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Der Stern Micha war schon sehr alt. So viel Zeit war verstrichen seit dem Tag, an dem sein erster Lichtstrahl den Himmel erleuchtet hatte. Mittlerweile war sein Licht nur noch schwach und Micha spürte, dass seine Zeit sich dem Ende zuneigte.
Aber was soll's, dachte er, neue Sterne werden leuchten und bald wird mich jeder vergessen haben.
Heute hatte er keine gute Laune und sie verschlechterte sich nur noch, als er das kleine Mädchen sah, das auf ihn zu lief.
Das ist doch diese kleine Göre. Die hat doch keine Ahnung von nichts. Der sind wir doch eh alle egal, solange sie jemanden findet, der mit ihr spielt.
Ja, Micha hatte heute keinen guten Tag. Falls er überhaupt so etwas wie gute Tage kannte.
Wanda ließ sich jedoch nicht von seinem mürrischen Gesichtsausdruck beirren.
„Hallo Stern, bist du Micha?", fragte sie freundlich und lächelte ihn an.
„Ja, der bin ich", knurrte der Alte. „Und wie heißt du nochmal?"
„W... Wanda", stotterte die Kleine ein wenig verunsichert.
„Und was willst du?"
„Weißt du vielleicht, wie ich zur Erde komme?", fragte Wanda und schaute ihn hoffnungsvoll an.
„Was bei allen Sternen im Himmel willst du denn da?", wollte Micha verblüfft wissen, jetzt doch ein wenig neugierig. „Dämliche Idee", fügte er schnell noch hinzu, nicht dass er am Ende noch nett wirken würde oder so etwas.
„Ich wünsche mir eine Familie", erklärte das Mädchen ihm. „Eine richtige Menschenfamilie."
Der Stern schnaubte nur. Wer wollte denn bitte zu den Menschen? Aber er beschloss, ihre Frage zu beantworten.
„Na jedenfalls weiß ich, wie ich dort hinkomme. Meine Zeit ist bald zu Ende, ich werde verglühen und als Sternschnuppe auf die Erde fallen."
Wanda sah sich um. Außer Micha war hier weit und breit kein Licht zu sehen. „Dann wirst du hier ganz alleine sterben?", flüsterte sie. Der alte Stern tat ihr auf einmal leid. Ganz einsam, da konnte man ja nur mürrisch werden.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht."
„Kannst du mich nicht mitnehmen? Dann käme ich zur Erde und du wärst nicht alleine." Freundlich lächelte das Mädchen Micha an.
„Das wäre ja noch schöner", schnaubte dieser. „Die Letzten Momente meines Lebens mit einem nervigen Kind zu verbringen."
„Bitte!", flehte Wanda ihn an. „Es ist mein größter Wunsch!"
Da durchlief ein Zittern den alten Stern und zum ersten Mal blickte er das Mädchen richtig an, zum ersten Mal sah er sie.
Und zu ihrer und vor allem seiner Überraschung nickte er ihr zustimmend zu.
„Gut, ich nehme dich mit."
Vielleicht ist sie ja doch nicht so schlimm, dachte er, während er ihr zusah, wie sie überglücklich herumhüpfte.
„Danke!", sagte sie dann lächelnd und er spürte, dass es von Herzen kam.
Doch nur wenige Momente später spürte Micha, dass die Zeit des Abschieds nun gekommen war.
„Halt dich gut fest", flüsterte er mit erschöpfter Stimme.
Wanda wurde ernst und legte vorsichtig ihre Arme um ihn.
Der Alte war auf einmal sehr froh, dass sie da war, dass er nicht alleine gehen würde.
Dann spürte er die Hitze, die so heiß war wie all die Wärme in seinem Leben zusammen.
Lächelnd schloss er die Augen und ließ sich davontragen.

Das Mädchen in den SternenWhere stories live. Discover now