Kapitel 7: Weiß wie schnee

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Kapitel 7: Weiß wie Schnee

Oyakata-sama stützte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck sein Kinn mit der Hand ab. Er hatte sich während der Erzählung an das Geländer der Brücke gelehnt und schien in die Ferne zu blicken. Yuki räusperte sich - sein Hals war ganz trocken vom vielen Reden.

,,Es tut mir leid, mehr kann ich Euch auch nicht sagen."

,,Unsinn, es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Du hast mir nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet. Verzeih mir, dass ich diese gewiss traumatischen Ereignisse noch einmal in deine Erinnerungen gerufen habe. Ich hoffe, deine Seele wird nun heilen können."

Yuki senkte den Kopf. Die sanften Worte berührten ihn irgendwie. Nun wanderten die blinden Augen zu Kyojuro.

,,Rengoku-kun, auch du hast sehr gut gehandelt. Ich weiß, ich sagte dir das bereits in unserem letzten Gespräch, aber ich möchte noch einmal betonen, wie stolz ich auf dich bin. Du hast den Teufelsjägern und deiner Familie große Ehre gebracht."

Zarte Röte erblühte auf den Wangen des Flammenhaarigen, doch wieder konnte man den Anflug eines Schattens in seinen Augen sehen. Dieser verschwand jedoch sekundenschnell.

,,Danke, Oyakata-sama."

Yuki rieb sich leicht über die Hände. Er hatte nun berichtet, was es zu berichten gab. Die Frage war nun, was jetzt mit ihm geschehen würde.

,,Bitte verzeiht meine Frage, aber was passiert jetzt mit mir, wo ich euch alles gesagt habe, was ich weiß?"

Ein dumpfes Gefühl der Angst erfasste ihn. Was sollte aus ihm werden, wenn die Teufeljäger ihn nun fortschickten?! Wohin sollte er gehen?

,,Natürlich bleibst du bei uns in Sicherheit, Yuki.", sagte Kyojuro entsetzt, ,,Sobald alles verheilt ist, kann ich meinen Vater fragen, ob er bereit ist, dich aufzunehmen. Er wird bestimmt nichts dagegen haben. Und vorerst bleibst du sowieso zur Genesung im Schmetterlingsanwesen."

Der Anführer der Teufelsjäger hatte schweigend zugehört und lächelte nun wieder.

,,Natürlich steht es dir frei, zu tun, was du willst. Aber ich kann dir den Rat geben, zumindest in unserem Umfeld zu bleiben. Es gibt genug Aufgaben, die erledigt werden müssen."üssen. Viele Menschen, die schon mit Teufeln zu tun hatten, werden in Glyzinienhäusern, also sicheren Zufluchtsstätten für Teufelsjäger, beschäftigt. Aber zuerst solltest du wieder völlig zu Kräften kommen."

In diesem Moment näherte sich ihnen eine junge Frau mit weißen Haaren und lilafarbenen Kimono. Sie verbeugte sich leicht.

,,Kagaya-san, die Säulen wollen aufbrechen. Uzui-san wird gleich im Anschluss mit dem Auftrag beginnen, mit dem du ihn beauftragt hast."

Oyakata-sama nickte ihr zu. ,,Ich danke dir, Amane. Ich werde sie natürlich verabschieden."

Sein Blick glitt zu den beiden Jungen. ,,Begleitet mich doch. Dein Vater wird bestimmt auch aufbrechen wollen, Rengoku-kun."

,,Natürlich.", sagte der Flammenhaarige mit gesenktem Kopf. Sie setzten sich in Bewegung und gelangten schließlich wieder auf den Kiesweg zurück. Von Weiten erkannte Yuki bereits Kanae, die mit einigen anderen Personen zusammenstand. Einer von ihnen hatte die gleichen Haare wie Kyojuro. Als sie näher kamen, erschrak der Blauhaarige über den kalten Blick des Mannes, der gerade zu Kanae sagte: ,,Ihr werdet sehen, was euch dieses Selbstmordkommando bringt...", dann schnappte sein Kopf zu Oyakata-sama und den beiden Jungen hinüber.

,,Wir gehen, Kyojuro, sofort!"

Der Blauhaarige sah ein Flackern in Kyojuros Augen, dann straffte er sich. ,,Nein, Vater, ich habe einen Auftrag erteilt bekommen und werde diesem nachgehen. Außerdem möchte ich mich noch in aller Ruhe von Yuki verabschieden."

Wut blitzte in den Augen des Älteren auf. ,,Ohne meine Erlaubnis..."

,,Ich habe die letzte Auswahl bestanden, Vater. Bitte vergib mir, aber ich brauche deine Erlaubnis nicht."

In dem Gesicht des Mannes arbeitete es sichtlich, dann wirbelte er herum und sein weiß - roter Umhang schwang hinter ihm her. ,,Mach doch, was du willst."

Dann ging er mit schnellen Schritten davon. Kanae seufzte leise. ,,Nimm es dir nicht zu Herzen, Rengoku-kun. Ich bin mir sicher, er wird sich bald besinnen."

Kyojuro nickte langsam. ,,Sicher..."

,,Verzeihung, dürfte ich.", meldete sich eine Stimme und die Angesprochenen drehten sich um. Yuki erschrak etwas. Vor ihnen standen ein Mann und ein kleiner Junge. Beide trugen unheimliche, braune Masken, der Junge trug mehrere Schwerter. Sie traten zur Seite und die Beiden passierten sie. Plötzlich stolperte der Junge und die Schwerter fielen auf den Boden, einige rutschten aus den Scheiden. Yuki sah, dass sie allesamt schartig waren.

,,Warte, ich helfe dir.", sagte der Flammenhaarige neben ihm und bückte sich. Er tat es ihm nach und griff nach dem Griff des nächsten Schwerts. Als er diesen umfasste, schoss plötzlich ein Kribbeln durch seinen ganzen Arm. Der Griff fühlte sich warm an. Vor seinen Augen färbte sich das Metall des Schwertes langsam schneeweiß. Mit einem erschreckten Keuchen ließ er es fallen. Das Schwert schlitterte über den Boden und blieb liegen. Kyojuro neben ihm starrte ihn mit riesigen Augen an.

,,Was...was ist das?"

,,Du...du bist bestimmt zum Teufelsjäger, Yuki."

Die Worte klingelten in seinen Augen. Seine Augen flackerten unruhig zwischen dem Schwert mit der weißen Klinge und Kyojuro hin und her. Ihm war warm und die Hand, die den Griff des Schwertes gehalten hatte, kribbelte immer noch leicht.

,,Hey!"

Er sah hoch und begegnete den pupurnen Augen von Tengen, der nun neben Kyojuro hockte.

,,Beruhige deinen Atem."

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er gar nicht richtig Luft bekam, so hektisch atmete er. Er versuchte es, jedoch ohne Erfolg. Er sah die Besorgnis in den Augen des Flammenhaarigen, doch sein Atem wollte einfach nicht ruhiger werden. In diesem Moment begann Tengen zu summen. Es war eine ruhige Melodie, tief und sich wiederholend. Tatsächlich spürte Yuki, wie sich seine Atmung ungewollt auf den Rhythmus der Melodie einstellte und schließlich zur Ruhe kam. Kyojuro starrte Tengen an.

,,Wie hast du das gemacht?"

,,Eine Art autogenes Training. Ist sehr effektiv. Ich bin die Klangsäule, schon vergessen?!"

Der Blauhaarige sog mit tiefen Zügen die Luft ein. Langsam ging es ihm besser. Er hustete ein letztes Mal, dann fragte er: ,,Heißt das jetzt, dass ich kämpfen muss wie ihr?!"

Tengen und Kyojuro tauschten einen Blick. Bevor jedoch einer von ihnen antworten konnte, ging Kanae neben ihnen in die Knie und sagte sanft: ,,Du musst nichts tun, was du nicht willst, Yuki. Komm, es war ziemlich viel für dich heute. Wir sollten aufbrechen."

Noch nie in seinem Leben war Yuki dankbarer für solche Worte gewesen.

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