Verdammt Nochmal

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Ich stehe vor Mikeys Haustür und hämmere wie eine Verrückte an die Tür. "Was willst du?", fragt er. Er hat die Haare offen, als wäre er eben erst aus der Dusche raus und hätte nicht die Zeit gefunden, sich die nassen Haare zu kämmen. "ICH SOLL EINE SPIONIN SEIN???", schreie ich ihn an. "Du hast was mit Izana am laufen", bemerkt Mikey gelassen. "Was?! Ich? Dass ich nicht lache", zische ich sauer. "Aber woher weiss Tenjiku dann von allem, was wir tun? Und du bist die einzige Person, die in Frage kommen würde. Du warst in den letzten Wochen elf mal mit Izana zusammen, ist das nicht ein bisschen auffällig?", rechtfertigt sich Mikey. Ich verschränke die Arme vor der Brust. Ich habe Baji gesagt, dass ich alleine nach Hause laufe und ein bisschen Zeit für mich selbst brauche, aber anstelle von einem gemütlichen Spaziergang ziehe ich es definitiv vor, Mikey sofort zur Rede zu stellen. "Willst du mich jetzt etwa rausschmeissen?", frage ich schockiert. Mikey schaut mich ausdruckslos an. Er guckt selten so, vorallem nicht mit mir. "Ja. Ich glaube, dass es das beste ist, wenn du nicht mehr zu Toman zurückkommst", sagt er leise. Dieser verdammte Verräter, hat er nichts besseres zu tun, als mich vor die Tür zu setzen? Ich habe diese Gang mitgegründet und nicht einmal eine Führungsposition gekriegt und jetzt schmeisst er mich einfach so raus, ohne mit der Wimper zu zucken? Seit Kazutoras Tod sind alle so komisch anders, vorallem Mikey hat sich verändert. Bevor ich mich überhaupt kontrollieren kann, habe ich Mikey eine gescheuert. "GLAUB JA NICHT, DASS ICH ZURÜCKGEKROCHEN KOMME UND UM VERGEBUNG FLEHE!", fauche ich. Ich fahre auf dem Absatz herum und stapfe davon, lasse ihn einfach im Türrahmen stehen. Geschieht ihm Recht.

Sauer komme ich zu Hause an. Ran und Rindou sind noch nicht da. Am liebsten würde ich mich jetzt an sie kuscheln und mich von meinen Brüdern trösten lassen, sie sind die einzigen, die das so richtig gut können. Aber keiner ist da. "Scheisse", brülle ich in das leere Haus hinein. Ich bin verdammt wütend, das kann doch alles nicht wahr sein. Es ist doch alles immer gut gelaufen, jetzt plötzlich setzen sie mich vom einen auf den anderen Tag vor die Tür, ohne Vorwarnung oder irgendwas. Ich schleudere einen Teller gegen die Wand. Das tut gut. Meine Wut rauslassen tut gut. Ich schlage mit meinen blossen Fäusten auf die Wand ein, stelle mir vor, sie sei Mikey. Ich schlage, biss meine Fingerknöchel bluten und die Haut an meinen Handgelenken aufgeplatzt ist. Dann kommen wieder diese bescheuerten Tränen, die ich jetzt wirklich nicht gebrauchen kann. Ich will nicht weinen, nicht jetzt. Ich bin nicht schwach, ich bin eine Haitani! Ich sinke kraftlos auf den Boden und verstecke das Gesicht in den blutverschmierten Händen.

Ich habe nicht mitbekommen, wie die Haustür aufgegangen ist. "Kiki!", ruft Ran, stürzt zu mir und nimmt mich in den Arm, dann schlingt Rindou beide Arme um uns, hält uns beide fest. "Was ist passiert?", fragt Rindou besorgt. Ich schniefe und schmiege mich an meine beiden Brüder. Sie sind da, sie sind immer für mich da und sie sind die einzigen, die mir für immer vertrauen werden, egal was für einen Scheiss ich anstelle. "Ich...Mikey hat mich...rausgeworfen", wimmere ich und breche wieder in Tränen aus. Mikey hat mich tatsächlich rausgeworfen, aus Toman, der Gang, die ich eigenhändig mitgegründet habe! Ran tätschelt mir den Kopf. "Schon gut. Alles wird wieder gut", flüstert er. Rindou hockt sich neben mich hin und schaut sich meine Hände an. Sanft wischt er das Blut weg und betrachtet die aufgescheuerte Haut. "So ein Idiot. Sowas macht man nicht mit einer Haitani", brummt er und steht auf, um Pflaster zu holen. Jetzt wo er weg ist, kann ich mich bloss noch an Ran klammern, der mich wieder in den Arm nimmt. "Und er hat dich einfach so vor die Tür gesetzt?", fragt Rindou, als er zurückkommt. "Ja, er hat gesagt, ich hätte Toman verraten und Tenjiku wichtige Infos zukommen lassen, aber das bin ich nicht gewesen! Und sie vermuten...dass ich etwas mit...Izana am laufen habe!", sage ich aufgebracht. Rindou verarztet sorgfältig meine Hände. Ich presse die Zähne aufeinander. Ich hasse Desinfektionsmittel, seit ich ein kleines Kind bin, ich kann dieses scheussliche Brennen einfach nicht ausstehen.

Rindou hebt mich hoch und setzt mich auf dem Sofa ab, während Ran loseilt und im Schrank irgendwo nach Keksen sucht. Rindou setzt sich neben mich und lässt mich sich an seine Schulter lehnen. Ran kommt mit drei Tassen heisser Schokolade und einner Tüte Keksen zurück. "Danke. Ihr seid echt die besten", flüstere ich und lächle. Wenn ich jemanden in meinem Leben habe, dem ich wichtig bin, dann sind das meine Brüder. Keiner hat mich so lieb wie sie. Als sie in den Knast gewandert sind, sind wir alle beinahe wahnsinnig geworden, weil wir uns nicht haben sehen dürfen. Das ist das allerschlimmste gewesen, was ich je habe durchstehen müssen, gleich dahinter kommt auf der Liste Kazutoras Tod. Jetzt könnte ich die Sache mit Mikey auf den dritten Platz stellen. Obwohl, wenn ich so daran denke, dann steht mir jetzt die ganze Welt offen. Ich bin an gar niemanden gebunden und könnte alles tun, was ich will. Vielleicht könnte ich zu Tenjiku wechseln und Toman eins auswischen, mich dafür rächen, dass sie mich hintergangen haben. Geschieht ihnen bloss Recht, wenn sie mich nicht haben wollen, ich bin selbständig und könnte jetzt sogar zu Black Dragon gehen. Wie wär's, wenn ich die Gang, welche Mikeys Bruder für ihn hinterlassen hat, übernehme und sie ihm wegnehme, so wie er mir meine Zukunft und alle meine Freunde weggenommen hat? Aber das bin nicht ich. Ich bin kein Mensch, der sich rächt.

Ich muss es so akzeptieren wie es ist. Ich sitze eingekuschelt zwischen Ran und Rindou auf dem Sofa, trage einen von Rindous Pullovern, weil mir der hier zwar zu gross ist, aber die von Ran noch viel grösser sind. Wir schauen irgendeine bescheuerte Komödie und meine Brüder versuchen mich immer wieder zum Lachen zu bringen. Sie verhalten sich so süss, wenn sie um mich herum sind. Das macht mich glücklich, dass meine Brüder für mich Menschen sind, die kein anderer jemals so kennenlernen wird. Alles wird wieder gut. Ich bin jetzt frei und unabhängig. Jetzt, wo mich Mikey aus meinem Käfig gelassen hat, frage ich mich, ob ich ihn zur Strafe einfach zurückbeissen soll, wie ein räudiger Hund. Oder soll ich einfach bloss davonlaufen und nie wieder zurückkommen, wertschätzen, dass ich nicht mehr an die Tokyo Manji-Gang gebunden bin? Ich weiss es nicht. Vielleicht ist es das beste, wenn ich eine Nacht drüber schlafe und mich erst später entscheiden muss.

Haitani's Little SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt