04; Professor Trelawny 2.0

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Dylan

Ich wurde noch nie, wirklich noch nie in meinem gesamten Leben von einem Tier geweckt, da ich noch nie eins besessen hatte. Mein Dad und ich lebten in einer kleinen Wohnung in New Jersey, also hatten wir nie darüber nachgedacht, uns ein Haustier anzuschaffen. Geschweige denn eine Katze, denn mein Vater hatte eine Katzenhaar Allergie.

Nur eine Freundin meiner Schwester Julia hatte mal eine Katze gehabt, doch diese wurde leider von einem Auto überfahren. (Und ich meine leider, weil das eine wirklich nette Katze war.) Aber dennoch konnte ich ganz gut unterscheiden, wann eine Katze wütend war und, wann nicht.

Gestern Morgen war ich, direkt nachdem ich meine Sachen ausgepackt hatte, ins Bett gefallen.
Susan brachte mir trotzdem noch die britischen Sandwiches und bestand darauf, dass ich diese auch alle essen sollte. Zugegeben, die Sandwiches waren gar nicht so schlecht. Sie schmeckten nur etwas nach Katzenhaar.

Außerdem erklärte sie mir, dass die Gurken, die sie immer extra im Bioladen kaufen ging, sehr gesund seien und ihre Katzen würden gerne essen würden. Ich hatte nur höflich genickt und mich im Stillen gefragt, seit wann und ob Katzen tatsächlich Gurken aßen. Aber Susan war generell ein sehr seltsamer Mensch, der komische Sachen tat. Danach war mir direkt aufgefallen, dass sie, wegen eben diesen Eigenschaften, perfekt zu meiner Tante passte, die ebenso seltsames Verhalten an den Tag legte.

Ok, nennen wir meine Tante spirituell. Blonde, lockige kurze Haare, große Brille, schräge Gesichtsausdrücke. Um ehrlich zu sein erinnerten mich die beiden ein wenig an Professor Trelawny aus Harry Potter. 

Jap, meine Tante und Susan passten perfekt zusammen. 

Nur leider vergaß ich, dass ja ein paar Katzen von Susan dieses Zimmer für sich eingenommen hatten. So kam es, dass ich irgendwann heute Nacht um zwei Uhr von drei Katzen geweckt worden war, die mit ihren Pfoten auf mich einhämmerten als würde es kein Morgen geben. Ich war zwar kein Experte, aber ich wusste, dass Katzen ihre Krallen ein- und ausfahren können. Nur leider hatten diese keine Lust dazu. Also zum einfahren der Krallen. Und auch wenn es nur so kleine Katzenkrallen sind, sie können verdammt schmerzhaft sein, wenn sie sich in einen Unterarm bohren. 

Schließlich hatte ich nachgegeben und war nach unten gegangen, um mich aufs Sofa zu legen.
Dabei wäre ich fast die Treppe heruntergefallen, weil sich dort ebenfalls um die fünf Katzen positioniert hatten. Ich wunderte mich, dass Susan anscheinend noch alle Körperteile unversehrt hatte. Wahrscheinlich hatte ich mir beim Suchen eines geeigneten Schlafplatzes mindestens einen Arm und beide Füße gebrochen.

Am frühen Morgen war dann Susan ins Wohnzimmer gekommen und hatte mich erstmal mit ihrer Handtasche geschlagen. Nachdem ich wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen war und mir schützend die Arme vor den Körper gehalten hatte, stoppte sie ihre Prügeleinheit. Sie hatte erschrocken die Augen aufgerissen und sich mit den Worten entschuldigt, dass sie mich für einen Einbrecher gehalten hatte. 

Jaaa genau, jemand könnte ja eine ihrer zehntausend Katzen klauen. Vor allem würden Einbrecher sich auch auf die Couch legen, um ein kurzes Nickerchen zu machen.

Und nun saßen wir am Frühstückstisch. Ich mit gefühlten zwanzig Pflastern an meinen Beinen und Armen und einem Kühlpack auf dem Kopf. Und höllischen Kopfschmerzen, na das fing ja schonmal gut an. Außerdem dienten das T-Shirt und die Shorts, in der ich eigentlich versucht hatte zu schlafen, jetzt ein paar Katzen als Körbchen. Was nicht weiter schlimm war, da ich jene eh nicht mehr tragen würde, nachdem sie durchlöchert worden waren. Diese drei Monate würden richtig interessant und toll werden. Nicht. 

Susan langte über den Tisch und nahm sich eine Scheibe Toast aus dem Brotkorb. Ich warf derweil einen Blick auf mein Smartphone, das mir das Wetter von heute offenbarte. 12 Grad und Regen. Das Wetter passt sich meiner Stimmung an. Ich hatte das Wetter in London jetzt schon lieb gewonnen.

"Und, wie gefällt dir das Haus?" Fragte Susan und beschmierte ihr Toast mit Marmelade, während sie mich forschend ansah.

"Es ist sehr schön." Sagte ich langsam und räusperte mich leise. "Nur die Katzen wollen das Zimmer scheinbar für sich alleine haben."

Susan zuckte mit den Schultern und biss in ihr Marmeladentoast, wobei etwas Marmelade in ihren Mundwinkeln hängen blieb und auf ihr Oberteil tropfte. Sie schien es nicht zu bemerken.

"Wenn die Katzen kommen, dann musst du nur bellen und sie verschwinden. Denn meine Katzen haben Angst vor Hunden." Sie sagte diesen Satz so gelassen, als wäre es völlig normal, wenn ein siebzehnjähriger auf seinem Bett sitzen und Katzen anbellen würde.

"Ach." Konnte ich dazu nur beisteuern. Susan nahm einen weiteren Bissen ihres Toastes und spülte ihn mit einem Schluck Kaffee hinunter.

"Keine Sorge, sie werden sich an dich gewöhnen. Und ihre Namen wirst du ganz schnell lernen." 

Gefühlte einhundert Namen? Klar, morgen schreiben wir einen Test drüber.

Sie stopfte sich das letzte Stück Toast in ihren Mund und hob eine Katze hoch, die gerade am Tisch vorbeilief. Die Katze maunzte erst erschrocken auf, doch Susan nahm sie auf ihren Schoß und schon verstummte die Katze. Sie hatte weißes Fell und blaue Augen, die mich fixiert musterten, was mir ein wenig unangenehm war. 

Stalkerkatze, sagte ich ja bereits.

"Das ist Snow." Erklärte Susan und deutete mit einem Nicken auf die weiße Katze. 

"Sehr äh einfallsreicher Name." Sagte ich und versuchte die Ironie in meiner Stimme so gut es ging zu verstecken. Plötzlich stand Susan auf und reichte mir die Katze über den Tisch. Ehe ich mich versah, rollte Snow sich auf meinem Schoß zusammen und schnurrte einmal laut.

Diese Hygiene in diesem Haushalt bewunderte ich ja total. Katzen, die über den Herd laufen und Kleiderschränke zu ihrem eigenen Reich proklamieren. Und siebzehnjährigen Gästen die Kleider zerfetzen und diese dann auch noch klauen. Und außerdem glaubte ich, dass haarende Katzen über den Tisch reichen, der voll mit offenen Lebensmittelverpackungen steht, auch sehr gut für das Essen und die Leute, die dieses Essen essen, ist. Hygiene lässt Grüßen.

Argh, ich bin ein ironischer Mensch, ich weiß.

"Sie mag dich." Susan seufzte und begann den Tisch abzuräumen. Ich wollte aufstehen, doch Snow grub mir kurz die Krallen ganz fest darein, wo es besonders weh tut, und ich blieb geschockt sitzen. Ich glaube mein darauffolgender Gesichtsausdruck war filmreif. 

Jaaa, sie mag mich total...

"Ich würde ja gerne mit abräumen, aber Snow lässt mich nicht aufstehen." Sagte ich kleinlaut.
Susan tat das mit einer Handbewegung ab.

"Steh einfach auf, irgendwann wird sie schon loslassen." Ich schluckte schwer und blieb noch für eine ganze Weile wie versteinert auf dem Stuhl sitzen. 

Jaaaaa, wenn alles da unten abfällt ist, dann wird sie loslassen...

Alive - Dylan O'Brien AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt