1. Kapitel

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Ich zupfte an den Seiten meiner Gitarre, während ich zum dritten Mal in dieser Woche das gleiche Lied sang. Doch dieses Mal standen deutlich mehr Leute vor mir, als bei den vergangenen zwei Malen.
Diese Ecke hier war ein Paradies für Straßenmusiker. So viele Passanten wie hier gab es wahrscheinlich in keiner anderen Ecke Seouls.
Zufrieden sah ich zu meiner Gitarrentasche, die sich mit Scheinen gefüllt hatte. Heute war wirklich ein erfolgreicher Tag.
Als der Klang meiner Gitarre verstummt war, verneigte ich mich und bedankte mich ausgiebig.
Im Augenwinkel erkannte ich, dass ein paar junge Mädels ihr Handy gezückt hatten.
Ich liebte es, wenn ich aufgezeichnete Auftritte von mir im Internet wiederfand. Das hieß, dass die Leute es wirklich mochten... es machte jeden Auftritt wertvoll.
Ich wandte mich meiner Tasche zu, die in diesem Moment an mir vorbei schlitterte. Dabei fielen einige Scheine auf den Boden und manche wurden von der nächsten Böe davon getragen. So viel zum erfolgreichen Tag...
Ich hob den Blick und sah einer Gruppe junger Männer entgegen.
"Wir brauchen hier keine Schnorrer. Mach woanders Krach", murrte der Größte von ihnen und fuhr sich durch das dunkle, gegelte Haar.
Es wäre dumm sich mit ihnen anzulegen - außerdem hatte ich für heute genug eingenommen.
Eilig packte ich die Scheine, die sich noch nicht davon gemacht hatten, in die Tasche, schloss sie und machte mich auf den Rückweg.
Das passierte in letzter Zeit öfters... die Leute hatten sich verändert.  Sie schienen egoistischer und deutlich mehr auf Streit aus zu sein.

"Ich bin zurück", rief ich in die große Betriebsküche, wo meine Mutter gerade dabei war Hähnchen zu braten.
"Alex, Liebling. Setz Dich an einen freien Tisch. Ich bringe Dir gleich was zu essen. War die Arbeit gut? Und dein Auftritt?"
Ich lächelte.
"Danke, Mama. Ja, die Arbeit war gut. Der Auftritt auch. Die Straßen waren gut besucht", erklärte ich lächelnd,  worauf sie mir in die Wange kniff.
Ich musterte sie liebevoll.
Ihre dunklen Haare hatten bereits die ersten grauen Strähnen. Sie war ein kleines Stück kleiner als ich und ihre Augen hatten ein Funkeln, dass sie nie zu verlieren schien. Ihre ganze Art war herzlich und warm -  eine perfekte Mutter und - das würden ihre Kunden sicher auch sagen- die liebevollste Restaurant-Besitzerin die es geben konnte.
"Das freut mich. Du bist ein toller Junge! Und jetzt schnell an einen Tisch.  Ich koche Dir dein Lieblingsessen."
Ich schmunzelte.
"Du bist die Beste."

Nach einer großen Portion Reis mit Hähnchen und Teigtaschen machte ich mich auf den Weg nach oben in unsere Wohnung. Es war ein praktischer Bau - unten lag das Restaurant, oben hatten meine Mutter und ich eine kleine Wohnung.
Ich warf mich gleich aufs Bett. Tage wie heute schlauchten.
Fast wäre ich in dieser Position eingedöst, als mein Handy vibrierte.
'Bro,
1 Mio Klicks. Du wirst eine Berühmtheit!!!!
10%. Als bester Freund und Manager (sozusagen) möchte ich 10% von deinen Einnahmen'
1 Millionen Klicks?
Ehe ich antwortete, öffnete ich Youtube.
Vor zwei Wochen hatte jemand ein Video von meinem Auftritt hochgeladen, dass gut angekommen zu sein schien - aber ob es wirklich die 1 Million geknackt hatte...
Ich sah meine gespeicherte Videos durch und - Da. Tatsächlich.  1 Millionen Aufrufe.
Ich ließ den Blick zu den obersten Kommentaren huschen.  Normalerweise mied ich diese - wie erwähnt,  die Leute waren nicht mehr so freundlich wie sie es damals vielleicht waren. Und niederschmetterne Kommentare taten immer ziemlich weh.
Aber zu meiner Überraschung schienen die meisten Kommentare unter dem Video sehr positiv und freundlich zu sein.
Glücklich lächelte ich.
Dann erschien eine neue Nachricht.
'Du hast die Nachricht gelesen und schaust gerade nach, oder?
Glaubst Du mir nicht? Ich bin gekränkt.
Jedenfalls... vielleicht sind auch 15% angebracht'
Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und antwortete ihm endlich.
Conner war der beste Freund, den man sich vorstellen konnte.
Er war eine treue Seele. Auch wenn er ein ziemlicher Chaot war und sein eigenes Ding machte, seitdem er in der Vorschule war.
Er färbte sich jede Woche die Haare, belohnte sich am Ende eines Quartals mit einem neuen Tattoo und hatte ein Selbstbewusstsein, wovon manch einer nur träumen konnte.
'Ich wollte es nur mit meinen eigenen Augen sehen - tut mir leid, dass Du Dich jetzt in deiner Ehre gekränkt fühlst.
15%? Manager? Du?
Seit wann bist Du mein Manager?
Du hast mich letztens nicht Mal abgeholt, als ich mit der Gitarre im Regen stand'
'1. Ich habe nie gesagt, dass ich ein guter Manager bin.
2. Die Sache habe ich doch schon erklärt... mein Cousin war da und ich musste babysitten. Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Dein Manager bessert sich. Kriegt ein guter Manager 20%?'
Ich grinste.
'Vergiss es. Du kriegst ein Autogramm und das wars'
'Du bist so gemein!'
'Und Du ein grauenvoller Manager'

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