5 - Can I Call You Tonight - Dayglow

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Mit dem Jeep mache ich mich also auf den Weg in das Herz von Seattle. Die Fahrt dauert nicht lang, da ich nicht weit außerhalb wohne. Zumal ich mir ein Parkhaus in der Nähe suche, um den Touristen weitestgehend aus dem Weg gehen zu können. Auf dem Weg aus dem Parkhaus fällt mir sofort der Space Needle auf. Die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit Seattles. Die Menschenmassen, die vor ihm Schlange stehen sind unglaublich. Kopfschüttelnd laufe ich daran vorbei und hole mein Handy aus der Tasche. Ich suche schnell eine Wegbeschreibung zum Senba und mache mich auf den Weg dorthin.

Ich brauche einen Moment, um die hochgewachsene junge Frau zu bemerken, die unter einer der asiatischen Laternen steht, die überall an der Außenfassade des Restaurants befestigt sind. Ihr ausdrucksstarker Blick ruht auf mir, als ich mich langsam nähere. Die dunklen Haare sind kurz und passen zu ihren ebenfalls dunklen Augen. Die Haut ihrer Arme, welche man dank des hochgekrempelten Sweatshirts sehen kann, schimmert in der Sonne in einem goldenen Ton und weist eine dunklere Färbung, als die der meisten Gäste auf. Hohe Wangenknochen und volle, rosafarbene Lippen dominieren ihr Gesicht. Das weite Sweatshirt hat einen Reisverschluss am Kragen, welcher leicht geöffnet ist, sodass darunter der Ansatz eines weißen Shirts zu sehen ist. Die Jeans, die sie trägt liegt tief auf ihren Hüften und endet in schwarzen Boots. Mein Blick wandert wieder nach oben und ich sehe, dass sich bei meinem Näherkommen ein Lächeln auf ihre Lippen stiehlt. Ihre Züge kommen mir auch heute wieder unglaublich bekannt vor. Jedoch kann ich ihr Gesicht nach wie vor nicht genau einordnen.

"Du musst wohl Aspen Park sein.", sage ich, als ich vor ihr stehen bleibe.

"Und du Eden King. Freut mich dich kennenzulernen.", antwortet sie mit einer leicht rauchigen Stimme und hält mir ihre Hand hin, welche schlanke, mit Ringen besetzte Finger schmückt.

"Mich ebenso."

Ich strecke ihr meine Hand entgegen und sie schüttelt sie mit einem kräftigen Händedruck.

"Lass uns reingehen.", sagt sie und dreht sich um. Dabei lässt sie meine Hand jedoch nicht los, sondern erst als Aspen die Tür öffnet und mir eben diese Hand auf den Rücken legt. Sie ist ein Stück größer als ich, wodurch ihre Hand perfekt in der Kuhle zwischen meinem Po und dem Rest meines Rückens liegt. Aspen schiebt mich leicht in den schicken Eingangsbereich des Restaurants. Die Empfangsdame, eine junge Japanerin, sieht uns freundlich lächelnd an. Ihre schwarzen Haare sind zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt, in welcher bunte japanische Essstäbchen stecken. Die Augen sind so mit einem braunen Eyeliner hervorgehoben, wie ich es niemals könnte ohne lächerlich auszusehen.

"Guten Tag. Haben Sie reserviert?", fragt sie mit einer melodischen Stimme.

"Hallo. Ja, ich hatte gestern angerufen. Zwei Personen auf den Namen Park."

"Ah ja, genau. Wir hatten telefoniert. Dann folgen Sie mir bitte."

Sie führt uns durch den bunt gestalteten Hauptraum in Richtung einer Treppe. Diese steigt sie nach oben und wir folgen ihr mit einem kleinen Abstand. Aspens Hand liegt noch immer sanft auf meinen Rücken. Als wir oben ankommen, rutscht ihre Hand ein Stück nach unten und beschert mir einen leichten, angenehmen Schauer.

Der Raum, durch welchen die Empfangsdame uns jetzt führt ist kleiner als der Hauptraum und um einiges gemütlicher. Hier und da gibt es rote Laternen, die den Raum in ein gedämpftes Licht hüllen, welches jedoch nur am Abend zu wirken scheint, da durch die großen Fenster, auf der einen Seite des Raumes, Sonnenlicht fällt. Auf jedem der kleinen Holztische steht eine Kerze, in dem gleichen Rotton wie die Laternen. An den Wänden hängen zahlreiche Fotografien und Gemälde, welche die Landschaft und Städte Japans zeigen. Sie führt uns an einen am Fenster gelegenen Tisch, von welchem aus man den Space Needle sehen kann. Es scheinen hauptsächlich Pärchen auf dieser Etage zu sitzen, die die Ruhe und Zweisamkeit genießen. Aus den über unseren Köpfen angebrachten Lautsprechern, dringt leise, melodische Musik.

"Setzen Sie sich. Ich komme sofort mit den Karten zurück.", sagt die Frau und dreht sich auf dem Absatz um.

Aspen tritt hinter mir hervor und zieht einen Stuhl vom Tisch. Dann deutet sie darauf und begibt sich selbst auf die andere Seite des Tisches, um sich dort hinzusetzten. Ich nehme ebenfalls auf dem für mich vorgesehenen Stuhl Platz.

"Warum muss eine wunderschöne Frau wie du, wohl von meinen Diensten Anspruch nehmen?", nachdenklich sieht sie mich an. Ihr Blick wandert dabei von meinen Augen zu meinen Haaren und über meinen Mund, bis er schließlich wieder bei meinen Augen landet.

"Nun, ich bin ziemlich verzweifelt, aber auch sehr unentschlossen einer wildfremden Frau diese Verzweiflung zu schildern."

"Ich fürchte dir nicht helfen zu können, ohne vorher dein kleines Debakel zu kennen."

"Also gut. Vor ein paar Jahren habe ich meiner Mutter erzählt eine Freundin zu haben, da sie alles daranlegt, dass ihre Kinder in festen Händen sind. Sollten sie das jedoch nicht sein, verbannt sie alle unverheirateten, geschiedenen oder unverkuppelten Leute bei Familienfeiern an den Kindertisch. Das heißt, dass du deinen Truthahn mit neun kleinen Plagegeistern essen musst. Da ich darauf jedoch keine Lust mehr hatte, habe ich ihr eines Tages aufgetischt in festen Händen zu sein und diese Lüge bis heute aufrechterhalten.", beende ich meine Darlegung der Situation.

"Das mag ja alles ganz tragisch sein, nur verstehe ich nicht ganz, was genau meine Rolle in dem Ganzen nun ist?"

"Ich habe gestern erfahren, dass meine Mutter für ein paar Wochen nach Seattle kommen möchte. Mit der engen Familie. Und sie möchte meine immer noch nicht existierende Freundin kennenlernen."

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Thank you für den Support, den mein Herzstück bisher schon bekommen hat🫶🏼
Lots of love

Promise MeWhere stories live. Discover now