Kapitel 17

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Jaxon

~ ,,Mom? Dad?“ Mit leisen Schritten schlurfte ich ins Wohnzimmer und ignorierte meinen Bruder, indem ich ihn weder ansprach, noch meine Augen in seine Richtung gleiten ließ. In der Hand hielt ich einen weißen Umschlag, der soeben vom Postboten in den Briefkasten gesteckt wurde. ,,Was hast du da?“ Wollte meine Mutter wissen. Dad schaltete den Fernseher stumm, richtete sich auf und hob eine Braue. Er wirkte heute nicht ganz so betrunken wie die letzten Tage, was ein gutes Zeichen war. Vielleicht nahm er den kalten Entzug, den er sich selbst verordnet hatte, doch ernster als ich glaubte. ,,Das ist der Brief von der Academy“ nuschelte ich nervös und riss ihn mit bebenden Fingern auf. In diesem Umschlag befand sich ein dünnes Stück Papier, welches mein Leben verändern konnte. ,,Vom NYPD?“ Dad wurde hellhörig und ich nickte. Ich hatte mich bei verschiedenen Akademien des Landes beworben, doch die Stelle in New York gehörte mit Abstand zu meinen Favoriten. ,,Na los, mach schon! Lies vor!“ bettelte Mom und ich faltete den Zettel auseinander. Meine Augen überflogen die Worte hastig und ich brachte nur noch ein breites Grinsen zustande, als mir ein ,Herzlichen Glückwunsch, Mr. Wright‘ ins Auge sprang. ,,Ich bin drin“ hauchte ich zuerst und dann mit etwas mehr Nachdruck ,,Ich bin drin! Ich hab’s geschafft! Ich werde Polizist!“

 

Stolz. Noch ein einziges Mal den Stolz meiner Eltern spüren. Ein Lächeln auf ihren Gesichtern sehen, weil ich es ihnen hinein gezaubert hatte. Nicht Henry. Mein Magen drehte sich um, als ich die vergangenen Tage gedanklich Revue passieren ließ. Nicht nur die Sache mit meinem Dad hinkte mir böse nach, auch dass Isabel vor meinen Augen in Tränen ausgebrochen war, hatte tiefe Spuren in meinem Herzen hinterlassen. So, als wäre sie mit Spikes-besetztem Schuhwerk auf ihm herumgetrampelt. Jeder Schluchzer, der ihren Mund verlassen hatte, führte dazu, dass mein Magen sich verkrampfte. Alles in mir zog sich zusammen, wie ein Vakuum. Auch wenn es schon schlimm genug war, die Braunhaarige überhaupt so am Boden zerstört zusehen, war die Tatsache, dass ich Schuld an dieser ganzen Scheiße war, nicht unbedingt besser. Sie hatte Recht. Ich musste dringend lernen meine Konflikte auf normale und legale Weise zu lösen, ohne allen Leuten vor den Kopf zu stoßen, die für mich da sein wollten. Ich würde ihr kein zweites Mal so weh tun. Komme was wolle.

,,Bist du noch anwesend, Bro?“ Die Stimme meines besten Freundes riss mich aus der Trance zurück in die Realität. ,,Hm?“ entfuhr es mir ungeniert und mein Kopf fuhr zu ihm herum. Keine Ahnung wann ich das alkoholfreie Bier in meiner Hand halb ausgetrunken hatte. ,,Das Spiel läuft seit Zehn Minuten und ich habe nicht das Gefühl, dass du bisher auch nur den Bruchteil einer Sekunde gecheckt hast was abgeht“ lachte der Blonde und stopfte sich gleich darauf ein paar Chips in den Mund. Ein reiner Männerabend war mal wieder bitter nötig gewesen, deshalb hatte ich Nick, nach der Sache mit Izzy, gefragt, ob ich am Wochenende vorbeikommen durfte, um mir mit ihm ein Basketballspiel anzusehen. Natürlich willigte er ein. Immerhin war er mein Kumpel. Außerdem sahen wir uns ohnehin viel zu wenig. Was daran liegen mochte, dass er einem Job nachging und ich in den Tag reinlebte und meine Eier schaukelte. ,,Oh“ gab ich bloß kleinlaut zurück und nippte an meinem Flaschenhals. ,,Bei dir ist aber schon alles in Butter, oder?“ - ,,Warum fragst du?“ Jetzt war ich derjenige, der seine Hand in die Chips-Schüssel eintauchte und mir die salzigen Teile in die Futterluke schob. ,,Naja, ich wollte eigentlich nicht so krass direkt sein, aber du siehst ziemlich scheiße aus.“ Autsch. Und sowas nennt sich bester Freund. ,,Danke, Arschloch“ witzelte ich und schlug ihm gegen den Oberarm. ,,Eigentlich müsste ich dich jetzt wegen Angriffs auf einen Beamten festnehmen, aber ich werte das Ganze mal als Notwehr.“ Nicolas zwinkerte und ich verdrehte die Augen, was beinahe dazu führte, dass ich  den Ausgleich meiner Lieblingsmannschaft verpasste. ,,JA!“ jubelte ich und riss die Arme in die Luft. ,,Hast du das gesehen? Richtig starkes Ding!“ Ich stupste Nicolas am Arm und mein Zeigefinger fuchtelte wild vor seinem Gesicht rum, auf den Bildschirm deutend. Durch den abrupten Themenwechsel hatte ich eigentlich gehofft, dass der Blonde seine Sorgen um mich bei Seite schob, doch dem war nicht so. Er reagierte gar nicht darauf, wie unfassbar schön der Ball im Korb gelandet war. Kurz darauf klang ein schrilles Pfeifen durch dein Dolby Surround System welches eine kurze Pause für die Spieler einläutete. In dem Moment, wo die Kiss-Cam das Programm übernahm, sorgte Nick dafür, dass der Ton über seine Sound-Bar verstummte. ,,Jetzt mal ehrlich, Bro. Bist du okay? Du siehst nämlich bei Gott nicht so aus. Bist du drauf? Hast du wieder Drogen genommen?“ Ich wusste es im Grunde riskant war einem Cop von illegalen Aktivitäten zu berichten, doch Nicolas war in diesem Moment nicht Officer Evans sondern just mein bester Freund. Der mich zwar gleich ermahnen und verurteilen, aber nicht fesseln und abführen würde. Also sagte ich ,,Vor ein paar Tagen bin ich rückfällig geworden. Aber es war bloß ein Ausrutscher. Wirklich, Alter.“ - ,,Gut. Was ist passiert? Hat es was mit der Kleinen zutun? Hat sie dich beschissen? Wenn sie eine Schlampe war und dir das Herz gebrochen hat, werde ich sie mir vorknöpfen“ Ich hob eine Braue und schüttelte den Kopf. ,,Sie ist keine Schlampe, klar? Eigentlich ist sie im Moment das Einzige, wofür es sich lohnt aufzustehen. Es war wegen meinem Dad.“ Als Nicolas schmunzelte, fiel es mir schwer diese Reaktion zu deuten. ,,Du magst sie also. Wusste ich’s doch. Freunde“ lachte er und malte Gänsefüßchen in die Luft, was dazu führte, dass ich ihn leider schon wieder schlagen musste und ,,Kann schon sein“ brummelte.

TRUST ME AT THE COUNTRY SIDEDonde viven las historias. Descúbrelo ahora