Geister der Vergangenheit (1)

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"Wow, sieh mal, sehen diese Hanami-Dangos nicht köstlich aus?"

Tsuki deutete aufgeregt auf den Stand, der die bunten Kugeln an Spießen aufgereiht anbot und strahlte mich dabei an wie ein Honigkuchenpferd.

Ich runzelte leicht die Stirn.

"Wirklich jetzt? Du hast gerade eben eine riesige Erdbeer-Bubble-Waffel verdrückt."

Sie sah mich flehend an und schob ihre Unterlippe demonstrativ nach vorn.

"Aber sieh doch, wie gut die aussehen, und sie sind auch gar nicht so groß. Und außerdem sind wir nicht jeden Tag hier, also muss ich diese Gelegenheit doch nutzen. Ich habe extra weniger zum Frühstück gegessen."

Sie presste ihre Hände an einander und setzte ihren unwiderstehlichsten Welpenblick auf. Meine Miene blieb reglos. Erst schleppte sie mich auf dieses Kirschblütenfest in Nakameguru, nur um dann zu erfahren, dass sie ihre Geldbörse zu Hause liegen gelassen hatten, was bedeutete, dass ich auch derjenige war, der an diesem Tag für alle Ausgaben aufkommen musste. Das hatte sie wirklich raffiniert eingefädelt. Dennoch fühlte ich mich ihr gegenüber verpflichtet, besonders nach den zahlreichen Überstunden, die ich in letzter Zeit im Krankenhaus gemacht hatte. Obwohl ich nichts für meinen stressigen Job konnte, nagte doch ein gewisses Schuldgefühl an mir, sie so vernachlässigt zu haben.

"Bitte bitte!", flehte sie weiter und zog dabei drängend an meinem Ärmel. "Ich werde nichts weiter von dir verlangen als das...zumindest heute nicht. Versprochen!"

Sie schnappte meinen Arm und rieb ihren Kopf mehrmals dagegen wie eine liebesbedürftige Katze.

Ich seufzte und schüttelte sie ein wenig ab.

"Na schön, aber dann hör auf wie eine riesige Monsterklette an mir zu kleben."

Sie quietschte haltlos auf und grinste mich dann überschwänglich an.

"Du bist der Beste, Chishi", sie drückte sich fest an meine Brust, "in 10.000 Jahren werden die Geschichtsbücher noch von deiner Großzügigkeit berichten und du wirst bekannt sein, als Chishiya, der Warmherzige."

"Jetzt übertreibst du wirklich", sagte ich und zog meine Geldbörse aus meiner Tasche, um einen 2000 Yen Schein zu zücken. "Hier", ich drückte ihn in Tsukis Hand, "Kauf dir was Schönes, aber gib nicht alles auf einmal aus!"

Sie nickte eifrig.

"Du bis-"

"-ein Samariter, ich weiß.", schnitt ich ihr das Wort ab. "Jetzt geh und hol deinen Süßkram! Ich werd mich in der Zwischenzeit bei den Getränken da drüben anstellen."

Ich zeigte auf den Stand, doch Tsuki war bereits abgeschwirrt und hatte sich in die lange Schlange eingereiht. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte man nur so versessen auf diese klebrigen Plombenzieher sein? Es war mir unbegreiflich.

Ich steuerte den Getränkestand an. Auch dort stand eine riesige Menschentraube an. Man könnte glatt meinen, dass die Leute alle kurz vorm Dehydrieren wären.

Als ich mich am Ende der Reihe angestellt hatte, warf ich einen Blick auf die Angebotstafel, die unter anderem das Foto eines rosafarbenen Kirschblüten-Seccos anpries. Ich erinnerte mich, wie Tsuki vorhin sehnsüchtig einer Gruppe Frauen hinterher geschaut hatte, die dieses Getränk bei sich hatten, als sie an uns vorbeiliefen. Ich warf einen prüfenden Blick in meine Geldbörse und zählte dann das Kleingeld, was noch übrig war. Viel war es allerdings nicht mehr. Tsuki war nicht nur eine übergroße, menschliche Klette, nein, sie war auch ein regelrechter Geldfresser. Doch, wenn ich ehrlich war, war das ein kleines Opfer, wenn ich sie dafür wenigstens glücklich machen konnte.

𝕋𝕙𝕖 ℂ𝕙𝕖𝕤𝕙𝕚𝕣𝕖 ℂ𝕒𝕥'𝕤 𝕊𝕞𝕚𝕝𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt