⠀ ⠀ ⠀ I. i fear no evil

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ALS DAS BLUT DURCH DEN dünnen Stoff drang und die Gedanken in ihrem Kopf wie Geier um ein krankes Tier zu kreisen begannen, sehnte sie sich danach, dass sich eine Hand um ihre Kehle legte oder die Klinge ihres Messers gegen ihr eigenes Fleisch richtete, um ihr Blut mit dem ihres Opfers zu vermehren und sie damit dem Himmel näher zu bringen.

Würde sie nun sterben; für ihren Glauben, den letzten Atemzug nehmen, würde man ihr vergeben. Eine Sünde, die von Gottes Stimme beauftragt wurde, mit ihrem Blut davon waschen.

Ihre Hände zitterten, als sie die Feuchte wegwischte, die ihre blasse Haut beschmierte. Sie dachte daran, wie es ihn entzürnen würde, sie so verschmutzt zu erblicken. Er hatte ihre Haut immer geliebt; niemals ihr Fleisch an den Orten geschändet, an denen er es sehen musste.

Leere braune Augen trafen auf tote grüne, bevor sie von dem Körper herab rutschte und über den schlammigen Boden kroch, bis ihr Rücken gegen einen Grabstein stieß und sie zusammen zuckte.

In all der Zeit löste sie ihren Blick nicht von dem Mann. Sie wachte so über ihn, als würde er wie Christi auferstehen, um sie wegen ihrer Sünden zur Buße zu zwingen. Aber die Sünder würden keine zweite Chance bekommen.

In der tiefen Nacht war alles Blut nur eine dunkle Masse; kaum ein Unterschied zu erkennen zwischen ihm und dem Schlamm, der durch den tagelangen Regen entstanden war, der Wiltshire unentwegt heimgesucht hatte.

Morticia fürchtete sich nicht davor, von fremden Augen entdeckt zu werden, behielt sich und die Leiche unbedeckt; ihre Angst lag alleine vor Gott nieder. Wie ein Opferlamm wartete sie auf ihre Richtung. War dort Genuss in ihrer Seele? Genuss der Rache?

Der kleine Friedhof der Gemeinde lag düster und kalt; der leblose Körper des Priesters wurde von seiner Seele verlassen und hinab in den Hades gezogen, der nichts weiter als eine bloße Nachahmung der wirklichen Welt war. Sie hätte ihn auch am Leben lassen können und er hätte dasselbe Leiden erfahren wie in der ewigen Verdammnis, die ihn erwartete.

»Ist es nicht etwas spät, um noch draußen zu sein, Lämmchen?«, drang eine Stimme über die heilige Totenstille, wie ein Glockenschlag bei Mitternacht über den Marktplatz. Jedoch rührte Morticia sich nicht; blieb weiter in ihrer versteinerten Haltung und starrte auf die Leiche.

Sie hatte ihn getötet. Hatte das Messer in seinem Fleisch vergraben, immer und immer wieder.

Ihr Herz aber begann bei dem Klang in Erinnerungen zu rasen; wurde erfüllt von der Hoffnung, er wäre gekommen, um ihrem Urteil zuvorzukommen. Hoffte, er wäre der Todesengel, der sie umbrachte, bevor sie es selbst konnte und sich für ewig in den Hades verdammte.

Sie hörte seine Schritte; wie seine schweren Schuhe auf dem steinernen Weg aufkamen; spürte, wie er ihr immer näher kam und wie er anhielt, als der die Szene betrachtete. Ob er es bereits fühle, dass sie ein Leben genommen hat? War seine Seele so schwarz und verdorben, dass er es spürte, wenn ein Gleichgesinnter starb?

In der Ferne fauchten Katzen einander an, während Wind durch die Trauerweide vor der Kirche tanzte und den mitternächtlichen Herbst einen Hauch von Unbehagen verliehen.

Er blieb vor ihr stehen, versperrte mit seinem schwarzen Umhang ihre Sicht und als er sich hin hockte, wandte sie ihr Gesicht ab, um ihn nicht ansehen zu müssen. Zu der Geruchsinfonie aus Dreck und Blut stieß sein Parfüm hinzu und ihr Kinn wurde gepackt. Das Leder seiner Handschuhe so kalt auf ihrer brennenden Haut.

Der gefallene Engel kannte sie nur zu gut; verbrachte Stunden, sie an der Seite seines Herren zu beobachten, während sie sich im Auge des Sturmes aus Chaos und Untergang befanden. Seine Augen sind immer auf ihr, als würde er nur darauf warten, sie zu töten.

to devour the divine.     lucifer lestrangeWhere stories live. Discover now