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„Komm, lass uns gehen." James schlüpfte in seine Jacke und auch die anderen standen auf. Louis erhob sich ebenfalls und dann verabschiedeten sie sich. Ashton würde Callum und seinen Bandkollegen noch dabei helfen, die Instrumente abzubauen, während sich Paul, James, Tom und Louis auf den Weg zurück machen wollten. „Hoffentlich fahren die Bahnen noch." sagte James, als sie aus dem stickigen Club hinaus in die Nacht traten. „Ja natürlich tun sie das. Es ist schließlich Freitag." erwiderte Paul und steckte sich eine Zigarette an.

„Puh, ganz schön kalt geworden, oder?" meinte Louis und zog schnell den Reißverschluss seiner Jacke zu. „Dann machen wir uns lieber schnell auf den Weg, damit wir hier nicht festfrieren." meinte Tom und die Vier setzten sich in Bewegung. Die nächste Haltestelle befand sich auf der anderen Seite der Brücke. Die Lichter rechts und links an der Brüstung spiegelten sich im dunklen Wasser der Themse und das London Eye fesselte sie wieder mit seinem Anblick, genau wie Big Ben, den man von hier besonders gut sehen konnte.

Weil es mitten in der Nacht war und kaum noch Menschen auf den Straßen, konnten sie ganz entspannt über die Brücke gehen, ohne Touristenmassen ausweichen zu müssen. Louis war eiskalt und er wollte nur noch nach Hause. Seine Erkenntnis, die er heute Abend gehabt hatte, schockte ihn noch immer und er hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Deshalb wollte er schnell nach Hause in sein Bett, um sich in aller Ruhe Gedanken darüber zu machen, was er nun für Harry empfand. „Louis, wieso hast du es denn so eilig. Genieß doch wenigstens mal die Aussicht!" rief Tom ihm zu und Louis drehte sich um. Seine Freunde waren mitten auf der Brücke stehengeblieben und sahen auf die Lichter der Häuser. Louis drehte um und ging zu ihnen zurück, stellte sich neben sie ans Geländer und sah hinunter in den Fluss. Die Laternen am Ufer beleuchteten die Wasseroberfläche und wurde von den vielen kleinen Wellen reflektiert. Doch ein kleiner Bereich auf der linken Seite blieb seltsam dunkel. Louis kniff die Augen zusammen und stupste Tom an: „Sieh mal, dahinten scheint was im Wasser zu sein, oder?" - „Ja, bestimmt nur ein Kanister oder sowas." meinte Tom, sah aber hin und versuchte ebenfalls etwas zu erkennen. „Vielleicht ist es auch eine Leiche," warf James ein und verzog das Gesicht, „woah stellt euch mal vor, wie viele Leute hier schon in dem Fluss ertrunken sein müssen..." Mehr hörte Louis nicht, denn er ging an der Brüstung entlang und hielt den Blick auf den dunklen Fleck geheftet, der sich auch nicht von der Stelle zu bewegen schien. Vielleicht hatte sich etwas irgendwo verfangen. Als er nahe genug war, zog er sein Handy hervor und schaltete die Taschenlampe ein. Eigentlich wollte er gar nicht wissen, was da im Wasser lag, denn womöglich war es tatsächlich eine Leiche und auf den Anblick verzichtete Louis nur zu gerne.

Aber seine Neugier war größer und so richtete er den schwachen Lichtkegel auf den dunklen Punkt.

Zuerst konnte er gar nicht einordnen, was genau er sah. Auf dem dunklen Wasser schaukelte ein kleines Boot, das neben einem Ausflugsdampfer festgemach war und daran hing etwas. Auf den ersten Blick hätte es ein Sack sein können, doch dann erkannte Louis, dass es der Oberkörper einer Person war, die sich an der Seite des Bootes festgeklammert hatte. „Leute! Ruft die Polizei und einen Arzt! Da liegt jemand in der Themse!" brüllte Louis und gestikulierte wie wild über die Brüstung.

Seine Freunde rannten auf ihn zu und sahen ebenfalls hinunter.

„Oh fuck!", entfuhr es Tom, als er die Gestalt gesehen hatte. James zog sein Handy heraus und wählte mit zitternden Fingern den Notruf, während die drei Anderen schon losgerannt waren. „Was willst du machen?", fragte Paul, während sie die letzten Meter der Brücke hinter sich brachten und so schnell wie möglich zu dem Fußweg rannten, der direkt an der Flussmauer entlangführte. „Wir müssen helfen. Die Person hält sich aus eigener Kraft fest. Lange wird sie das nicht mehr aushalten!", rief Louis, sprang mehrere Treppenstufen hinunter und bremste an der Mauer ab.

Überall waren Boote festgemacht, doch er konnte keinen Weg nach Unten erkennen. „Hier muss es doch eine Leiter geben..." flehte er und die beiden anderen sahen sich um. „Vielleicht ist an der Außenseite dieses Bootes ja eine." sagte Tom und deutete auf einen kleinen Ausflugsdampfer, der hier vor Anker lag. Kurzerhand kletterten die Drei über die Mauer auf das Boot und tatsächlich befand sich auf der anderen Seite eine Leiter, die man bis zum Wasser herunterlassen konnte. Louis wollte gerade herunterklettern, da hielt Tom ihn zurück: „Warte, das ist viel zu gefährlich." - „Aber wir können nicht warten, bis die Polizei da ist." widersprach Louis. Tom seufzte: er schien zu bemerken, dass er gegen Louis Helfersyndrom nichts ausrichten konnte und griff nach einem Seil, das an Deck lag: „Hier, binde dich wenigstens damit fest, damit wir dich leichter aus dem Wasser bekommen, wenn du auch noch reinfällst." Er wickelte ihm das Seil um die Taille und sah ihm besorgt nach, als er über die Reling kletterte und sich langsam der Wasseroberfläche näherte. Das kleine Boot, an dem sich die Person festklammerte war das Beiboot des Dampfers und Louis hatte keine Ahnung, wieso man es zu Wasser gelassen hatte, doch eigentlich war es auch egal. Wäre es nicht dagewesen, hätte die Person nichts gehabt, woran sie sich festhalten könnte. Vorsichtig betrat er den wackeligen Untergrund und packte die Gestalt unter den Achseln, um sie ins Boot zu ziehen. Sie war unglaublich schwer und schlapp, schien aber nicht bewusstlos zu sein. Louis musste alle Kraft aufbringen, die er besaß um den Körper aus dem Wasser zu ziehen und als er endlich das Gesicht sah, blieb ihm die Luft weg.

Es war Harry.

„Harry!" keuchte Louis und kniete sich neben ihn. Schnell überprüfte er Atmung und Puls und war erleichtert, als er beides gefunden hatte. Sein Körper war eiskalt und Louis schlüpfte aus seiner Jacke, um sie ihm überzuziehen, wobei das wenig bringen würde, denn seine Klamotten waren komplett durchnässt. Harrys Lippen waren blau und er klapperte mit den Zähnen, während er Louis ansah, als sei er ein Geist. Seine Wange zierte ein Schnitt, der aussah wie ein T und Louis fragte sich, wie es wohl dazu gekommen war. „Harry, was ist passiert? Wie bist du in der Themse gelandet?" fragte er. „R-r- r-reingefallen..." schlotterte Harry. Eine Windböe fegte über sie hinweg und er zitterte noch heftiger. „Louis, die Polizei und der Notarzt sind da!" rief Tom über die Reling zu ihm hinunter und kurz darauf kam ein Polizeiboot herangefahren.

Das Blaulicht war eingeschaltet und zuckte über das Wasser, während es so nach wie möglich an das kleine Beiboot heranfuhr. Ein Mann in einer roten Jacke tauchte auf und kletterte zu Louis und Harry hinüber, wobei das kleine Boot beträchtlich ins Schwanken geriet. „Hallo, ich bin der Sanitäter." sagte er und kniete sich neben Harry. „Junger Mann, können Sie aufstehen?" fragte er und Harry nickte schwach.

Zusammen mit Louis Hilfe, stemmte der Sanitäter Harry hoch und sie schafften es, ihn den Polizisten zu geben, die Harry zu sich ins Bootzogen. Louis löste rasch noch das Seil von seiner Taille und kletterte dem Sanitäter hinterher ins Boot.

Der Sanitäter kniete sich neben Harry, zog ihm den nassen Pullover aus und wickelte ihn rasch in eine goldene Rettungsfolie, um ihn ein wenig aufzuwärmen, dann öffnete er seinen Rucksack und fing an, die Wunde auf seiner Wange zu verarzten, während Harry weiterhin zitterte und stoßweise atmete. „Er ist heroinabhängig." teilte Louis dem Sanitäter mit, als der anfing Harry zu untersuchen. Sicherlich war es wichtig, dass er das wusste. Das Boot wendete und fuhr nun in die entgegengesetzte Richtung, wo es einen Anlegeplatz gab. „Sie kennen den Jungen?" fragte der Sanitäter und nahm von einem der Polizisten noch eine Decke entgegen, in die der Harry einwickelte. „Ja, sein Name ist Harry Styles und er war bei mir im Jugendhilfswerk – hat seinen Entzug abgebrochen." Louis konnte nicht anders, als enttäuscht zu klingen, als er das sagte, obwohl er wusste, dass Harry ihn sehr wohl hören konnte. „Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen, ich weiß nicht, wie lange er schon in dem kalten Wasser war, aber wir müssen ausschließen, dass er eine Lungenentzündung bekommt." sagte der Mann und hob Harry hoch, als das Boot angelegt hatte.

„Sagen Sie, wäre es möglich, dass ich mitkomme?" fragte Louis hoffnungsvoll und bekam ein Nicken als Antwort. Harry hatte während der ganzen Fahrt kein Wort gesagt, vermutlich war er einfach zu schwach dafür gewesen. Doch als sie anlegten und von Bord gehen wollten, griff er nach seiner Hand: „Nimm mich mit...bitte..." - „Das geht nicht, du musst ins Krankenhaus, Harry." antwortete Louis ruhig und war überrascht, dass seine Stimme ganz sanft klang. „Lass mich nicht alleine." - „Tu ich nicht. Ich komme mit ins Krankenhaus." sagte Louis und während er Harrys mattes Lächeln sah, wurde ihm ganz warm umd Herz. Er bückte sich, hob Harry in seine Arme und trug ihn vom Boot zu einem Rettungswagen, der am Ufer stand und dessen Türen bereits geöffnet waren. Der Punk wurde auf eine Trage gelegt und Louis setzte sich nach vorn neben den Fahrer, dann setzte sich der Wagen in Bewegung und es ging durch das nächtliche London.

Way OutWhere stories live. Discover now