Blaue Stunde

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Ich werfe einen Blick aus dem Fenster

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Ich werfe einen Blick aus dem Fenster. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt, die Sonne ist jedoch noch nicht aufgegangen. Der Himmel weist jenes tiefe, den Augen und dem Gemüt wohltuende Blau auf, welches nur in der ersten Morgendämmerung oder kurz vor dem Einbruch der Nacht erscheint. Diese Zeit wird bei uns die blaue Stunde genannt. Ich liebe diese Himmelsfärbung und jetzt vergleiche ich sie unwillkürlich mit dem grellen, leicht grünlichen Blau aus meinem Traum und an Anemones Händen. Das eine Blau lässt mich erschauern, das andere erfüllt meine Seele mit Frieden. Ich wünschte, ich könnte dieses Himmelsblau mit den Händen greifen und damit den seltsamen Schimmer auf Anemones Haut vertreiben.

Die blaue Stunde bedeutet jedoch, dass wir noch ziemlich viel Zeit haben. Zeit, die ich diesmal anders zu nutzen gedenke als an den bisherigen Tagen. Ich trinke meinen Tee aus, gehe zum Schreibtisch hinüber und entnehme einer Schublade Papier, Kohlestift und Lineal.

Der Tisch vor dem Sofa ist zu niedrig, am Schreibtisch kann nur eine Person bequem sitzen, am Esstisch steht nur ein Armstuhl. Ich greife mir den Schreibtischsessel und ziehe ihn zum Esstisch hinüber. Sofort ist meine emsige Leibmagd an meiner Seite und versucht, mir den Sessel abzunehmen. „Eure Hoheit, das ist doch meine Aufgabe!"

„Das ist doch lächerlich!", protestiere ich. Ich habe die Mägde oftmals mit viel zu schweren Lasten durch die Gänge laufen sehen, aber selbst niemals derartige Aufträge erteilt. „Denkst du, ich bin zu schwach, diesen Sessel zu tragen? Du hingegen würdest dich nur damit abquälen. Ja, ich weiß, ich bin ein Prinz und du eine Paria, falls du das sagen wolltest. Das ändert aber nichts daran, dass ich um einiges größer und kräftiger bin als du."

Anemone senkt folgsam den Kopf. Nicht schnell genug, ich habe sowohl den nach oben zuckenden Mundwinkel als auch das Grübchen gesehen. Seit ich freier mit ihr spreche und es endlich besser schaffe, sie wie einen Menschen und nicht wie eine Puppe zu behandeln, fällt es ihr schwerer, ihre unbewegte Miene beizubehalten. Und je mehr unbewusste Zeichen sie mir gibt, dass meine Worte nicht nur ihre Ohren, sondern auch ihr Gemüt erreichen, umso mutiger werde ich wiederum.

„So!" Ich rücke den Sessel an den Tisch, fasse Anemone an den Schultern und drücke sie auf die Sitzfläche. Sie springt auf der Stelle wieder auf, aber damit habe ich gerechnet und platziere sie erneut auf dem Sessel.

„Sitzenbleiben!"

Oh. Ich glaube, das ist der erste direkte Befehl, den ich ihr erteile. Und das ausgerechnet jetzt, nachdem ich endlich in der Lage bin, mit ihr zu sprechen, ohne dass es herablassend oder anzüglich klingt.

Anemone sinkt etwas in sich zusammen. „Eure Hoheit, ich – ich werde gehorsam sein."

Ich seufze. „Bitte lass dieses dauernde ‚Eure Hoheit'. Ich bin ständig damit beschäftigt, die Hoheit aus deinen Sätzen herauszufiltern, um das zu finden, was du eigentlich sagen willst."

„Ja, Eure Hoheit."

„Du hast mich verstanden?" Ich spreche leichthin, damit es nicht wie ein Tadel klingt und grinse sie an.

Das blaue Leuchten der PariaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt