Tag 3 - Noch mehr Unterricht

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Da stand er erneut. Aber tatsächlich bei Tageslicht. Vor ihm - wie konnte es auch anders sein? - die Klasse 8b. In voller Montur standen sie auf dem Kleinspielfeld der Schule. Er müsste eigentlich froh darüber sein, dass es weitestgehend trocken war, aber kalt war es dennoch. Daran änderte sich bedauerlicherweise auch rein gar nichts. Zumindest bis zum Frühjahr. Eigentlich auch gut, da alles andere zeigen würde, wie sehr der Klimawandel doch fortgeschritten war. Dass es dieses Jahr normal kalt war, schien ihm ein gutes Zeichen. Mehr oder weniger zumindest. Dennoch wünschte er sich nicht hier sein zu müssen. Doch wenn es alle anderen auf sich nahmen und das ohne riesengroßes Murren, würde er sich auch nicht beschweren. So weit kam es noch, dass Achtklässler mehr aushielten, als er. Natürlich trugen sie nicht die typischen Sportklamotten, sondern normale Kleidung. In T-Shirts und teilweise kurzen Hosen ließ sich einfach schlecht Sport machen. Von den Problemen, dass Sportschuhe immer sauber sein solllten, wollte er erst gar nicht anfangen.

Als es ans Aufwärmen ging, wurde diese Tätigkeit auch endlich mal ihrem Namen gerecht. In den folgenden neunzig Minuten arbeiteten sie schließlich nur noch an den zuvor bemängelten Punkten. In der Theorie war es nicht unglaublich schwer, den Teenagern beizubringen, wie man koordinierter spielte. Nur musste er seine standardmäßigen Taktikerklärungen völlig über Bord werfen. Einheitliche Verwirrung war Grund genug. Aber ansonsten musste er nur dafür sorgen, dass nicht jeder eine eigene Taktik hatte und die anderen nicht darübr informierte.  Eigentlich brauchten sie nur einen "Anführer" im Team. Jemand der auch Ahnung von dem hatte, was er jetzt tat.

Dadurch kam er direkt zu seinem nächsten Punkt; der Teameinteilung. Amalia hatte ihm die Grundinformationen über das Tunier gegeben. Jeweils drei Teams pro Klasse, bestehend aus fünf Spielern und drei Auswechselspielern. Durch die vorrangegangene Zeit mit der Klasse, konnte er das zumindest ganz gut einschätzen.

"Was hältst du davon?", fragte er mit gedämpfter Stimme Amalia, nachdem er ihr seine Aufstellung präsentiert hatte.

"Es könnte funktionieren. Ich würde noch etwas rumtauschen, aber ansonsten ...", sie schien zu überlegen, "Ansonsten müsste es funktionieren."

Ihr ehrliches Lächeln, löste tiefe Freude in ihm aus. War ihm so schnell ihre Meinung von ihm so wichtig geworden? Gut, er verbrachte jetzt schon die letzten drei Tage mindestens vier Schulstunden pro Tag mit ihr. Dennoch sehr komisch. Nicht dass er noch anfing, romantische Gefühle für die Lehrerin zu hegen. Aus dem Alter, in dem er sich Hals über Kopf verliebte, war er eindeutig raus. Dennoch erwischte er sich mehr als einmal dabei, öfter an sie zu denken, als es vorübergehende Kollegen tuen würden. Und auch dem Gedanken sich außerhalb der "Arbeit" zu treffen, war er nicht komplett abgeneigt. Bestimmt war es rein freundschaftlich bedingt. Nicht mehr und nicht weniger. Außerdem blieben andere Anzeichen auch aus. Er hatte keinerlei Schmetterlinge im Bauch und sein Herz klopfte auch nicht schneller, wenn er sie sah. Er wusste wie es sich anfühlte verliebt zu sein. Und zwar nicht so.

"Ist was?", Amalia blickte ihn irritiert an.

"Nein", ruckartig erwachte er aus seinen Gedanken, "Warum?"

"Du hast nur so den Kopf geschüttelt", bemerkte Amalia belustigt.

Jetzt fing er auch noch an Dinge zu tun, ohne es zu bemerken. Da würde er am liebsten nochmal den Kopf schütteln. Doch er hielt sich erfolgreich zurück.
Nachdem er das für sich selber geklärt hatte - zumindest weitestgehend - rief er die Schüler, die zuvor in kleinen Gruppen die Taktiken ausprobiert hatten, erneut zu einem Kreis zusammen. Wenn man das was sie fabrizierten einen Kreis nennen konnte. Ihre Stärke schienen runde Kreise nicht gerade zu sein. Wissend was er vielleicht auslösen würde, gab er die vorläufige Teamverteilung bekannt. Wie auch zu erwarten war, kamen solche Aussagen wie "Warum kann ich nicht mit x in einem Team sein?" und "Warum sind x und y in einem Team?", aber grundsätzlich aktzeptierten sie es nach langem Gemeckere. Was sie alles untereinander an Lästerein austauschten, wollte er erst gar nicht wissen. In dieser neuen Formation wurde natürlich dann noch geübt, bis es schellte.

"Danke dass du das übernommen hast", bedankte sich Amalia ehrlich, "Sie hätten mich sicherlich gehasst, aber du bist ja nicht lange hier."

"Wann werde ich noch in den Genuß dieser Klasse kommen?", fragte er halb im Scherz und halb im Ernst.

"Erst Freitag. Morgen wirst du wohl auf meine Anwesenheit verzichten müssen", meinte sie amüsiert, aber irgendwie versetzte der Gedanke ihm einen Stich.

***

Auch bei ihr setzte eine solche Reaktion ein. Hatte sie sich doch schon an die Anwesenheit des Älteren gewöhnt. Es war überraschend, wie schnell sie sich an ihn gewöhnt hatte. Das war schon fast gruselig. Normalerweise war es ihr herzlich egal ob andere da waren oder nicht. Sie genoß es alleine zu sein, aber hier war es irgendwie anders. Aber sie wünschte sich es wäre nicht so. Mit jedem Moment den sie mit ihm verbrachte, hatte sie das Gefühl, dass er Veränderung brachte. Veränderung für die sie noch nicht bereit war. Veränderung für die sie vielleicht nie bereit sein würde. Sie mochte ihr Leben, wie es gerade war. Tat sie das wirklich? Das war zumindest was sie sich sagte. Und auch wenn sie selber meinte ihr würde nichts fehlen, kam es ihr jetzt doch so vor. Was tat dieser Mann nur mit ihrem Leben? Aber was wusste sie überhaupt über ihn?

"Ähm", sie zögerte, wusste sie doch nicht was er über sie dachte. So entspannt ihr Umgang auch mittlerweile war, wusste sie nicht ob es nur seine typische Professionelität war.

"Ja?", er schien über ihr Verhalten irritiert.

"Was hältst du davon wenn wir unsere Nummern austauschen? Ich weiß es ist schon Mittwoch, aber dennoch für eine bessere Kommunikation", versuchte sie ihre bitte zu erklären. Dass sie auch andere Gründe hatte, musste er nicht wissen. Moment! Hatte sie andere Gründe?

"Warum nicht? Lass uns das nach der Stunde machen", seine Coolness verunsicherte sie beinahe, doch sie schaffte ihr Lehrergesicht aufrecht zu erhalten.

Die Schüler hörten erfreut mit dem Unterricht auf und machten sich auf den Weg in alle mögliche Richtungen. Nicht ganz so unbeschwert wie sonst, aber dennoch glücklich. Schule blieb Schule und Unterricht immer Unterricht. Der Grund für den Unmut mancher Schüler hing aber damit zusammen, dass jetzt zwar die sechste Stunde zu Ende war, sie aber Mittwochs neun Stunden hatten. Mittwochs waren sie also immer besonders schlecht gelaunt. Dafür hatten sie sich aber Mühe gegeben, nicht gänzlich unmotiviert zu sein. Dafür schätzte sie diese Klasse. Da beneidete sie schon fast die Klassenlehrer.

"Dann bis Feitag", verabschiedete sich auch Magnus. Ihr lag eine Frage auf der Zunge, doch sie überlegte es sich doch anders. Später. Später würde sie ihn fragen. Nur nicht jetzt.

5 Days - One ChanceWhere stories live. Discover now