Epilog: Coffee

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Die Glocke über der Eingangstür des Black Leaves Coffee läutet, als Bird sie mit dem Rücken aufdrückt. In der Bewegung schüttelt er seinen klitschnassen Schirm über der Fußmatte aus und dreht sich, während er ihn zuklappt, in den Raum hinein. Yoongis Hand, die den Putzlappen umklammert, hält auf der Theke inne. Er blickt auf und lacht erschrocken, als er sieht, wie nass sein Chef geworden ist.

Der Aprilschauer kam wie das Meiste im Frühling: super unerwartet. Yoongi hatte nicht mal Zeit, die Außenmarkise einzufahren. Sie wird im Sonnenschein trocknen müssen, von dem er ganz sicher ist, dass sie ihn gleich zurückbekommen. Der Regen vor dem Schaufenster wird schon schwächer. Bird klemmt seinen Mundschutz unters Kinn, verzieht amüsiert das Gesicht und lehnt den nach wie vor tropfenden Schirm an den Metallständer neben der Tür. Sein graues Jackett ist über und über mit dunklen Punkten gesprenkelt. Er zieht es aus, hängt es an die Garderobe und selbst das weiße Hemd, das er darunter trägt, hat etwas abbekommen. Er keucht ein Lachen hervor, als er Yoongis Blick fängt und tupft sich mit dem Ärmel ein paar Regentropfen von der Stirn.

"Alter, was ist das für ein Wetter? Ich schwöre, ich bin nass bis auf die Unterwäsche", lacht er gequält.

"Uhh... Erzähl mir mehr von deiner nassen Unterwäsche", schmunzelt Yoongi und reckt den Kopf ein wenig, damit Bird ihm den Begrüßungskuss auf die Schläfe geben kann, für den er im Vorbeigehen stehen bleibt. 

Mehr als seine Schläfe erwischt er nicht, da auch Yoongi einen Mundschutz trägt. Im Moment sind keine Gäste im Café. Seit einer Woche dürfen sie zwar wieder öffnen, doch die Leute sind nach wie vor vorsichtig.

"Jetzt erzähl schon, wie ist es gelaufen?", fragt Yoongi.

Er ist hier vor Aufregung fast verrückt geworden und hat alle paar Sekunden auf sein Handy geschaut, obwohl er wusste, dass Bird ihm gerade sowieso nicht zurückschreiben kann. Als er dann aus dem Taxi geantwortet hat, dass er gleich da ist und es persönlich erzählen will, ist Yoongis Hoffnung in Gewissheit umgeschlagen. Es gibt kein schöneres Gefühl. Nur die gute Nachricht hätte Bird sich für das persönliche Gespräch aufgespart. Denn wenn man es einmal gelernt hat, dann gibt es nichts Schöneres, als über das zu reden, was einem etwas bedeutet.

"Es war der Hammer... ich übertreibe nicht. Es ist perfekt."

Er holt gerade Luft, um zu einer ausführlicheren Beschreibung auszuholen, doch dann entscheidet er offensichtlich, dass er die Bilder für sich sprechen lassen will. Er legt Yoongi den Arm um die Schulter, als er ihm sein Handy unter die Nase hält und durch die Galerie swiped.

"Wow...", macht Yoongi beeindruckt. Er hat die Bilder in der Anzeige gefühlte tausend Mal durchgeschaut und war dabei schon hellauf begeistert. Doch die Fotos, die Bird vor Ort gemacht hat, vermitteln bereits die Vision, die er für die noch leeren Räume hat.

"Es ist fucking zweistöckig. Auf die Empore kommen dann hauptsächlich Sessel und Sofas für die Gäste, die länger bleiben und arbeiten wollen. Unten machen wir zwei Bars. Ich will eine extra Theke für den Dripping Coffee, damit die Gäste zusehen können, wie er durchläuft. Außerdem haben wir genug Platz für 'ne Kuchenvitrine. Sully - die Freundin, mit der ich das Black Leaves damals gegründet habe - wollte anfangs schon 'ne Collaboration mit einer Konditorei anleiern. Das können wir jetzt endlich machen, spätestens, wenn sie aus der Mutterpause kommt. Ich schwöre dir... Itaewon ist wirklich das Szeneviertel gerade."

"Es ist mega schön... einfach so geräumig und hell...", nickt Yoongi begeistert und streicht über das Display von Birds iPhone, um sich die Fotos nochmal anzusehen, auf denen man sieht, dass sich die Schaufensterscheibe ebenfalls über zwei Etagen erstreckt. Im Prinzip ist das ganze Ladenlokal verglast.

"Ja oder?!", stimmt Bird ihm enthusiastisch zu. "Und das bei dem scheiß Wetter. Stell dir das mal bitte im Abendlicht vor. Der Laden ist Süd-West-Seite. Da kriegen wir den ganzen Tag Sonne. Ich hätte gerne so Hängepflanzen, die wir über die Balustrade ranken lassen. Kannst du mal Namjoon anhauen, was da in Frage kommt?"

"Klar, der wird sich freuen, wenn er sich da austoben kann. Er hat jetzt nämlich Pflanzen-Kauf-Verbot für unsere Wohnung. Es ist einfach kein Platz mehr. Weißt du noch, wie das Wohnzimmer aussah, als du letztes Mal da warst? Er hat noch 6 neue gekauft seitdem. Seit letzter Woche. Sechs! Eine davon ist ein verdammter Gummibaum, der jetzt halb vor dem Fernseher steht. Ich schwöre, das Ding ist so groß wie ich."

"Oh shit", lacht Bird amüsiert. Er erinnert sich in diesem Moment sicherlich an den kleinen Fight, den Namjoon und Yoongi an dem Abend hatten, weil Yoongi sich darüber beschwert hat, dass er mittlerweile mit einer Machete zum Klo muss, um durch die Hängepflanzen im Flur zu kommen.

"Ich seh's schon kommen. Wenn du sagst, dass du welche brauchst, fängt er direkt an, Ableger von unseren zu ziehen... Weil das gilt ja dann nicht als neu kaufen..."

Für einige Sekunden starrt Yoongi verdrießlich vor sich hin, bis er sich darauf zurückbesinnt, worüber sie eigentlich gerade sprechen. Seine Miene hellt sich binnen Sekunden wieder auf, als ihm bewusst wird, wie entschlossen alles klang, was Bird gesagt hat.

"Bist du denn schon sicher, dass du den Laden nimmst? Bis wann musst du dich bei dem Makler melden? Also wie lange hast du Zeit, dich zu entscheiden?"

"Ich unterschreibe morgen früh den Mietvertrag", lächelt Bird dieses "war doch klar, oder?" Lächeln. Das letzte Mal hat Yoongi es gesehen, als er Bird gefragt hat, ob er ihm verzeihen kann.

Yoongi fällt Bird mit einem gepressten "Herzlichen Glückwunsch" in die Arme. Die Hälfte des Ausrufs wird von Birds Halsbeuge verschluckt, in der Yoongis maskiertes Gesicht landet. Für eine Weile wiegen sie sich Arm in Arm hin und her. Bird lässt als erster los und als Yoongi zurücktritt und ihn ansieht, liegt da plötzlich eine unerwartete Betretenheit in der Miene des Älteren.

"Nur einen Haken hat die ganze Sache... ", seufzt er schwermütig.

"Was denn? Meinst du, es ist doch zu riskant, jetzt während Corona zu expandieren?"

"Nee... ich seh in der aktuellen Situation immer noch große Chancen. Aber jetzt, wo ich den zweiten Laden aufbaue, werde ich besonders am Anfang die meiste Zeit in Itaewon vor Ort sein müssen... Das bedeutet, dass ich jetzt schnellstens 'nen stellvertretenden Chef für den Laden hier in Hongdae finden muss..."

"Oh verstehe... klar. Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht. Aber das sollte doch kein großes Problem sein, oder? Kann mir vorstellen, dass durch Corona viele kleinere Läden in absehbarer Zeit pleite machen. Und dann gibt es doch sicher viele Barista, die was Neues suchen. Mach vielleicht einfach mal 'nen Aufruf auf Insta... auf deinem privaten und dem Black Leaves Account."

Bird sieht ihn wenig begeistert an.

"Meinst du echt, dass ich mein Baby hier irgendeinem Wildfremden überlasse?"

Erst hält Yoongi Birds Miene wirklich für gekränkt, bis er den Spott in seinen feuerbraunen Augen erkennt. Er steht etwas auf dem Schlauch, weiß wirklich nicht genau, was sein Chef jetzt von ihm erwartet.

"Kennst du niemanden aus der Barista Szene, der für dich passen würde? Ich bin mir sicher, wenn du jemandem den Job anbieten würdest, könntest du ihn auch abwerben..."

"Yoongi", unterbricht Bird ihn nüchtern. Er neigt den Kopf und hebt die Augenbrauen, um ihn dramatisch anzustarren. Doch es braucht noch eine Kopfnuss und ein provokatives Augenrollen seinerseits, bis Yoongi sich endlich traut, zu glauben, was er gerade denkt.

"Du willst, dass ich dich solange hier vertrete?", fragt er baff.

"Ich will, dass du der Chef dieser Filiale wirst, Yoongi."

Die Regenwolken sind aufgerissen. Ein breiter Lichtstreifen fällt ins Schaufenster und landet auf der Eckbank, auf der Yoongi vor nicht ganz einem halben Jahr eine sehr unbequeme Nacht verbracht hat. Er dachte, die Worte, die in dieser Nacht hinter der Theke dieses Cafés ausgetauscht wurden, wären der Wendepunkt gewesen. Doch ein Wendepunkt ist niemals ein Punkt. Was sie in den frühen Morgenstunden im November hier besprochen haben, hat so manche Veränderung hinter sich her gezogen. Yoongi ist seitdem viele Treppenstufen hinaufgestiegen. Und nun... so scheint es... ist er oben angekommen.

"Aber ich hab die Schule doch noch lange nicht fertig... was damit wird, steht sicher noch länger in den Sternen", flüstert Yoongi benommen.

"Dass eine weltweite Pandemie dafür sorgt, dass die letzten Wochen kein Präsenzunterricht stattfinden konnte, ist wohl nicht deine Schuld. Ich hab dich bis zum Lockdown jeden Tag hingehen sehen. Und ich weiß, dass du den Abschluss machen wirst, wenn sich alles wieder etwas normalisiert hat. Es ging mir niemals um ein Stück Papier als Nachweis. Sondern um deine Entscheidung, was zu verändern. Und die hast du vor einem halben Jahr getroffen und seitdem nicht mehr angezweifelt."

Yoongi lächelt verlegen hinunter auf das Putztuch in seiner Hand. Er ist in diesem Moment ganz froh, dass die Maske seine Mimik versteckt.

"Aber auch die Therapie... Sie meinte ja, dass sie auf jeden Fall noch eine Verlängerung vorschlägt, wenn ich durch bin."

"Ja, das ist auch gut so... Ich meine, ihr habt doch erst im Februar wirklich angefangen, über deine Vergangenheit zu reden. Vorher waren die akuten Themen wie Drogen und Jungkook vermissen doch erstmal wichtiger..."

"Ja... aber du hast gesagt, ich kann erst bei dir anfangen, wenn ich einen Schulabschluss und 'ne fertige Therapie vorweisen kann. Und trotzdem hast du mir den Aushilfsjob schon direkt nach dem Entzug im Dezember gegeben..."

Er drückt auf dem Putztuch herum und starrt dabei auf das Kaffeebohnen-Tattoo auf seinem Handrücken.

"Ja... und bis auf das eine Mal, wo du die Mandelentzündung im Januar hattest, hast du kein einziges Mal gefehlt. Ich hab in jeder deiner Therapiestunden daneben gesessen, deine Worte übersetzt und von Woche zu Woche gesehen, wie du wächst, Yoongi. Wie gesagt... da brauche ich dann kein Stück Papier mehr."

Bird faltet die Arme vor der Brust.

"Wieso schon im Dezember?", macht Yoongi deutlicher, dass es eine Frage sein sollte. Es bedeutet ihm sehr viel. Und er will jetzt darüber reden.

"Weil du nichts erreichen musst, bevor du Hilfe verdienst. Ich wusste, wie sehr dir die Anstellung helfen würde, Struktur in deinen Alltag zu kriegen. Letztendlich war das die nötige Motivation, die anderen Aufgaben wie Schule und Therapie durchzuziehen. Ich hab dir einmal einen Vertrauensvorschuss gegeben und du hast mich nicht enttäuscht. Deswegen sehe ich jetzt kein Problem darin, dir nochmal einen zu geben. Wie sieht's aus...? Übernimmst du das Black Leaves?"

Yoongi zieht seinen Mundschutz unters Kinn. Er versucht, zu lächeln, doch in seinen Augen schwimmen Tränen. Trotzdem nickt er fest entschlossen. Bird lacht ein bisschen vor sich hin und wischt Yoongi mit dem Daumen am Augenwinkel entlang. Der schmale Goldring berührt ihn an der Wange. Yoongi schiebt seine Hand verlegen weg. Die Haut auf seinem Kinn zieht sich ein bisschen zusammen und seine Nasenflügel blähen sich auf. Genervt wirft er den Kopf in den Nacken, damit die Tränen zurückfließen und lässt sich von Bird auslachen. Und schließlich bricht auch er in Gelächter statt in Tränen aus. Bird stößt ihn gegen die Schulter und als Yoongi seinen Blick fängt, bemerkt er, dass auch Bird ziemlich nasse Augen hat. Bird schüttelt über sich selbst den Kopf und versucht, wieder sachlich zu werden.

"Jetzt komm... kein Grund zu heulen. Reine Business Entscheidung. Das Black Leaves wird jetzt ein Franchise. Die dritte Filiale in Seoul kommt noch, aber spätestens dann möchte ich nach Busan expandieren. Ich möchte daraus eine Marke machen, die die Leute mit 'nem safe-space verbinden. Und den sollten sie in jeder Großstadt finden."

Er lässt Yoongi Zeit zu antworten, doch der ist immer noch zu sehr damit beschäftigt, die Tränen zu unterdrücken. Bird schnaubt und legt den Arm um ihn, reibt ihm über die Schulter.

"Mensch, Bro... Das überrascht dich jetzt nicht echt so, oder? Das war doch schon klar, als ich angefangen habe, mich nach der neuen Filiale umzusehen... Ich möchte, dass du Teil von diesem Unternehmen wirst. Du kannst dir selbst überlegen in welchem Rahmen. Ob es dir reicht, deinen eigenen kleinen Laden hier in Hongdae zu führen. Oder ob du vielleicht zusammen mit mir ins Marketing einsteigen willst. Das überlasse ich dir... Ich denke, du verstehst mein Konzept... Und deine Meinung wäre mir bei vielen Entscheidungen extrem wichtig. Wenn wir es richtig angehen, können wir aus der Kette einen landesweiten Meeting Spot für LGBTQ+ Personen und ihre Freunde machen."

Yoongi pfeffert den Putzlappen auf die Theke, lässt den Kopf kreisen und sieht Bird mit weinenden Augen und lachendem Herzen an.

"Jetzt übertreib halt..."

Bird erwidert sein Lachen.

"Wenn man in einem nicht bescheiden sein sollte, dann im Ziele setzen... Wäre doch 'ne schöne Sache, oder? Könnte diesem Land hier doch nicht schaden... Aber das ist natürlich noch Zukunftsmusik. Ein Schritt nach dem anderen. Ich will vor allen Dingen nicht, dass du dich hier übernimmst. Natürlich haben Schule und deine Gesundheit immer noch oberste Prio, auch wenn du den Laden übernimmst. Du müsstest auf keinen Fall mehr machen als jetzt. Ich meine, meine Aufgaben hast du ja die letzten Wochen eh schon fast alle gerockt, als ich wie der allerletzte Zombie in der Ecke saß und Immobilienanzeigen durchforstet habe... Nur kannst du auf die Dauer nicht alles alleine machen. Wir würden dir auf jeden Fall dann eine Aushilfe einstellen, die dir bei den Aufgaben hilft, die du bisher übernommen hast. Falls du da jemanden hast, der die Stelle gerne hätte, lass es mich wissen. Wichtig ist mir, dass du gut mit der Person kannst... Es ist dann schließlich dein Angestellter."

Yoongi hat das Bedürfnis, sich zu setzen, doch es gibt hinter der Theke nunmal keinen Stuhl. Er löst das Problem, indem er sich erneut in Birds Arme fallen lässt. Der Barista fängt ihn, denn für einen kurzen Augenblick sind wohl weder er noch Yoongi sicher, ob Yoongi nicht vielleicht wirklich die Beine wegknicken.

"Du wolltest doch unbedingt deinen Namen an der Fensterscheibe sehen, oder nicht?", murmelt Bird belustigt. "Kannst ja meinen gleich schon mal abkratzen, wenn du Bock hast."

Seine tätowierten Hände stützen Yoongi und wie so oft spürt er den Goldring zwischen seinen eigenen Fingern. Das hat Minzy also gemeint, als sie an Yoongis Geburtstag letzten Monat gesagt hat, dass er im April noch eine Überraschung kriegen wird. Bird hält Yoongi an den Schultern fest, als er sich langsam aus der Umarmung löst und blickt ihm prüfend ins Gesicht. Erst, als er feststellt, dass der anfängliche Schock inzwischen einem hemmungslos verlegenen Lächeln gewichen ist, lässt er ihn ganz los.

"Mach jetzt erstmal Pause auf den Schreck. Ich zieh mir eben die Schürze über, dann lös ich dich ab."

Er kneift Yoongi freundschaftlich in die Seite und verschwindet anschließend im Hinterzimmer, weil er offenbar spürt, dass er einen Moment für sich braucht. Für ein paar Sekunden stützt Yoongi die Ellbogen auf die Theke und drückt sich die Finger an die Schläfen. Wartet kurz ab, ob die Tränen, die ihm immer noch im Hals stecken, doch wieder hochkommen. Aber es passiert nichts. Er ist einfach nur glücklich. Diese große Art von glücklich. In der du schwimmst. Das Schwimmbecken ist schon lange nicht mehr leer.

Schließlich streckt er sich nach dem Putzlappen, den er eben weggeschmissen hat. Er wird da weitermachen, wo er aufgehört hat, als Bird ins Café gekommen ist. Denn dafür ist er hier. Für die kleinen Momente. Die Tasse Kaffee vor Schichtbeginn. Die Theke langsam sauber werden zu sehen. Den ein oder anderen Plausch mit Stammgästen und seine Lieblingssongs, die er über den Bluetooth Lautsprecher abspielen darf. Er hebt die Vase mit dem Winterjasmin-Zweig an und wischt unter ihr hindurch. Andächtig sieht er auf die dunkle Spur, die sein Schwammtuch auf dem Holz hinterlässt.

"Soll ich dir 'nen Americano mitmachen?", fragt Bird, als er aus dem Hinterzimmer tritt und sich die Bänder seiner Schürze im Rücken zu bindet.

*

Yoongi tritt vor die Eingangstür, zieht sich den Mundschutz unters Kinn und klemmt sich die Zigarette zwischen die Lippen. Die Sonne bricht sich in den dicken Regentropfen, die einer nach dem anderen von der gelben Markise fallen. Wie erwartet ist sie schnell zurückgekommen. Yoongi lächelt nickend vor sich hin, als er sein weißes Feuerzeug an die Spitze seiner Kippe hält. Es ist nach wie vor weiß. Er hat nichts drauf geschrieben. Die Zukunft ist eine weiße Leinwand. Du musst dich nicht jetzt auf einen Satz festlegen. Es geht immer irgendwie weiter. Asche mag unsere reinste Form sein. Doch es ist noch nicht Zeit für diese Form. Er wird seinen eigenen Weg finden. Den von Lil Peep muss er nicht gehen.

Yoongi nimmt einen tiefen Zug und lehnt sich an die Fensterscheibe des Cafés. Er ist dabei, ganz mit dem Rauchen aufzuhören. Aber für jemanden, der im November einen so heftigen Rückfall hatte, was harte Drogen angeht, ist es wohl durchaus eine Errungenschaft, seinen Nikotinkonsum auf eine Kippe in der Pause und eine nach der Arbeit verringert zu haben. Yoongi ist zufrieden mit seinem Fortschritt. Den Rest wird er auch noch schaffen. Aber man darf auch schon stolz auf sich sein, bevor man einen bestimmten Punkt auf seinem Heilungsweg erreicht hat. Jeder Schritt ist ein Etappensieg. Eine Stufe weiter auf dem Weg nach oben.

Yoongi holt sein Handy aus der Bauchtasche seiner Schürze und lächelt, als er die neue Nachricht von Jungkook sieht. Er hat seit ein paar Wochen sein Handy wieder. Die Rehabilitationsklinik in Japan, in die er Anfang des Jahres für eine dreimonatige Therapie gewechselt ist, war während der Eingewöhnungsphase ziemlich streng, was die Nutzung von Mobiltelefonen angeht. Sowieso haben sie während der letzten Monate vergleichsweise wenig voneinander gehört. 

Scream harder, NovemberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt