2 tension

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Evelyns POV:

Sein warmer Atem strich beruhigend meinen Nacken entlang und stellte mir jedes einzelne Härchen auf. Unweigerlich zuckte ich zusammen und lehnte mich leicht an ihn, bis mir wieder bewusst wurde, was gerade geschehen war. Vor nur knapp 3 Minuten bin ich dem Tod um eine Haaresbreite entflohen und jetzt lag ich hier in den Armen meines Beinahe-Mörders. Blut schoss durch meine Glieder und ich richtete mich wieder schnur straks kerzengerade auf, nicht ohne ein zwei Mal ins Schwanken zu geraten.

"Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?" Besorgt beäugte er mein Gesicht und ich blickte erstarrt in die schönsten Augen, die ich je gesehen hatte. Er war nicht viel größer als ich und zudem war er toll gekleidet. Durch sein durchnässtes Hemd konnte ich eindeutig die Umrisse mehrerer oder sollte ich doch lieber sagen "eines" Tattoos sehen. Es war wohl so eine Art Gesamtkunstwerk. An seiner Lippe prangte ein Piercing, das den Regen auffing und ihn schließlich über seine Lippen verstreichen ließ. Immer noch blickte er besorgt auf mich herab, während aus seinen sorgfältig aufgestellten Haaren jede Menge kleiner Wasserfälle tropften. Es fiel mir schwer meine Stimme wiederzufinden, aber ich konnte ihn ja nicht ewig auf die Folter spannen.

"Ja, mir ..-" Ich musste mich kurz räuspern, da sich mein Mund plötzlich so trocken und staubig anfühlte. Wie ich dieses Gefühl hasste. Es war genauso, als hätte ich heute einen City-Marathon durch New York gelaufen und das gleich zwei Mal. Jetzt war ich kurz vorm Verdursten, obwohl von allen Seiten Wasser auf mich zukam. Es regente ja schließlich. "Mir ist nichts passiert." "Bist du sicher? Ist ja nicht so, dass du jeden Tag von einem Auto erwischt wirst", druckste er vorsichtig herum und beäugte mich mehr als nur skeptisch. "Außerdem hab ich dich nicht gerade gestreift." Nun hatte er endgültig ein schlechtes Gewissen und ich spielte die Situation in meinem Kopf noch einmal durch, was sich als ziemlich schwierig gestaltete.

Ich war so durch den Wind gekommen, dass ich vom Denken Kopfschmerzen bekam. Na das konnte ja eine tolle Mathematik-Stunde werden .. MATHE! Verdammt! "Ich muss los!", rief ich plötzlich aus, pflückte meine durchnässte Tasche vom Boden und rannte wieder los. Ich hatte wohl nichts dazu gelernt! Hör auf zu rennen, du Idiot! Langsam bremste ich wieder ab und drehte mich zu ihm um, um noch etwas zu sagen, als er mich unterbrach. "Soll ich dich mitnehmen? Ich bin dir was schuldig!"

Völlig baff von seinem Vorschlag, fiel mir meine Tasche erneut zu Boden und ich sammelte langsam und mit zittrigen Händen wieder alles ein, als mir zwei weitere Griffel zur Hilfe kamen. Zaghaft lächelnd blickte ich zu dem Jungen auf und verstaute den ganzen Krempel wieder in der Tasche. "Dankesehr." Er nickte nur leicht und zuckte mit den Schultern. Dann hob er die Tasche auf und blieb vor mir stehen. Ich wollte sie gerade entgegennehmen, als mir auffiel, dass er sie mir nicht geben wollte. Er umklammerte sie zwar nicht fest, machte aber keine Anstalten mir das Ding auszuhändigen. "Ich muss jetzt wirklich los", drängte ich und griff nach dem Gurt der Tasche, konnte mich aber gegen seinen Widerstand nicht behaupten. "Steig ein, ich fahre!"

Liams POV:

Sie folgte mir stumm zum Auto. Ich saß bereits in dem Wagen und hatte ihre Tasche auf den Rücksitz gelegt, sonst würde sie wohl nie antanzen. Ihr Seufzer entging mir nicht, als sie sich widerwillig neben mir auf den Beifahrersitz sinken ließ und damit ihre Kapitulation zum Ausdruck brachte.

"Saint-Thomas-High School", murmelte sie kurz und diktierte mir die Adresse. Nickend merkte ich mir den Namen der Schule und fuhr dann los, bog aber links ab. Sofort sträubte sich das Mädchen und funkelte mich aufgebracht an. "Du musst rechts fahren!" Ihre Nerven lagen wohl wirklich blank. "Beruhig dich, Milly..", murmelte ich entspannt. "Ich heiße Evelyn! Eve-lyn!" Ein leises Lachen entkam mir, als sie bemerkte, dass das eine Masche gewesen war um ihren Namen zu erfahren. Ich war ja nicht blöd. "Jetzt hab dich nicht so", murmelte ich kurz, als sie die Hände vor ihrer Brust verschränkte und ihren Blick wie gebannt auf den Regen außerhalb der Fensterscheibe heftete. Um ehrlich zu sein, wussten wir beide, dass sie uns etwas vormachte. Immerhin hatte ich nicht zum ersten Mal jemanden auf irgendeine Weise gekränkt oder sogar beleidigt.

What about you, Liam?Where stories live. Discover now