Kapitel 16

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Als Eleanor am Sonntagmorgen nach mir ruft, stehe ich gerade im Badezimmer und putze meine Zähne. »Schatz? Dein Handy klingelt. Soll ich rangehen?«

Um Gottes Willen! Nachher ist das noch Harry. Rasch spucke ich die Zahnpasta aus. »Nein, das brauchst du nicht«, rufe ich zurück und versuche nicht panisch zu klingen. Sie antwortet mir nicht, weshalb ich horchend die Lider schließe. Als ich ihre Stimme vernehme, reiße ich die Augen auf. Schnell spüle ich meinen Mund aus und trockne ihn ab, bevor ich ins Schlafzimmer laufe. Ich erstarre, als ich sie mit meinem Handy am Ohr sehe.

»Wer war das?«, frage ich ruhig, nachdem sie es weggelegt hat. Mein Magen fühlt sich an, als würde ich gleich auf den Fußboden kotzen.

»Valentina. Sie fragt, wann du dich mal wieder meldest.« Oh, Gott sei Dank. Ich versuche, mir meine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, stattdessen seufze ich und fahre mit den Fingern durch meine Haare.

»Ja, momentan ist das echt schwierig.«

»Schatz ...«, fängt sie an, weshalb ich vorsichtig meinen Blick hebe. Der Ton ihrer Stimme klingt so ernst. »Du solltest deine Freunde nicht vernachlässigen, auch wenn du momentan kaum zu Hause bist. Fahr doch heute zu ihr.«

Na toll, jetzt sorgt sie sich auch noch darum, dass ich andere Menschen nicht vernachlässigen soll. Warum kann sie nicht eifersüchtig auf Valentina sein? Das würde mich irgendwie besser fühlen lassen. »Und was ist mit dir? Wir sehen uns so doch schon selten genug«, frage ich und setze mich auf die Bettkante.

»Ich weiß, aber Freunde sind auch wichtig, Liebling.«

»Ich beschäftige mich die ganze Woche mit Zayn.« Wenn ich jetzt verschwinde, habe ich wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich mich zu wenig um meine Freundin kümmere.

»Zayn zählt nicht«, lacht sie. »Das ist mein Bruder.«

»Aber mein bester Freund«, erwidere ich grinsend.

»Idiot.« Sie küsst mich, bevor sie aufsteht und ich mich ebenfalls seufzend erhebe.

Knapp drei Stunden später sitze ich bei Valentina. Ihre geblümte Couch ist noch genauso hässlich wie beim letzten Mal und im Hintergrund läuft die Musik einer britischen Boyband. »Erzähl! Wie war deine Woche? Wie hat der Typ sich verhalten, den du geküsst hast?«, will sie aufgeregt von mir wissen, während sie an ihrem Tee nippt.

Mit gekräuselter Stirn sehe ich sie an. »Du solltest nicht so fasziniert davon sein, dass ich Eleanor betrogen habe.«

»Betrogen«, sagt sie mit schnalzender Zunge. »Das klingt böse. Das war doch nur ein Kuss.«

»Nein«, antworte ich, ohne darüber nachzudenken. Aber vielleicht ist es gar nicht verkehrt, jemanden an meinem Leid teilhaben zu lassen. Vielleicht kann sie mir ja auch einen Ratschlag geben.

»Nein?«, hakt sie irritiert nach.

»Nein. Ich ... Wir ...«, stottere ich und spüre plötzlich einen immensen Druck auf meiner Brust, weshalb ich ratlos zu meiner Kollegin blicke.

»Was ist los?« Ihre Stimme ist nicht mehr erwartungsvoll, sondern besorgt.

»Es ... es ist einfach passiert. Ich wollte das nicht und irgendwie wollte ich es doch. Ich kann es dir nicht erklären. Ich bin ein furchtbarer Mensch«, sprudelt es nun doch aus mir heraus, bevor ich mir übers Gesicht reibe. Meine Augen brennen verdächtigt, aber hier vor Valentina will ich auf keinen Fall weinen. Obwohl mir wirklich danach zumute ist.

»Oh, Louis ...« Ich schüttle kaum merklich den Kopf. Dann kann ich mich nicht länger kontrollieren. Mein Körper wird schmerzhaft von einem Schluchzen geschüttelt, weshalb ich mir die Hände vors Gesicht schlage. Valentina setzt sich sofort neben mich und legt mir tröstend den Arm um die Schulter.

»Ich habe etwas fruchtbar Schlimmes getan«, stoße ich unter einer schweren Last auf meiner Brust hervor. Sie streichelt über meine Schulter und zieht mich an sich heran. So nahe waren wir uns noch nie, doch in dem Moment tut der Halt gut.

»Du kannst mir alles erzählen. Eleanor wird von mir nichts erfahren.« Sie ahnt es also schon.

»Ich habe mit ihm geschlafen, Val!«, schniefe ich. Bei meinen Worten stockt mir selbst der Atem, woraufhin sie mich in beide Arme schließt und seufzt.

»Louis ... Was machst du denn? Wie kam es dazu?« Ich schließe die Augen. Soll ich es ihr wirklich erzählen?

Erneut entflieht mir ein Schluchzen, kläre sie aber schließlich über den verhängnisvollen Abend auf. Es ist eine Erleichterung, mit jemandem meine Gefühle zu teilen. Ich berichte von seinen Nachrichten. Über den Moment im Kopierraum und als er mir seine Adresse gegeben hat. Wie ich mit mir selbst gehadert habe und schließlich ihr eigener Post mich dazu gebracht hat, zu ihm zu fahren. Valentina nickt gelegentlich, lächelt oder sieht mich mitfühlend an. Als ich den letzten Satz ausgesprochen habe, umarmt sie mich fest. »Ach, Mensch. Das ist wirklich eine beschissene Situation. Was hast du jetzt vor?«, fragt sie und löst sich ein Stück von mir.

»Wenn ich das wüsste. Ich schätze, ich werde so weitermachen wie vorher ... als ich ihn noch nicht kannte. Ich liebe Eleanor und will ihr nicht wehtun, deshalb soll sie das auf keinen Fall erfahren.«

Valentina grinst, bevor sie vor ihrem Mund eine stumme Bewegung ausführt, als würde sie ein Schloss zuschließen und anschließend den Schlüssel wegwerfen. »Ich schweige wie ein Grab. Aber ...«, fängt sie an, stockt dann jedoch.

»Aber ...?«

»Bist du in ihn verliebt?«, fragt sie.

»Was? Nein!« Oder doch? Nein, nein. Auf keinen Fall! Ich liebe doch Eleanor. Es war einfach nur die Lust, die mich in seine Arme getrieben hat.

»Bist du sicher, Louis? Wie würde deine Antwort lauten, wenn du keine Freundin hättest?«

Auch hierauf will ich sofort widersprechen, doch mein Mund verlässt keinen Laut. Ich schweige. Wenn ich keine Freundin hätte? Ich weiß es nicht. Würde ich mich auf mehr mit Harry einlassen? Sein betörender Duft, die sinnlichen Lippen und sein attraktiver Körper. All das könnte ich dann ohne schlechtes Gewissen genießen. Nicht zu vergessen das heftige Kribbeln. Ein gewaltiger Schauer rieselt mir über den Rücken. »Ich liebe Eleanor«, flüstere ich mehr zu mir selbst als zu Valentina.

»Das glaube ich dir, nur manchmal ändern sich Gefühle.«

Mir laufen noch immer Tränen über die Wangen, die ich rasch wegwische. »Nicht meine! Wir wollen eine Familie gründen. Ich muss nur ...« Ja, was muss ich? Meine Hormone unter Kontrolle kriegen? Keine Ahnung, wie ich das anstellen soll.

»Okay.« Mein Blick huscht zu meiner Kollegin. »Wenn du dir da sicher bist, ist das doch in Ordnung.«

»Bin ich.« Darauf antwortet sie nicht mehr.

Eine ganze Weile sitzen wir so, bis mir mein plötzlicher Gefühlsausbruch sogar ein bisschen peinlich ist. Trotzdem bin ich dankbar, dass sie mir zugehört hat, ohne mich zu verurteilen. »Danke, Valentina.« Grinsend wischt sie mir eine letzte Träne von der Wange.

»Es wird alles seinen Weg gehen, da bin ich mir sicher. Alles wird in Ordnung kommen, Louis. Okay?«

Ich nicke. Wenige Augenblicke mustert sie mich prüfend, dann kichert sie auf einmal, sodass ich verwirrt die Stirn runzle. »Was ist?«

»Ich glaube, das war eben das erste Mal, dass du mich Val genannt hast. Vielleicht solltest du dich doch auf diesen Typen einlassen. Ein bisschen weniger Stock im Arsch steht dir«, lacht sie.

Entsetzt blicke ich sie an, bevor meine Finger gegen ihren Oberarm schnippen. »Ey! Ich habe keinen Stock im Arsch. Ich bin nur ...«

Mir fällt kein passendes Wort ein, weshalb sie mich erwartungsvoll ansieht. »Jaaaaa?«

»Ach, lass mich doch.«

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⏰ Last updated: Dec 23, 2023 ⏰

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Secrets Of The Heart - [Larry-AU]Where stories live. Discover now