1

143 14 0
                                    

Die Sinne benebeln sich, die Gedanken werden tiefer, depressiver, die Emotionen kochen über. Der letzte Schluck ist immer zu viel und vor allem bereut man diesen am nächsten Tag immer. Trotz dieser Dinge verfalle ich diesem ganzen Zeug immer wieder. Die Flasche ist leer, meine Sinne nicht mehr ganz klar. Immer wieder die selben Fehler, nicht draus gelernt. Genau dieses alte Laster hat mich hier her gebracht. 

Einsam und ohne einen Plan sitze ich in diesem kleinen italienischem Restaurant in der Toskana und genieße ein Glas Wein nach dem anderen. Gestern Abend saß ich noch auf meinem Sofa und verfiel dem Selbstmitleid. Alles war zu viel, kotzte mich an und brachte mir keine Lebensfreude mehr. 

Mein Exfreund verlobt, wird Vater. Meine beste Freundin heiratet bald, mein Bruder verheiratet und schon lange Vater. Alle um mich herum werden erwachsen und stellen immer wieder die selben Fragen. Wann werde ich diesen Schritt gehen, wann werde ich in die Ehe einwilligen, wann werde ich endlich Mutter. 

Schmerzhafte Fragen und nicht verstandene Antworten. Können wir in keiner Gesellschaft leben, wo man selbst über diese Dinge entscheiden kann, ohne das Jeder ein Auge darauf hat, sich ein Urteil bilden will oder denkt, dass man sich in das Leben eines anderen Menschen einmischen könnte? Anscheinend ist dieses in unserer Gesellschaft nicht machbar. Ich habe das Gefühl mich in einem Hamsterrad zu befinden. Ein Hamsterrad mit vorgeschriebenen Lebensabschnitten. 

Arbeiten um zu Leben, Familie Gründen um zu existieren, in die Rente einzahlen um dann doch wie ein armer Schlucker zu enden. Wieso können wir nicht einfach Arbeiten, da es uns Spaß macht und wir uns den Luxus leisten können, eine Familie Gründen, weil man dieses möchte aus eigenen Stücken und in die Rente einzahlen um später sich nochmals diese Dinge zu erfüllen, die man sich schon immer gewünscht hat? Wieso muss alles so negativ aussehen, einem Angst machen und durch die Gesellschaft vorgeschrieben werden? 

Alleine über sich entscheiden, sein Leben selbstständig bestimmen und machen was man einfach möchte. Genau diese Wünsche waren so intensiv, dass ich es tat. Doch wenn ich zurückkommen werde, zurück in mein altes Leben, dann werden die Konsequenzen kommen. 

Ich bin mir unsicher ob ich dann noch einen Job habe und ich bin mir unsicher ob meine Eltern mir den Kopf abreißen oder mich mit wochenlangen Schweigen bestrafen werden. Ich bin abgehauen, abgehauen aus meinem verdammten Leben. Ich weiß nicht wie es weitergeht, erst recht weiß ich nicht, wo ich heute Nacht schlafen soll oder wie diese Reise ausgehen wird, es war unüberlegt, spontan und eigentlich recht bescheuert. Doch es war meine eigene Entscheidung und daher muss ich nun das Beste daraus machen und versuchen einen Schritt vor den anderen zu gehen. 

"Vuoi un'altra bottiglia di vino?". Skeptisch sah ich zu der netten Dame aus dem Restaurant auf, verstand kein Wort. "Sorry, I don't speak Italian!" Sie zeigte nur auf meine leere Flasche, die ich prüfend ansah. Meine innere Stimme schrie definitiv nein, dock nickte ich zu einem Ja. Lächelnd nahm sich die Dame die leere Flasche und verschwand. Nach kurzer Zeit kam sie mit einer neuen wieder und schenkte mein Glas voll. Ich setzte das Glas an und trank einen großen Schluck. Nüchtern war ich nicht mehr, machte mir aber keine Gedanken über weitere Konsequenzen. 

Ich schaute mir vor dem Restaurant das Treiben an und fragte mich ob dieses alles einheimische oder Urlauber waren. Waren sie genauso wie ich gestrandet. Empfanden sie ihr Leben auch so verdammt öde, wie ich meines derzeit oder waren sie überglücklich und im reinen mit sich selber? Wieder diese ständigen Fragen in meinem Kopf, hören diese denn niemals auf? Seufzend trank ich mein Glas komplett aus und schenkte es mir wieder voll. "Reiß dich zusammen Tilli" Sprach ich zu mir selbst und öffnete mein Handy um nach einer nächtlichen Unterkunft zu schauen. 

Überteuerte Hotels, einsame WG's und seltsame Angebote, es war alles dabei. Die Preise ziemlich fragwürdig und das Meiste unbezahlbar. Nach weiterem suchen fand ich etwas Anspruchsvolles. Eine Nacht im Hafen, in einer Yacht. Es klang so verdammt unklug, war aber bezahlbar und nicht weit von hier. Ich drückte unüberlegt auf Buchen und war im ersten Moment stolz auf mich, dass ich meinen Schlafplatz für die Nacht sicher hatte. 

Ich schmiss Geld auf den Tisch, winkte der Dame aus dem Restaurant zu und verschwand mit meiner Tasche und der halbvollen Flasche Wein in die Dunkelheit. Leicht schwankend ging ich Richtung Hafen, folgte den Anweisungen bei Booking.com wegen dem Schlüsselkasten und wo sich dieses Boot oder die kleine Yacht befand. 

Mit meiner Handytaschenlampe stolzierte ich den Steg am Hafen entlang und suchte nach der Nummer dieser Yacht, die Nummer 49. Als ich sie endlich fand, kletterte ich ans Deck und schmiss meine Tasche in die Ecke, verschüttete bisschen Wein, da der Boden nicht wie erwartet hart, sondern weich war. Überrascht krabbelte ich auf allen vieren über das Deck. Ich suchte den Eingang zu meinem Schlafplatz. 

Nach gefühlten Stunden, was vielleicht nur 10 Minuten waren, gab ich auf und legte mich einfach hin. Ich starrte in den Himmel, sah zu den Sternen, sie drehten sich leicht, oder es fühlte sich so an, da dieses Ding hier sich leicht schwankend bewegte. "Nicht kotzen...nur nicht kotzen" Nuschelte ich in die Dunkelheit, schloss meine Augen und schlief zum Glück ein. 

***

Ein leichtes antippen an meinem Fuß brachte mich langsam zurück in die Realität, holte mich aus meinem Ausflug in das Traumland. Neben dem antippen, spürte ich auch den hämmernden Schmerz in meinem Kopf und diese Übelkeit, die ziemlich präsent war. "Hello, are you alive?" Hörte ich eine sanfte Stimme und riss meine Augen auf. Die Sonne blendete mich und ich hielt mir die Hand vors Gesicht und brummte nur unverständliche Laute. "She's alive...are you ok?" Kam es noch einmal von dieser Person. Ich setzte mich auf, sah mich um. Dort standen mehrere Personen, die mich anstarrten, ich war mir unsicher was sie von mir wollten. Ich wusste nicht welche Zeit wir hatten, wo ich genau war und warum mein Kleid voll mit Rotwein übergossen schien. 

"Ja....ich denke schon" Kam es über meine Lippen genuschelt. "Sorry...what?" Ich sah die Person in dem hellen Hemd vor mir an. "Ich habe gesagt ich bin okay, meine Güte...mach die Ohren auf" Die Person hockte sich hin und sah mich prüfend an. 

"First of all, I don't speak German, if that's what it is, I can only count. Second, you're here on my boat and third, I'll ask you one last time, are you OK?"



once upon a time in italy (H.S)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt