38 | Goldregen

50 6 2
                                    

Unter Nairobis Führung schafften wir es in Rekordzeit, die verbleibenden Goldbarren aus dem Tresor zu holen und zu kleinen Kügelchen zu schmelzen. Nach meinem letzten Tauchgang tanzte ich im Neoprenanzug durch die Schmelzerei und sang mit Nairobi Lieder, die wir in Argentinien gelernt hatten.

Oben verkündeten Rio und Lissabon die traurige Nachricht von Tokyos Tod an die Demonstranten und die Polizei, also ein Grund mehr, in der Schmelzerei zu bleiben und ein paar Stunden andere Sorgen zu haben.

Nairobi war überglücklich. Neunzig Tonnen Gold waren bereit, die Bank von Spanien endlich zu verlassen und ins Regenüberlaufbecken transportiert zu werden. Zur Feier des Tages versammelten wir uns alle im Keller, um den historischen Moment nicht zu verpassen.

Palermo stoppte die Zeit. Gemeinsam mit Berlin berechnete er ganz genau, wie lange das Gold brauchte. Leider erreichten wir den Professor schon wieder nicht und mussten mit Benjamin in Verbindung bleiben, der das Ruder übernahm. Er sagte nur, dass Mamá abgehauen war und der Professor ihr folgte. Alicia hatte Marseilles Reifen zerschossen, aber ansonsten hatte Benjamin nichts mehr vom Professor gehört. Uns blieb nichts anderes übrig als positiv zu denken.

,,Noch zwei Minuten", verkündete Palermo aufgeregt.

Gespannt starrten wir den Countdown an. Das Geräusch des ablaufenden Wassers aus dem Tresor und das Ächzen der Maschinen waren die einzig anderen Geräusche. Ich war aufgeregt. Alles hing von diesem einen Augenblick ab. Alles. Neunzig Tonnen Gold, fein gemahlen zu winzigen Kügelchen.

,,Es müsste ankommen und zwar... genau jetzt", sagte Palermo.

Wir hielten den Atem an.

Ich sah ihm an, wie sehr er unter der Anspannung litt. Seine jahrelange Leidenschaft, sein Lebenswerk hing hiervon ab. Ich dachte an endlose Planungsphasen mit Berlin, Ideen die wieder verworfen wurden, Stunden voller Zahlen und Rechnungen, Momente der Freude und Momente der Verzweiflung. Palermo war diesen Plan millionenmal durchgegangen.

Benjamins Stimme erklang durch das Funkgerät. ,,Es ist noch nichts angekommen."

Sorge zeichnete sich in den Gesichtern meiner Komplizen ab. Raquel seufzte leise.

,,Vielleicht hast du dich verrechnet", warf Rio vorsichtig in den Raum.

Nein. Ich wusste es besser. Palermo würde die Sache mit dem Gold nicht an einem winzigen Rechenfehler scheitern lassen. Nach allem was wir gemeinsam durchmachten, würde ich eine Niederlage nicht akzeptieren. Nicht nach den Tränen, der Verzweiflung, zahlreichen Schießereien und dem Verlust von Tokyo. Ich glaubte hundertprozentig an Palermo und seine Vision. Ich war fest davon überzeugt, dass dieses eine Mal alles nach Plan lief.

Mein Kopf lehnte an Nairobis Schulter. Unsere Finger waren miteinander verschränkt und ihr Daumen strich sanft über meine Handfläche. ,,Er hat sich nicht verrechnet. Es wird alles gut", sagte sie zuversichtlich und ich war froh, dass Nairobi dasselbe dachte.

Palermo stand kurz vor dem hyperventilieren. Langsam ging er auf die Maschinen zu, mit denen wir die Goldkügelchen ins Überlaufbecken pumpten. Den Mechanismus dahinter verstand ich nicht, aber ich hatte gehört, wie Palermo Nairobi alles im kleinsten Detail erklärte. Er vertraute diesen Maschinen mit ganzem Herzen. ,,Wissenschaft allein reicht nicht. Die Liebe, die dahinter steckt, ist mindestens genauso wichtig. Bitte lass mich nicht im Stich."

Besorgte Blicke wurden ausgetauscht, als Palermo die Maschine streichelte und eine herzzerreißende Rede schwang.

Plötzlich hörten wir Benjamins Stimme aus dem Funkgerät. ,,Das werdet ihr mir nicht glauben! Das Gold ist angekommen und... es ist wunderschön."

Criminal Passion [2] ˡᵃ ᶜᵃˢᵃ ᵈᵉ ᵖᵃᵖᵉˡWhere stories live. Discover now