We Gotta Live

Kapitel 2 - 4 Wochen, 6 Tage und 23 Stunden.

[ZAC]

4 Wochen, 6 Tage und 23 Stunden.

So lange war es her, seit ich in mein altes Leben zurückgekehrt war. Mit dem kleinen Unterschied, dass es nun schlimmer war als vorher. Viel schlimmer.

Tick. Tack. Tick. Tack.

Ich hob den Blick und starrte auf die teure Uhr über dem teuren Schreibtisch. Dieser stand auf dem teuren Parkettboden, in meinem teuren Zimmer in einem teuren Haus, auf einem noch viel teureren Grundstück.

Alles in diesem Raum war ein kleines Vermögen wert. Von dem Perserteppich am Boden, über die geschmacklosen Bilder an den hohen Wänden, bis hin zu den bescheuerten, mit meinen Initialen bedruckten Handtüchern in dem viel zu großen angrenzenden Badezimmer. Und ich hasste es. All das gehörte mir, doch ich wollte es nicht. Ich wollte nicht hier sein. Doch trotzdem verbrachte ich seit über einem Moment wieder Tag für Tag in diesem Zimmer, in diesem Haus, welchem ich in jener Nacht vor drei Monaten eigentlich den Rücken zugekehrt hatte.

Bei dem Gedanken an die damalige Rettungsaktion musste ich grinsen. Als meine besten Freunde einige Tage nichts von mir gehört hatten, da mein Vater wegen irgendeiner Streitigkeit mein Handy einkassiert hatte, waren sie kurzerhand über das Grundstückstor eingestiegen und hatten plötzlich vor der Terrassentür gestanden. Noch immer überkam mich eine Gänsehaut bei dem Gedanken an den Moment, als ich während eines der unzähligen Geschäftsessen meines Vaters durch die Fenster im Garten Cole und Luc entdeckt hatte. Mit ihrer Hilfe war es mir gelungen, den damaligen Bodyguard, welchen mein Vater auf mich angesetzt hatte, um mich von Dummheiten abzuhalten, auszutricksen und abzuhauen. Alles hatte so gut geklappt. Für zwei Monate hatte ich tatsächlich geglaubt, endlich von meinem Vater losgekommen zu sein, frei zu sein.

Doch dann, vor knapp fünf Wochen, kam sein Anruf. Und mit wenigen Sätzen hatte er mich dazu gebracht zurück zu ihm in diese gefängnisartige Festung zu ziehen. Wieder den Posten des wohlhabenden Sohnes und Nachfolger als Geschäftsführer seines Bau- und Immobilienunternehmens Roberts Construction einzunehmen. Seine persönliche Marionette zu sein. Der Gedanke daran löste in mir die unterschiedlichsten Gefühle aus. Hilflosigkeit. Angst. Wut. Doch vor allem eins: Hass.

Inzwischen war ich mir sicher, dass ich meinen Vater hasste. Ich hatte über viele Jahre hinweg versucht, ihn zu lieben. Ich wollte ich mögen. Er war mein Vater, ich sollte ihn mögen. Doch inzwischen war es mir egal, was ich sollte. Ich hatte es aufgegeben, zu hoffen. Stattdessen hatte ich mich mit meinen Gefühlen gegenüber ihm abgefunden. Und ich wusste, dass diese sich nicht mehr ändern würden. Denn das, was er vor einem Monat, was er lange davor, getan hatte, war unverzeihlich.

Tick. Tack. Tick. Tack.

Punkt acht Uhr. Eine Sekunde später hörte ich, wie die Zimmertür hinter mir geöffnet wurde und mein aktueller Bodyguard den Raum betrat. Er war wie alle seine Vorgänger. Breit gebaut, kurze Haare und eine ernste Miene auf dem steinernen Gesicht. Nach außen hin wirkte es, als wäre er für meine Sicherheit verantwortlich. Doch eigentlich bestand seine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass ich nicht erneut verschwand. Er wusste es, ich wusste es und mein Vater wusste es. Ich war der Gefangene in einem Haus, welches für andere wie ein Traum wirkte.

Ich setzte mein Grinsen auf, welches ich seit Jahren auf Kommando an- und ausknipsen konnte und lehnte mich in meinem Schreibtischstuhl zurück, bevor ich mich mit Schwung umdrehte.

»Na, Bond. Wie geht's uns heute? Schon Verbrecher gefasst an diesem wunderschönen Morgen?«

Er sah mich ausdruckslos an. »Mr. Roberts lässt ausrichten, dass das Essen fertig ist.«

Unbeeindruckt hob ich die Augenbrauen und neigte dann interessiert den Kopf. Ich hatte es bisher noch nicht geschafft, diesen Mann zu provozieren, weswegen ich mir genau das aktuell zur Aufgabe machte. »Bezeichnen Sie sich selbst eigentlich als Bodyguard? Oder haben sie auch irgendwie das Gefühl, eher so etwas wie ein Babysitter zu sein?«