Kapitel 10

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Die Tage vergingen und so wie Rafael es gesagt hatte, waren wir uns seitdem nicht mehr begegnet. Nach unserem heiklen Aufeinandertreffen war ich relativ fertig gewesen aber nach ein paar Tagen spukten mir dann Details durch den Kopf, die mich von Zeit zu Zeit stutzig werden ließen. Wenn er mich doch aufgrund meines Jobs hatte entführen lassen, warum hatte er mir bei dem Verhör dann so widersprüchliche Fragen gestellt? Wenn all das kein Zufall war, warum also diese Panik? Es wirkte alles so gespielt und als würde er sogar darauf hoffen, die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu ziehen. Das was er mir sagte, das was er seinem Bruder sagte, all das ergab keinen Sinn. Warum Angst vor der Polizei schüren, wenn diese Angst nicht mal ernst gemeint war. 

Er schien keine Angst zu haben, viel mehr schien er etwas von mir oder im Speziellen von der Polizei zu wollen und ich verstand es leider irgendwie nicht. Ich hatte mir vorgenommen sein Vertrauen zu gewinnen, doch war das überhaupt der echte Rafael, den ich zu manipulieren versuchte oder nur ein doppeltes Spiel, welches er spielte. Ich wurde zunehmend verwirrter, weswegen ich mit der Zeit aufhörte darüber nach zu denken. Zumindest fürs Erste. Wie gesagt, die Tage vergingen. Ich bekam regelmäßig Essen und hatte dadurch auch die Möglichkeit, Enrico etwas besser kennen zu lernen. Er war eine recht gesellige Person, weswegen er sehr viel mit mir sprach, wenn auch nur über belanglose Dinge. Wir unterhielten uns viel über aktuelle Themen, wie zum Beispiel was alles so in der Welt passierte. 

Ich schien nicht viel verpasst zu haben, passierte in der Welt doch eh nur das, was sonst auch geschah. Viel Terror und wenig Normalität. Ein Gesprächsthema, welches mich eher nicht so glücklich stimmte. Mit der Zeit kehrte dann auch die Langeweile zurück in meinen Alltag, weswegen ich Enrico darum gebeten hatte, mir irgendetwas zu bringen mit dem ich meine Zeit totschlagen konnte. Er brachte mir netterweise ein Buch, einen Krimi um genauer zu sein. Das Buch erinnerte mich sehr an meine Situation und doch las ich es Tag ein Tag aus, weil ich sonst nichts Besseres zu tun hatte. Eine weitere Woche verging und somit auch das Buch, welches ich mittlerweile zu Ende gelesen hatte. Ich bekam überraschenderweise ein Neues, welches ich genauso wie das andere innerhalb von Tagen verschlungen hatte. Mittlerweile musste ich schon einen Monat in Gefangenschaft leben, was mir mehr unwirklich als real erschien. 

Mit der Zeit ereilte mich dann auch ein Gefühl von Leere und Angst. Angst davor nie wieder nach Hause zurückkehren zu können. Es ergab sich zu meinem Übel auch keine Chance meine Flucht in die Tat umzusetzen und so ertrug ich jeden Tag wie eine kräftige Last auf meinen Schultern. Die Einsamkeit wurde mein ständiger Begleiter, auch wenn Enrico viel und oft das Gespräch mit mir suchte. Um ehrlich zu sein half es nicht. Es half mir nicht von all den schönen Dingen da draußen zu erfahren, wenn ich sie selber gar nicht zu Gesicht bekam. Ich brauchte frische Luft, vor allem da man das Fenster nicht kippen konnte. 

Es war verriegelt, weswegen das Gefühl eingesperrt zu sein nie verging und auch nie für nur einen kurzen Augenblick in den Hintergrund rückte. Meine Gefangenschaft war immer präsent und deswegen fiel es mir auch so schwer Enricos Gesellschaft tatsächlich an zu nehmen, geschweige denn sie zu genießen. Erst vor ein paar Stunden hatte er mir mein Mittagessen gebracht und jetzt wartete ich bereits darauf, dass er wieder kam und mir mein Abendessen brachte. Das Warten war mein Antrieb weiter zu machen. Ich wartete auf meine Chance, einen Zeitpunkt endlich von hier zu verschwinden. Entnervt wendete ich meinen Blick von den Seiten des Buches und pfefferte es wütend in irgendeine Ecke des Raumes. Normalerweise ging ich mit Büchern immer sehr behutsam um, schätzte ich sie doch sehr. 

Doch gerade jetzt war ich einfach nur frustriert. Ich konnte mich kaum mehr konzentrieren, vor allem da es auch so erdrückend schwül in meinem Zimmer war. Man merkte, dass wir Hochsommer hatten, denn der Schweiß auf meiner Stirn sprach Bände. Ich war angespannt, weswegen ich aufstand und damit begann meine täglichen Sportübungen durch zu führen. Eine ebenso begleitende Beschäftigung, mit der ich es immer mal wieder schaffte die Gedanken von Wehmut und Einsamkeit aus meinem Kopf zu bekommen. Ich machte Sit-Ups, Liegestütze, Crunches, einfach alles um mich so gut es ging, aus zu powern. 

Twisted HeartsWhere stories live. Discover now