5. Asker

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Dünne Nebelschwaden waberten durch das breite Tal, die kalte Luft hatte sich an meiner Rüstung festgesetzt und ließ langsam Reif darauf entstehen. Ich schüttelte die steifen Glieder und straffte die Schultern. Seit mehreren Stunden standen wir in Reihe und Glied und warteten auf Anweisungen, welche bereits vor einiger Zeit hätten eintreffen sollen.

Ich sah mich um und blickte in angespannte Gesichter, die Angst hatte begonnen sich einen Weg in unsere Gedanken zu bahnen und selbst mein Bruder, der sonst immer optimistisch war, starrte mit zusammengekniffenen Augen in die aufgehende Sonne.

Alles war still – die Spannung hatte schnell alle Gespräche erstickt, als ein Kreischen unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war der Ruf eines Falken, der mit kräftigen Flügelschlägen auf uns zu kam.
Rasch trat ein Mann vor und streckte den Arm aus, der Vogel landete sicher.
„Eine Nachricht, es ist eine Nachricht", schrie er nach wenigen Sekunden.
Ein Raunen der Erleichterung zog durch die Menge.
„Wir sollen vor marschieren...", die Stimme des Soldaten brach, „...und angreifen"

Stille.

Wir richteten uns auf und liefen los. Niemand traute sich, etwas zu sagen. Niemand wusste wann wir auf Schwarzmagier treffen würden. Die Hand fest um meinen Schwertgriff erklomm ich mit meiner Truppe den Hang.
„Asker", keuchte mein Bruder, während er versuchte mit mir Schritt zu halten, 

„Was passiert, wenn wir verlieren?"

„Wir werden nicht verlieren, Cillian"

Cillian schnaubte:" Das sagst du immer"

„Und bisher hatte ich immer Recht, also glaub an uns, wie du es immer tust", erwiderte ich.

Er blieb stehen: „Ich meine es Ernst, was wenn Glaube allein nicht mehr ausreicht?!"

Ich biss mir auf die Zunge, ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte: „Ich weiß es nicht", wäre ehrlich gewesen, doch die Zeit hatte mich gelehrt das Ehrlichkeit selten belohnt wurde. Dennoch bereitete es mir Kopfzerbrechen das Cillian begann sich sorgen zu machen.
Ich sagte nichts und schritt einfach weiter hinauf.
Oben angekommen formierten wir uns erneut.

„Männer", setzte unser Truppenführer an," wir wissen warum wir hier sind, wir kämpfen für unser Land. Also klappt die Visiere herunter und kämpft in seinem Namen!"
Kaum hatte er zu Ende gesprochen erschienen die ersten Schwarzmagier am Horizont. Wie dunkle Tinte die man versehentlich über ein Pergament geschüttet hatte, ergossen sie sich über das vor ihnen liegende Tal und liefen auf uns zu.

Wir stürmten ihnen entgegen.

Sie waren uns zahlenmäßig unterlegen, doch der Hagel an Flüchen der uns entgegenpeitschte ließ etwas anderes vermuten. Ich kämpfte mich mit meinem Kurzschwert nach vorne, ein Magier mit tief rotem Mantel ließ Feuerbälle auf mich zu zischen. Ich wehrte sie mit dem Schwert ab und machte einen schnellen Ausfallschritt zur Seite, wirbelte herum und stieß ihm die Klinge in den Magen. Blut sprenkelte meine Rüstung, doch ich riss das Schwert zurück und rückte weiter vor. Ich war im Rausch und schlug Schneisen durch die Magier. Als ein Mann mit zwei Dolchen in den Händen auf mich zu sprang, enthauptet ich ihn bevor er auch nur in die Nähe meines Körpers gelangte.

Irgendwann blieb ich schwer Atmend stehen. Es war kein Schwarzmagier mehr übrig, alle waren entweder tot oder geflohen.
Wir hatten gesiegt!
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich sah mich nach Cillian um.

Ich hörte seine Stimme bevor ich ihn sah, erlag zwischen zwei Leichen, ein Messer in der Brust.
Mein Lächeln erlosch, wie eine Kerzenflamme, die von einem Orkan erwischt wurde. Ich rannte zu ihm.

„Lass mich nicht allein, Asker", flüsterte er," Bitte".

„Nein", hauchte ich," Nein, bleib bei mir"

 „Asker", seine Stimme brach ab.

Alles um mich herum wurde schwarz und ich schreckte hoch.
Cillian war verschwunden und ich saß keuchend in meinem Bett.
Ich seufzte, dieser Albtraum hielt sich wirklich hartnäckig. Ich hatte so viele Gefühle über die Jahrzehnte vergessen. Kälte, ja sogar Schmerz, doch die Panik, die Schuld die mich seit Cillians Tod plagte hatte ich nie vergessen.
Ich stand auf, Cillians letzte Worte halten in meinem Kopf wieder.

Lass mich nicht allein Asker.
Hatte ich ihn allein gelassen? War seine Angst berechtigt gewesen?
Er war immer einer von den Guten gewesen, doch nie wirklich stark, sicher hatte an sich geglaubt trotz aller Zweifel.

Ich dachte an seine Frage zurück.

Was passiert wenn wir verlieren.

Wir hatten damals gesiegt, doch für mich hatte es sich nie so angefühlt. Doch was wäre passiert wenn wir diesen Kampf verloren hätten? Vermutlich wäre ich gestorben und selbst wenn nicht, für das große Ganze hätte es wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht.  Es wäre nur der Anfang des Endes gewesen, der vielen Niederlagen.
Wenn ich damals gewusst hätte, was in den folgenden Jahren passieren würde, hätte ich Cillian geantwortet, wenn ich gewusst hätte, das er sterben würde.

Ich schnippte mit den Fingern und meine Kleidung wandelte sich. Mit einem weiteren schnippen entzündete ich die Fackeln im Raum.
Wäre meine Magie früher schon so ausgeprägt gewesen wäre, hätte ich meinen Bruder vielleicht retten können. Noch etwas wo für ich mich jetzt verfluchte.
Erst Jahre nach Cillians Tod hatte ich begonnen meine Magie zu trainieren und mich mit ihr befasst.

Magie war wie ein Muskel, jeder besaß sie und konnte sie trainieren, doch wenn man sich nicht mit ihr befasste verschwand sie langsam.
Ich hatte mich immer auf meine reine Kraft verlassen und erst viel zu spät begriffen wie wichtig Magie wirklich war.

Ich trat auf den Balkon hinaus und lehnte mich auf das schwarze Stahl Geländer. Wind pfiff durch meine Haare und ich konnte meinen Atem sehen. Ich vermutete das es kalt war, doch ich spürte es wie immer nicht.
Ich ließ meinen Blick in die Ferne schweifen. Die Aussicht war Atemberaubend, ich befand mich fast eine Meile über dem Boden.
Es war der höchste Aussichtspunkt in meinem Schloss und von hier aus konnte ich sogar Arodis sehen.

Die Stadt leuchtete förmlich unter dem Sternenklaren Himmel. Es war die bei weitem größte Stadt im Norden und wohl auch die beliebteste. Das galt jedoch nur für diejenigen, die sich den Luxus den die Stadt versprühte auch leisten konnten.
Die Bewohner feierten nach Lust und Laune, vollkommen blind für den Zerfall der Welt.

Meine Hand krampfte sich um das Geländer und ich wandte das Gesicht ab. Ich war froh das Arodis so weit weg und mein Schloss von einem mächtigen Schutzwall umgeben war. Selbst wenn jemand so hoch war wie ich gerade, würde er meine Behausung kaum erahnen können.

Dort wo ich nun hin sah, herrschte ein ganz anderer Zustand, Meilenweit nur karge Hügellandschaft. Ich kniff die Augen zusammen und verwendete ein wenig Magie um noch ein bisschen weiter sehen zu können.
Im Abstand von vielen Meilen befanden sich kleine Städte und Dörfer. Sie waren meist von Mauern umgeben und würden sicherlich bewacht.

Etwas worum sich Arodis ebenso wenig scherte: Sicherheit.

Ich blickte noch weiter Gen Süden. Die Erde wurde immer dunkler, die Zivilisation immer kleiner. Bis ich schließlich nur noch Trümmer sah. Häuserruinen reihten sich aneinander, Leichen bedeckten den Boden.
Das Bild flackerte und ich löste den Zauber auf, es hatte keinen Zweck ihn aufrecht zu erhalten, ich hatte sowieso keine Möglichkeit etwas an der Situation zu verändern.

Ich reckte das Gesicht zum Himmel, die Schwarzmagier würden kommen, koste es was es wolle, dessen war ich mir sicher.


Wörter: 1194

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⏰ Last updated: Mar 30 ⏰

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