Kapitel 10

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POV Tara

»Setzt euch ihr Turteltäubchen. Das Essen ist gleich fertig.«

Als ich diesen Satz höre, bleibe ich mitten auf dem Flur stehen. Turteltäubchen? Damit können doch nur Jamie und Sascha gemeint sein. Allein der Gedanke an die Beiden schnürt mir förmlich die Kehle zu. Mein Körper ist zu Eis erstarrt und ich weiß nicht was ich machen soll. Ich will verhindern, dass meine Schülerinnen mich hier auf dem Flur stehen sehen und sich dann womöglich über mein Verhalten wundern. Aber ich bin auch einfach unfähig mich zu bewegen.

»Will Miss Walker auch mit uns essen? Soll ich sie holen?« Als ich Rosie diese Fragen stellen höre, kommt endlich Leben in mein erstarrtes Ich und ich mache auf dem Absatz kehrt. In meinem Zimmer schnappe ich mir meinen Mantel und mein Handy und verlasse schon fast fluchtartig die WG. Als ich kurze Zeit später draußen vor dem Internat stehe, weiß ich nicht was ich jetzt machen soll. Also beschließe ich einen Spaziergang in das kleine Dorf zu machen, auch wenn die Strecke etwas lang ist. Aber der lange Weg und die frische Luft werden mir hoffentlich helfen meine verwirrenden Gedanken ein wenig zu ordnen.

Jamie und Sascha also? Hat Jamie mir ihre Gefühle nur vorgespielt um mich herumzukriegen? War das so was wie eine Mutprobe? Es muss so etwas ähnliches sein, denn immerhin scheint sie jetzt mit Sascha zusammen zu sein. Oder sie war es schon, als wir uns näher gekommen sind und das Ganze ist oder war zwischen den Beiden ein Spiel. Egal was es ist, ich weiß jetzt dass Jamie das nicht ernst gemeint hat was sie mir in der Hütte zugeflüstert hat, als sie sich an meinen Rücken geschmiegt hat. Die Erinnerung daran verursacht ein unglaubliches Bauchkribbeln, doch wieder verdränge ich diese aufregenden Gefühle. Ich weiß, dass es eine vernünftige Entscheidung gewesen ist, als ich Jamie sagte dass das mit uns nicht geht. Doch ein kleiner aber hartnäckiger Gedanke hat sich förmlich in meinem Kopf festgebissen. Ist es wirklich das Richtige gewesen, sich gegen seine Gefühle zu wehren?

Ich bin mittlerweile im Dorf angekommen und habe auf dem Weg hierher keine Menschenseele getroffen. Manchmal fehlt mir das turbulente Leben in Bristol oder London, aber die meiste Zeit des Jahres finde ich die Nähe zur Natur und die Ruhe wirklich entspannend. Gerade bin ich auf dem Dorfplatz angekommen, als ein Schaufenster meine Aufmerksamkeit erregt. Ich gehe näher ran und lese mir das große Plakat durch.

Demnächst Neueröffnung

Café Tea & Biscuit

Kommen Sie gerne vorbei

Ein Café? Hier in dieser Einöde? Ich schaue durch das große Fenster und kann erkennen, dass im Inneren jemand Tische und Stühle aufstellt. Dieser Jemand blickt im gleichen Moment nach draußen und sieht wie ich meine Nase am Fenster plattdrücke. Lachend kommt ein älterer Mann hinaus und begrüßt mich freundlich.

»Hallo junge Dame. Ich hoffe der Nase geht es gut, so platt wie sie am Fenster gedrückt wurde. Zum Glück muss ich das Fenster später noch putzen.« Lächelnd entschuldige ich mich und erkläre, dass ich einfach neugierig bin, wer den Mut hat, in diesem kleinen Dorf ein Café zu eröffnen. »Oh das ist eigentlich gar nicht mutig, aber irgendwie logisch. In der Nähe befindet sich das Internat, vollgepackt mit Teenager die vermutlich vor lauter Lernstress und Langeweile umkommen. Und da habe ich einfach die Hoffnung, dass dieses Café gut angenommen wird.« Staunend schaue ich den mir fremden Mann an und kann dem voll zustimmen. Die jungen Leute werden das Café quasi überrennen.

»Ich bin Tara Walker. Ich arbeite als Lehrerin am Internat und kann Ihnen zustimmen. Die Horde wird hier alles einrennen. Ich hoffe, Sie sind dagegen gewappnet.« Lachend nimmt er meine Hand und stellt sich ebenfalls vor: »Ich bin Paul Williams. Bitte nennen Sie mich Paul.« Und dann lädt Paul mich ins Café auf einen Tee ein. Dankend nehme ich die Einladung an und wir gehen hinein und er zeigt mir alles. Das Café ist noch nicht fertig, aber man merkt die Liebe in jedem einzelnen Detail. Die Schüler des Internats werden es hier lieben. Und die Lehrer vermutlich auch.

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