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Tage vergingen und meine Unsicherheit wuchs. Nachdem ich Milo die Schule gezeigt hatte, lief alles den Bach runter. Nicht, weil er etwas falsch gemacht hatte, im Gegenteil. Er war erstaunlich nett und das, obwohl er zuvor Jack verprügelt hatte und aussah, als hätte er ihn am liebsten umgebracht.

Am liebsten hätte ich mir eingeredet, dass es daran lag. Wen würden mehrere Persönlichkeiten oder nahezu Facetten nicht verunsichern? Aber das war es nicht.

Als ich Milo zum ersten Mal sah, spürte ich seltsame Vertrautheit. Ein Blick in seine grünen Augen löste etliche Gefühle aus, die ich mir nicht erklären konnte. Als er dann seine Hand an mein Gesicht gelegt hatte, vertieften diese sich nur. Ich war überladen von Fragezeichen und musste aus dieser Situation weg.

Also suchte ich eine Ausrede, um dem Moment zu entfliehen. Typisch ich suchte ich mir natürlich die offensichtlichste Lüge aus - „Ich muss ganz dringend nach Hause und meine Katze füttern, tut mir leid!"

Dabei besaß ich nicht mal eine Katze. Ich wünschte mir zwar immer eine, doch es war nichts als ein Kindheitswunsch. Und statt dann wirklich nach Hause zu gehen und mein nicht vorhandenes Haustier zu füttern, saß ich eine Stunde im Regen und wartete auf meinen Bus. Peinlich genug, überhaupt solch eine Lüge gesagt zu haben, fuhr Milo auch noch an mir vorbei.

Sein verwirrter Blick bohrte sich tief in meinem Körper, aber ich tat so als würde ich ihn nicht sehen und drehte meine Musik noch ein wenig lauter. Falls er die Situation also noch unangenehmer machen wollte, konnte ich ihn völlig ignorieren.

Als ich endlich zu Hause war, schälte ich mich aus meinen nassen Klamotten, sprang unter die heiße Dusche und verbrachte den restlichen Tag in meinem Bett. In mir kreiste ein Gefühlschaos, welches mich die Nacht wachhielt.

Die nächsten Tage besuchte ich die Schule nicht. Ich war keine Person, die einfach schwänzte, doch die Angst Milo wiederzusehen - welchen ich natürlich wiedersah, weil er neben mir saß -, war zu groß.

Es gab zu viele Situationen, auf die er mich ansprechen konnte, denen ich lieber aus dem Weg ging.

Wie die letzten Tage auch, saß ich in diesem Moment auf meinem Bett und scrollte durch mein Handy, um mich zu beschäftigen. Doch Milo Smith ging mir weiterhin nicht aus dem Kopf. Er war ein offensichtlich reicher Teenager, der viel Einfluss auf unserer Schule hatte, also musste er doch mindestens einen Googleeintrag haben, oder nicht?

Motiviert hob ich mich von meinem Bett und kramte meinen Laptop raus. Wenn nur die kleinste Chance darauf existierte, meine Fragen zu beantworten, würde mein Kopf vielleicht endlich Ruhe geben. Vielleicht würde ich auch etwas Peinliches finden, was mich jedes Mal zum lachen bringen würde, wenn ich ihn sah. Dann wären die Begegnungen deutlich angenehmer, weil ich keine Angst mehr haben musste, mich lächerlich zu machen.

Als der Laptop sich nun endlich hochgefahren hatte, tippte ich mein Passwort ein und startete meine Suche. Der erste Eintrag, der mir ins Auge fiel, bezog sich auf unsere Schule. Begeistert wählte ich in aus.

„ (...) Familie Smith ist nun der neue Vorstand dieser Schule. Dank zahlreichen Spenden, die durch ihre Spendenaktion ermöglicht wurden, ist es an der Zeit, das Geld in die Renovierung und Sanierung unserer Highschool zu stecken. So können wir den Alltag für alle Schüler und Schülerinnen erleichtern. (...)"

Eine Frage war nun beantwortet. Milo Smith hatte so einen hohen Rang, weil seine Familie den Vorstand bildete - seit Kurzem zumindest. Welcher Lehrer wollte schon seinen Job riskieren, weil der Sohn des Vorstands Schüler in die Schranken wies? Selbst wenn es auf eine handgreifliche Art und Weise war. In dieser Umgebung war es eine unglaubliche Herausforderung, überhaupt einen Job zu finden. Einen gut bezahlten umso schwieriger, weshalb jeder mit den kleinsten Privilegien alles dafür tun würde, diese beizubehalten.

Ich scrollte weiter, doch alles was ich fand waren Einträge zu einem Unternehmen namens BLACKLIGHT. Nachdem ich vergebens versuchte, auf andere Informationen zu stoßen, die mir vielleicht weiterhelfen können, gab ich also nach. Ich öffnete den ersten Link zu dem Unternehmen und scrollte über die Website. Nach etlichen Bildern, die einen unglaublich edlen Eindruck machen und in einem schlichten, schwarzen Stil gehalten waren, stieß ich endlich auf den Namen Smith. Voller Vorfreude, zumindest einen Funken an Informationen zu bekommen, begann ich zu lesen.

Die Familie Smith gehörte nicht zum Unternehmen, das Unternehmen gehörte ihr. Schon bevor ich den Eintrag gefunden hatte, war es offensichtlich, dass diese Familie nicht gerade in die Kategorie "mittlere Gehaltsklasse" gehörte, doch jetzt wurde mir nur umso klarer, dass sie wohl zu den angesehensten Menschen dieser Stadt gehörten.

Wofür genau sie und ihre Arbeit standen, war nicht herauszufinden. Welches bekannte Unternehmen prahlte denn nicht damit, was sie ausmachte? Statt Klarheit hatte ich nun bloß mehr Fragen, denen ich auf den Grund gehen wollte. Doch das Internet würde mir heute wahrscheinlich eher weniger helfen.

Also kam ich zu einem Entschluss: Ich musste zurück in die Schule. Nur der Gedanke daran, hinterließ einen kalten Schauer auf meinem Rücken, aber hatte ich eine Wahl? Meine Neugier und Interesse an Milo Smith waren einfach zu groß, um ihr nicht nachzugehen und alles in meiner Macht stehende zu tun, mehr über diesen Menschen und seinen Hintergrund herauszufinden.

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⏰ Last updated: Apr 17 ⏰

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S E C R E T SWhere stories live. Discover now