kapitel 45 - leah

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LEAH

Die Zeit vergeht irgendwie schneller, wenn man nicht mehr durchgehend darauf achten muss, zu überleben. Mittlerweile sind fast zwei Wochen vergangen und es ist so viel passiert, dass ich mich erst mal wieder ganz neu einleben musste.

Ich schaue hinüber zu Dominic, der auf dem Sofa unseres Bandraums sitzt und an seiner Gitarre herumschraubt, ehe er ein paar Saiten anklingen lässt. Wir sind zu zweit und ich bin froh, dass Chase und Jackson nicht sehen können, wie ich ihn anstarre. Schwarze Haarsträhnen fallen ihm ins Gesicht, die silbernen Ringe an seinen Händen glänzen im fahlen Licht und die Adern an seinen definierten Armen treten hervor, ziehen sich über seine schlanken Hände und ich starre einen Moment länger als notwendig. Ich kann gar nicht anders. Mein Herzschlag beschleunigt sich schon allein bei seinem Anblick.

Er fängt meinen Blick auf und ich erröte, ehe ich schnell wegschaue und mir ein Lächeln verkneife. Er zieht eine Augenbraue hoch und wendet sich wieder seiner heiligen Gitarre zu. Mein Herz rast und mir wird ganz warm, als wäre es das erste Mal, dass er mich so anschaut. Ich rutsche auf meinem Klavierstuhl vor und konzentriere mich auf meine Noten. Irgendwie habe ich immer noch nicht ganz verarbeitet, dass wir zusammen sind. Offiziell. Es ist unvorstellbar, wir beide zusammen ist unvorstellbar, aber ich liebe es.

Nachdem meine Eltern tatsächlich verhaftet wurden, bin ich bei Dominic eingezogen und seitdem leben wir gemeinsam in seiner Wohnung. Ich bin so unglaublich erleichtert, dass die Beweise ausgereicht haben. Wenn ich wieder zurück zu meinen Eltern geschickt worden wäre, hätte ich keine Ahnung, was ich getan hätte. Sie hätten mich vermutlich totgeschlagen.

Der Blick meines Vaters im Gerichtssaal war tödlich genug, doch auch meine Mutter stand ihm um nichts nach. Die Fassade ist gefallen, als klar wurde, dass ich den Fall gewinne.

Es war beängstigend, aber jetzt bin ich endgültig sicher. Die beiden haben nicht nur langjährige Körperverletzung auf dem Gewissen, sondern ebenso Steuerhinterziehung und weitere illegale Geschäftssachen, die ich mir gar nicht so genau anhören wollte.

„Ich wollte nur nochmal sagen..." fange ich vorsichtig an und er schaut wieder auf. Ich räuspere mich. Er mag das Thema gar nicht, aber ich lasse nicht locker. „Ich habe wirklich kein Problem damit, deine Strafe mit meinem Schmerzensgeld zu bezahlen. Es ist mehr als genug."

Seine Augen verengen sich und ich hebe die Hände, aber ich habe keine Angst vor ihm. Egal wie wütend er wird, er würde mir niemals wehtun und das weiß ich. Es gibt niemanden auf der Welt, mit dem ich mich sicherer und geborgener fühle als mit ihm. Gut, manchmal habe ich schon ein bisschen Angst vor ihm. Aber nicht um meine Sicherheit.

„Nein. Das ist meine Verantwortung und ich kümmere mich darum."

„Überleg es dir doch nochmal. Du arbeitest so viel, schon dein Leben lang und ich will dir helfen. Außerdem hast du mich gerettet. Mehrmals."

Und damit meine ich nicht nur die physischen Momente. Jetzt wo alles überstanden ist, will ich einfach nur noch nach vorne schauen. Die Tatsache, dass er eine ziemlich hohe Geldstrafe zahlen muss, ebenfalls wegen Körperverletzung, macht das ein wenig schwieriger. Und wir können froh sein, dass es nur dazu kam und all die anderen Dinge, die er tut, die wir zusammen getan haben, unentdeckt geblieben sind. Aber trotzdem.

Nachdem auch sein Vater nach einer Hausdurchsuchung verhaftet wurde und ich Dom davon überzeugen konnte, ihn nicht eigenhändig zu erwürgen, sollte unserer Zukunft gemeinsam nichts mehr im Weg stehen.

Ich will einfach nur neu anfangen.

„Ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich regele das." Sagt er mit harter Stimme, die mir verdeutlicht, dass ich gegen eine Wand rede. Ich verdrehe die Augen.

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