kapitel 10 - leah

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LEAH

Ich weiß nicht, was ich zu meiner Verteidigung zu sagen habe, aber ich lasse Doms Pulli zum Schlafen an. Es macht nur Sinn. Immerhin ist er schon aufgewärmt und es wäre unnötig, ein frisches Kleidungsstück aus dem Schrank zu holen. Ich bin ein nachhaltiger, effizienter Mensch.

Ich hätte den Pulli auch noch am nächsten Tag angelassen, aber dann würden meine Eltern Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann. Ich kann ihn auch nicht waschen, denn er würde ihnen sofort auffallen. Ich habe keine schwarze Kleidung, Farbpsychologie sein Dank. Bei mir zuhause ist wirklich alles durchgeplant.

Allerdings kann es mir eh egal sein, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich die drei überhaupt wiedersehen werde. Noch immer erhitzen sich meine Wangen vor Scham, wenn ich an meine Panikattacke denke. Normalerweise habe ich mich gut im Griff, aber gestern habe ich die Kontrolle verloren.

Meine Wangen werden noch heißer, als ich daran denke, wie Dominic mich umarmt hat. Es fühlt sich absurd an, auch nur daran zu denken. Doch ich nehme seinen Geruch noch immer wahr und ich kann mich nicht zurückhalten und stecke meine Nase in den weichen Stoff des Sweaters, um ihn tiefer aufzunehmen.

Er riecht gut. Nach Zigaretten Leder und einem Schuss Benzin, aber dennoch sauber. Kein einziges Schweißmolekül.

Und ich sollte wirklich aufhören, seinen Geruch zu analysieren. Ertappt schüttele ich den Kopf und stoße die Luft aus. Sowieso sollte ich aufhören, über ihn nachzudenken.

Der gestrige Abend sitzt mir noch immer in den Knochen. Ich bin geräuschempfindlicher als sonst und nachdem ich mich aus dem Haus geschlichen habe, warte ich beinahe darauf, bestraft zu werden. Doch niemand scheint etwas gemerkt zu haben.

Als mein Handy vibriert und Dominic eine Uhrzeit in die Gruppe schickt, zu der wir uns zum Proben treffen sollen, überkommt mich ein Schub Nervosität. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Dass ich nicht in ihre Welt hineinpasse, ist mir klar. Ich spüre es jedes Mal, wenn ich Zeit mit ihnen verbringe.

Alles an uns ist widersprüchlich, wir sind vollkommene Gegensätze zueinander.

Und ich kann nicht leugnen, ich habe Angst vor ihnen. Sie verunsichern mich, schüchtern mich ein, und ich weiß, dass es ihnen Spaß macht. Ich bin leicht zu verschrecken und die drei sind sadistisch genug, um sich daran einen Spaß zu erlauben.

Immerhin ist Jackson nett zu mir. Chase spricht kaum, aber von ihm geht eine entspannte Neutralität aus. Zumindest habe ich nicht das Gefühl, dass er mich aufs Blut hasst.

Dominic ist der Schlimmste. Ich kann ihn und sein unlesbares Gesicht nicht einschätzen und das macht mich nervös. Ich weiß, dass er mich nicht mag. Verabscheut, um genau zu sein und ich nehme es ihm nicht übel. Für Leute wie ihn muss ich wirken wie die verwöhnteste, naivste Göre auf dem Planeten.

Aber trotzdem hat er nicht das Recht, respektlos zu mir zu sein. Ich habe ihm nichts getan. Dass ihn die Tatsache stört, dass ich geboren wurde, ist nicht mein Problem. Ich kann nichts dafür. Ich habe nie darum gebeten, am Leben zu sein und diese Menschen meine Familie nennen zu müssen.

Ich rümpfe die Nase. Da ist dieser trotzige Teil in mir, der langsam zum Leben erweckt wird. Nach dem Talentwettbewerb habe ich all die Wut, die Enttäuschung und den Frust so tief in mir verwahrt wie möglich, damit er niemals aus mir ausbrechen kann, und bisher hat das gut funktioniert. Und jetzt musste ich mich gerade mal zwei Mal mit Dominic Ashford auseinander setzen und merke schon, wie ich mich verändere.

Wahrscheinlich rechnen sie eh nicht mit mir. Glauben, dass ihr kleiner Plan aufgegangen ist und ich mich nicht mehr aus dem Haus traue, völlig verängstigt von unserem kleinen Ausflug in die dunkle Welt, die die drei ihren Alltag nennen.

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