Kapitel 23: Ein Unerwünschter Gast

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Es vergingen vier weitere Tage. Shinoa sagte in dieser Zeit in Lucifers Gegenwart nichts mehr, was nicht angemessen war. Am Nachmittag des fünften Tages brachte Shinoa den gewünschten Kaffee in Lucifers Büro. Sie stellte die Tasse auf den Tisch und wollte so gleich wieder aus dem Büro hinaus, als Lucifer sie aufhielt. «Shinoa, bitte setz dich.» Shinoa drehte sich um und setzte sich auf den Stuhl vor Lucifers Schreibtisch. Lucifer legte seine Dokumente beiseite. «Du bist in den letzten Tagen so schweigsam, ärgern dich deine Arbeitskollegen?» Shinoa schüttelte den Kopf. «Nein.» Lucifer verschränkte seine Arme auf dem Schreibtisch. «Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mich anlügt.» «Majestät, ich lüge Euch nicht an, ich habe keinen Streit mit den anderen.» «Und was ist es dann?» Shinoa schaute ihn verwirrt an. «Nehmt Ihr mich gerade auf den Arm?» «Sehe ich vielleicht so aus, als ob ich Späße mache?», stellte Lucifer eine Gegenfrage. «Hoheit, vor vier Tagen sagtet Ihr mir, ich solle meine Zunge im Zaum halten, ansonsten reißt Ihr sie raus.» Lucifer lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Habe ich das? Kann mich nicht daran erinnern.»

Shinoa schaute ihn fassungslos an. «Wie auch immer. Wann ist die Beerdigung deiner Freundin?», fragte Lucifer. «Morgen Nachmittag», antwortete Shinoa. «Und wann wolltest du mir das sagen?» «Gar nicht. Ich habe keine Einladung bekommen. Das Datum hat mir Sky verraten», antwortete Shinoa und senkte den Blick. «Kiras Eltern können mich überhaupt nicht leiden, sie sagten immer, ich sei ein schlechter Umgang für sie.» «Willst du dennoch dahin gehen?», fragte Lucifer. Shinoa nickte langsam. «Aber erst am Abend nach der Arbeit, ich will nicht, dass sie mich dann anschreien und beschimpfen.» «Wenn das Grab zu ist, kannst du dich doch gar nicht richtig verabschieden und mit der Sache abschließen», sagte Lucifer mitfühlend. «Aber ich habe eine Idee. Miss Kenway ist bei dem Bestattungsunternehmen Undertaker, der Inhaber ist zufällig ein alter Freund von mir. Du wirst dir den Rest des Tages freinehmen und dich ordentlich von deiner Freundin verabschieden. Deine Kutsche fährt in 20 Minuten, zieh dich um und geh zum Haupteingang. Bevor du widersprechen willst, das ist ein Befehl.» Shinoa stand auf und verneigte sich. «Wie Ihr wünscht, Majestät.»

Shinoa ging in ihr Zimmer, zog sich um und 15 Minuten später stieg sie in die offene Kutsche ein. «Shinoa, warte!», rief Itona hinter ihr. «Lucifer sagte, ich solle dich begleiten.» «Als seelische Unterstützung?», fragte Shinoa. Itona nickte. «Ja, tut mir leid.» «Schon gut, komm, steig ein.» Itona stieg zu ihr in die Kutsche und schloss die Tür. «Sind alle da?», fragte Collins, als er auf den Kutschbock stieg. «Ja, Mr. Collins, Sie können losfahren», bestätigte Itona.

Collins brachte die beiden Dämoninnen zum Bestattungsunternehmen, dort stieg Shinoa aus. «Du kannst sitzen bleiben, Itona.» «Was? Lucifer sagte, ich soll dich begleiten», erinnerte Itona sie daran. «Ich weiß, das habe ich nicht vergessen, aber an der Tür steht Geschlossen», sagte Shinoa und wollte gerade wieder in die Kutsche einsteigen, als sie hörten, dass jemand die Tür aufschloss. Shinoa und Itona schauten beide zur Tür. Am Türrahmen lehnte sich ein junger Dämon mit langem, grauem Haar und einem langen Pony, der ihm ins Gesicht hing und seine Augen verdeckte. Der Dämon trug schwarze, weite Kleidung. Ein grauer, breiter Stoffgürtel war um seine Hüfte gebunden.

«Shinoa und Itona?», fragte der Dämon. Shinoa nickte. Ein breites Grinsen erschien auf den Lippen des Dämons. «Ich bin Undertaker, der Inhaber des Bestattungsunternehmens. Mein Freund hat mich vorhin kontaktiert, dass ihr die Dame Miss Kirara Kenway sehen wollt und ihr dabei ganz ungestört sein wollt.» «Das hat Seine Majestät gesagt?», fragte Shinoa verwirrt. «Ja», bestätigte der Dämon. «Ihr habt Glück, ich bin gerade mit dem Herrichten von Miss Kenway fertig geworden, ihr seid die Ersten, die sie sehen. Bitte folgt mir.»

Die zwei Dämonien folgten dem Bestatter bis in den Raum, wo Kirara war. «Nehmt euch so viel Zeit, wie ihr braucht.» «Danke ...», sagte Shinoa und ging näher zum Sarg. Itona blieb in der Tür stehen. «Willst du nicht hin?», fragte Undertaker. «Nein, Kirara war Shinoas Freundin. Lucifer befahl mir, sie zu begleiten, als Unterstützung», erklärte Itona. «Verstehe. Willst du solange in meinem Büro bei einer Tasse Tee warten?», fragte Undertaker. «Zu einem Tee sage ich nicht Nein», antwortete Itona und folgte dem Dämon in sein Büro.

Shinoa stand einige Minuten schweigend am Sarg, bevor sie weinend zusammenbrach. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, stand sie wieder auf und führte Selbstgespräche. Nach ein paar Stunden verließ sie den Raum. Itona war derweilen wieder zurückgekehrt und saß auf dem Boden. Als Shinoa herauskam, stand sie auf und nahm sie in die Arme. «Wir können was essen gehen, bevor wir ins Schloss zurückkehren», schlug Itona vor. «Ich habe keinen großen Hunger», sagte Shinoa. «Dann lass uns in den Park gehen, dort gibt es einen Imbisswagen, der bietet auch vegetarisches Essen an», sagte Itona. «Na gut», stimmte Shinoa schlussendlich zu.

Undertaker führte die beiden Dämoninnen bis zum Ausgang, Shinoa verneigte sich vor ihm. «Vielen Dank.» Undertaker lächelte. «Dafür doch nicht. Kommt gut nach Hause.» Die Mädchen stiegen in die Kutsche ein. «Zum Schloss?», fragte Collins. «Nein, bitte in den Park, wir wollen erst noch was essen», sagte Itona. Collins nickte und fuhr Richtung Park. Dort angekommen, stiegen die zwei aus. «Wollen Sie auch was, Mr. Collins?», fragte Shinoa. «Nein danke. Ich esse dann, wenn ich euch beim Schloss abgesetzt habe», meinte Collins. «Ist gut, wir sind gleich zurück.»

Die zwei Mädchen liefen zum Imbisswagen, der gleich am Parkeingang stand, und bestellten sich etwas. Sie setzten sich auf die Parkbank und aßen. Als sie fertig waren, gingen sie zur Kutsche zurück. «Fahrt ihr schonmal zurück. Ich will noch schnell zu Sky», sagte Shinoa. «Soll ich dich hinfahren?», fragte Collins. «Ist nicht nötig, die Bar ist nicht weit von hier», lehnte Shinoa ab. «Ich richte Lucifer aus, dass du etwas später kommen wirst», sagte Itona. Shinoa lächelte. «Danke, Itona.»

Shinoa ging zur Moonlight Bar und setzte sich auf den Stuhl vor der Theke. «Na, sieh mal einer an, wer sich da auch mal wieder blicken lässt», begrüßte Skylla sie. «Hey Sky, bitte verzeih», entschuldigte sich Shinoa. Skylla schenkte ihr ein Glas Sake ein. «Es sei dir vergeben.» Shinoa lächelte leicht und trank das Glas mit einem Zug leer. Shadō tauchte aus dem Schatten hinter der Theke auf. Skylla zuckte zusammen. «Hölle noch mal.» «Entschuldigt, Lucifer ...», begann Shadō. «Lucifer schickt dich, um auf mich aufzupassen», beendete Shinoa Shadōs Satz. «Genau», bestätigte Shadō. «Keine Sorge, ich bleib nicht lange, ich geh gleich zurück», sagte Shinoa und hielt Skylla das leere Glas hin. Diese schenkte ihr noch mal ein Glas ein.

«Ich habe eine Frage, die ich schon länger stellen wollte», sagte Shadō plötzlich. «Nur zu», ermutigte Shinoa sie. «Kirara hatte ihren Dämon in einen Gegenstand gesperrt, wieso sperrt ihr Shinoas Dämon nicht auch in einen Gegenstand?», fragte Shadō. «Das haben wir bereits versucht, aber sobald der Dämon aus Shinoas Körper und in dem Gegenstand war, verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, sie war kurz vor einem Herzstillstand, also zerstörten wir den Gegenstand wieder, sodass der Dämon wieder in sie gelangte», erklärte Skylla. «Das ist seltsam, eigentlich sollte so was nicht passieren», meinte Shadō. «Wir haben sämtliche Bücher durchgelesen, aber keine Antwort darauf erhalten», sagte Shinoa seufzend. «Vielleicht lässt sich was in Lucifers Bibliothek finden», sagte Shadō zuversichtlich. «Möglich wäre es», meinte Shinoa und trank ihr Glas leer.

Sie verabschiedete sich von Skylla und ging zum Schloss zurück. «Wie spät haben wir es eigentlich?», fragte Shinoa. «19:45 Uhr. Willst du dich bei Lucifer zurückmelden?», fragte Shadō. Shinoa nickte und ging zu Lucifers Büro. Dort angekommen, klopfte sie an die Tür. «Ja bitte?», kam es von der anderen Seite und Shinoa trat ein. Lucifer saß an seinem üblichen Platz und bearbeitete Dokumente, Draven stand neben ihm und schaute ihm über die Schulter; die beiden Brüder schauten auf, als Shinoa den Raum betrat. «Shinoa, du bist zurück, bitte setz dich.» Shinoa schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf den Stuhl.

«Entschuldige, dass ich nicht erwähnt habe, dass Itona dich begleiten soll», meinte Lucifer; gerade als Shinoa antworten wollte, stürmte Saphyra, ohne anzuklopfen, ins Arbeitszimmer. «Eure Majestäten ...» «Jetzt nicht, Saphyra. Normalerweise klopft man erst an» unterbrach Lucifer. «Es ist aber wichtig. Er ist hier!», rief Saphyra. Jetzt waren Lucifers und Dravens Aufmerksamkeit geweckt. «Wer ist er?», fragte Draven; zeitgleich betrat ein diabolisch grinsender, älterer Teufel das Arbeitszimmer. «Ich, mein lieber Enkel.» Lucifer stand von seinem Stuhl auf und knurrte: «Satan!» «Na, na, Enkel, begrüßt man etwa so seinen Großvater?»

Liebesglück in der HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt