uns beiden gut. Außerdem gibt's in den Happy Meals Pokémon Spielzeug."
"Du willst also nur wegen dem Pokémon Spielzeug nach McDonald's und Happy Meals kaufen?", fragt Beomgyu, schaut den älteren an.
"Natürlich.", grinst Yeonjun, sieht nochmal zu dem Grab seines Bruders.
"Drück mir die Daumen, Taehyun... und jetzt entführe ich deinen besten Freund und stopfe ihn mit essen voll."
Beomgyu lächelt kurz, steht auf und fährt sich durch die Haare.
Dann folgt er Yeonjun vom Friedhof, fühlt sich etwas besser, etwas befreiter.
Aber wer weiß wie lange das anhält.
Sicherlich nicht lange.
Schließlich kennt er sich schon eine Weile.
Hoffentlich wird es besser, wenn er wieder zur Schule geht.
"Du solltest dir demnächst Tattoos stechen lassen statt dir die Haare zu schneiden. Nicht das du demnächst eine Glatze hast. Dann kenne ich dich nämlich nicht mehr."
"Idiot.", brummt Beomgyu, schubst ihn etwas.
"Ich mag dich nicht, Choi Yeonjun."
"Ich mag dich auch nicht, Choi Beomgyu. Und doch gehst du nun mit mir zu Mcces."
"Ich kann auch direkt zum Bahnhof gehen und wieder nach Hause fahren.", brummt Beomgyu, dreht sich um.
Gerade als er den ersten Schritt machen möchte, hält Yeonjun ihn an der Taille fest und zieht ihn an sich.
Etwas was den jüngeren rot werden lässt.
"Erst gehen wir essen.. danach darfst du immer noch in einen überfüllten Zug steigen und nach Hause fahren."
"Solange ich meine Kopfhörer habe, ist das okay.", brummt Beomgyu, schiebt Yeonjun von sich, dreht sich zu ihm.
"Gut gehen wir essen."
Yeonjun lächelt zufrieden, nimmt seine Hand und zieht ihn mit.
Direkt zu dem nächsten McDonald's.

Txt/Skz OS Buch 2 Where stories live. Discover now