VII

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Es war eine jener Nächte, in denen der Schmerz und die Trauer fast greifbar waren, wie eine Last, die auf ihren Schultern lag. Jeanne (mitsamt Emilia),Theo und Florence liefen erschöpft und tränenüberflutet nach Hause. Die Dunkelheit verschluckte ihre Schritte, und nur das leise Plätschern des nachlassenden Regens begleitete sie auf ihrem Weg. Jeder Schritt fühlte sich an, als würden sie durch einen zähen Nebel waten, der ihre Seelen umklammerte.

Als sie endlich die Tür hinter sich schlossen, schien die Stille des Hauses die Tiefe ihrer inneren Aufruhr widerzuspiegeln. Jeanne trug Emilia, die in ihren Armen schlaff geworden war, vorsichtig ins Wohnzimmer und legte sie sanftmütig auf die Couch. Ihre Finger zitterten, als sie Emilias nasses Haar aus ihrem Gesicht strich. In diesem Moment wurde Jeanne schmerzlich bewusst, dass sie gegen einen Schwur verstoßen hatte, den sie sich nach dem Tod ihrer Verlobten Aurélie hoch und heilig geschworen hatte: Sie hatte sich geschworen, nie wieder jemanden so nah an sich heranzulassen, um nicht noch einmal diesen unvorstellbaren Schmerz zu erleiden. Es wäre ein Wunder gewesen, hätte  Aurélie den immensen Aufprall mit dem Verkehrsrowdy , der seinen Führerschein offensichtlich in Moskau erworben hatte, wohl kaum überleben können.

Theo und Florence standen etwas abseits. Florence' Stirn war leicht gerunzelt, ihre Augenbrauen in Besorgnis zusammengezogen. Ihre Lippen waren schmal und leicht nach unten gezogen, während sie Jeanne und dann Emilia ansah. Ihre Haltung wirkte verunsichert, die Schultern leicht nach vorne geneigt. Theo hingegen wirkte ernst und etwas steif. Seine Augen waren auf Jeanne gerichtet, und er vermied es, direkt zu Emilia zu sehen. Seine Stirn war leicht in Falten gelegt, und er räusperte sich nervös. Seine Arme hingen locker an den Seiten, und er schien sich unbehaglich zu fühlen. Sie hatten Tante Jeanne noch nie so ohne Fassung vorgefunden. Theo räusperte sich und sagte leise: "Wir sollten uns umziehen, bevor wir krank werden." Jeanne nickte abwesend, ihre Augen immer noch auf Emilia gerichtet. Ich werde gleich krank, wenn ich nicht gleich aus diesem Albtraum erwache.

"Kommt, lasst uns die nassen Sachen ausziehen", sagte sie schließlich und half zuerst Florence, ihre durchnässten Kleider loszuwerden. "Morgen sieht die Welt schon ganz anders aus. Ihr werdet schon sehen." Die Kinder verschwanden in ihren Zimmern, während Jeanne sich selbst rasch umzog und dann zurück ins Wohnzimmer eilte, wo Emilia immer noch regungslos auf der Couch lag.

"Kannst du dich aufsetzen?", fragte Jeanne mit sanftem Lächeln, als sie mit einem trockenen Handtuch zurückkam. Ihre Augen funkelten vor Fürsorge, während sie sich zu Emilia hinunterbeugte. Emilia öffnete langsam die Augen, die noch müde und schwer wirkten, und nickte schwach. Obwohl sie nicht hätte benommener sein können, spürte Emilia, wie ein Sturm aus Gefühlen in ihr tobte, als Jeanne sie sanft – als wäre sie aus Porzellan – aufsetzte und begann, ihre Haare mit größtem Feingefühl zu trocknen. Die Wut auf sich selbst, auf Jeanne und auf die unkontrollierbaren Emotionen, die sie überfluteten, brodelte in ihr wie ein Feuer, das sie zu verschlingen drohte. Jeannes Hände bewegten sich vorsichtig durch Emilias Haare, während sie das Handtuch sanft hin und her rieb. Ihre Berührungen waren tröstend, doch Emilia fühlte sich gefangen in einem Netz aus widersprüchlichen Gefühlen. Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch sie kämpfte dagegen an, entschlossen, ihre Schwäche nicht zu zeigen.

"Warum tust du das?", entfuhr es Emilia schließlich, ihre Stimme brüchig vor Verzweiflung. Sie drehte den Kopf ein wenig zur Seite, um Jeanne direkt anzusehen, ihre Augen funkelten vor unterdrückter Wut und Schmerz. "Warum musstest du mich hierher bringen, zurück in diese Verdammnis?" Jeanne hielt inne, ihre Hände verweilten einen Moment lang regungslos in Emilias Haaren, als ob sie die Last der Worte spürte, die zwischen ihnen hingen. Ihr Gesicht spiegelte Mitgefühl und Schmerz wider, als sie versuchte, die richtigen Worte zu finden. Sie seufzte leise und setzte sich auf ihre Knie, um auf Augenhöhe mit Emilia zu sein, ihre eigene Unsicherheit und Sorge nicht verbergend. Blicke sagen nunmal mehr als tausend Worte. „Es tut mir leid, Emilia. Ich wollte dir nicht wehtun. Ich dachte nur..." Jeanne sprach leise, ihre Stimme voller Bedauern. "Du dachtest was?", unterbrach Emilia scharf, die Tränen der Wut und Enttäuschung in ihren Augen aufsteigend. "Dass alles wieder gut wird, wenn du mich einfach zurückholst? Dass ich vergessen kann, was zwischen uns ist, was du in mir auslöst?" Jeanne spürte den Stich der Worte wie Dolche in ihrem Herzen. Der Zorn in Emilias Stimme brannte wie Feuer. "Ich wollte nur helfen", flüsterte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. Ihre Hände zitterten leicht, als sie das Handtuch fallen ließ. Doch Emilia ließ sich nicht besänftigen. "Helfen?", wiederholte sie bitter. „Indem du mich an den Ort zurückbringst, der mich in den Wahnsinn treibt? Der mir jeden Tag vor Augen hält, was ich verloren habe? Hast du mal daran gedacht, dass ich vielleicht geradezu dazu verführt wurde, hier zu verweilen?" Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, ihre Schultern bebten vor unterdrückten Emotionen. Es war, als ob eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen aufgerichtet worden wäre, eine Barriere aus ungesagten Worten und unausgesprochenen Gefühlen. Worte, die beiden früher oder später zum Verhängnis werden würden. "Bitte...", Jeannes Stimme drückte ein verzweifeltes Flehen aus, während ihre Augen in tiefer Besorgnis verloren schienen. Sie griff nach Emilias Hand, doch diese zog sie hastig zurück, als hätte Jeanne sie verbrannt. Emilia spürte die Worte wie Brandmarkungen auf ihrer Haut, als Jeannes verzweifelte Bitte an ihr Ohr drang. Doch sie konnte nicht zurückweichen, nicht jetzt, wo die Wahrheit wie ein Feuer zwischen ihnen loderte. "Jeanne, wirklich..." Emilia stockte, ihre Stimme brüchig vor den unterdrückten Tränen und dem Schmerz, der sie gefangen hielt. "Ich kann nicht mehr. Jeder Blick, jedes Wort erinnert mich an sie. An alles, was ich verloren habe." Was hatte ich mir auch erhofft. Ihr Gesicht verzog sich vor Qual, und sie wandte den Blick ab, um ihre Tränen zu verbergen. Jeanne schluckte schwer. Sie senkte den Kopf, ihre Schultern sanken erschöpft herab. "Ich verstehe", flüsterte sie leise, doch Emilia konnte die Unsicherheit in ihren Zügen sehen, das Zögern, das sie beide gefangen hielt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 19 ⏰

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Dieses gottverdammte HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt