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Claire 

Eigentlich sollte ich mich freuen, aus dem Krankenhaus entlassen zu werden und wieder nach Hause zu können, doch stattdessen graute es mir davor, wieder zurück zu müssen. Und das zurecht. Es herrschte Eiseskälte zwischen allen, und dieses Mal konnte ich nicht behaupten, der  neutrale Punkt in der Mitte zu sein, der sich aus Streitereien heraushielt und versuchte, die wogen zu glätten. Nein, dieses Mal war ich Teil des Eises. Es war, als würden nur Leyna und ich  in dem viel zu großen Haus leben, in dem man die Abwesenheit der anderen sofort bemerkte. Eric kam nur zum Schlafen nach Hause, und wenn ich ihm doch mal versehentlich über den Weg lief, nickte er mir bloß zu und verschwand schnell wieder. Ich konnte nicht einmal ein Wort mit ihm wechseln, so schnell war er wieder verschwunden. Es war wie ein Dejavu, das sich wiederholte. Nur wusste ich dieses Mal nicht, was zwischen ihm und Leyna vorgefallen war, während sie am Wochenende gemeinsam in dem Sportcamp waren. Leyna sprach nicht darüber und Josh konnte ich nicht fragen. Noah war ständig bei Jake, Said oder bei seinen anderen zwei Freunden, und an diese Information kam ich auch erst, nachdem ich Leyna gefühlt hunderte Male gefragt hatte, ob sie nicht Said unauffällig ausfragen könnte, wo Noah denn sein könnte. Ich musste mir ständig über ihn Gedanken machen, seitdem ich wusste, was er wusste. Und wo Josh war, wusste keiner. Er hatte sich nach unserem Gespräch im Krankenhaus nicht mehr Blicken lassen, und auch das machte mir zu schaffen. Zuhause war er nicht gewesen, und falls doch, hatte Leyna nichts davon mitbekommen. Da seine Sachen alle noch an Ort und Stelle waren, und nicht mit ihm verschwunden waren, ging ich davon aus, dass seine Flucht ganz spontan war. Er war nach dem Streit abgehauen, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Somit konnte ich die Wogen zwischen uns genauso wenig glätten, wie mich bei ihm entschuldigen konnte. Schließlich war ich diejenige gewesen, die sich in die Streiterei der beiden eingemischt hatte, und vielleicht interpretierte ich auch einfach zu viel in die Sache hinein. Er war trotz der Lüge immer noch mein Freund. Und jetzt, wo er nicht da war, merkte ich, wie sehr er mir fehlte.  Er ging nicht ans Handy, wenn Leyna versuchte, ihn zu erreichen, und ich hatte sogar schon überlegt Petra zu fragen, doch ich verwarf den Gedanken schnell wieder, nachdem ich mir in den Kopf rief, wie genervt sie gewesen war, als sie mich aus dem Krankenhaus abgeholt hatte. Sie hatte sich über die Rechnung aufgeregt, die sie selbst nicht einmal zahlen musste, und den Kopf darüber geschüttelt, wie unverantwortungslos wir doch alle waren und wieso es so schwer für uns war, einfach mal keinen Ärger zu machen. Als ich dann in Tränen ausgebrochen war, hatte sie schockiert zu mir herüber geguckt und war dann zu Dünken Donuts gefahren um mir einen Kaffee und einen Donut zu holen. Allein wegen des Anblicks ihrer schockiert aufgerissenen Augen, hatte es sich gelohnt sich in einem Wald zu verirren, hinzufallen und ins Krankenhaus gebracht zu werden. Nur um dann zu enthüllen, das Noah mehr wusste, als ich zunächst gedacht hatte und den größten Streit, den ich jemals hatte, soweit ich mich erinnern konnte, vom Zaum zu brechen und Josh zu verjagen. Alles in einem konnte man sagen, in meinem Leben ging es zu, wie in einem Irrenhaus.


Noah

In Said Wohnung war es wie in einem Irrenhaus. Jake redete pausenlos über die ultimative Party, die sie vorbereiten sollten, und lief dabei ziellos im Zimmer umher, während Said laut Musik spielte, um Jakes Gerede zu übertönen. Nur, dass Said dabei gleichzeitig versuchte, mit Leyna zu telefonieren, und sie zu verstehen, viel ihm nicht sonderlich leicht, bei dieser Lautstärke. Sie alle hatten Wallys spezielle Brownies gegessen, und waren über alle maße am durchdrehen. Nur Antony schaffte es, zu schlafen wie ein Stein, und sich durch nichts daran stören zu lassen. "Noah?", unterbrach mich die laute Stimme von Said, und ich schaute auf. "Ja?,  rief ich genauso laut zurück, da winkte er mich zu sich. Ich lief ihm hinterher, hinaus bis in die Küche, in der es wenigstens ein bisschen leiser war. "Ich habe mit Leyna telefoniert", sagte er. "Yeah, war kaum zu überhören." "Sie machen sich Sorgen um dich, alter." Ich biss die Zähne zusammen und zuckte desinteressiert mit der Schulter. "Sonst macht sich auch niemand Sorgen um mich, wieso dann jetzt?" Said rollte bloß mit den Augen. "Tu jetzt nicht einen auf arrogant vor mir, ich weiß doch, dass da irgendwas vorgefallen ist. Und das ist auch nicht meine Angelegenheit." "Und was soll ich deiner Meinung nach machen, Said?" Said zuckte nur mit der Schulter während er den Kühlschrank öffnete und sich eine Cola herausnahm. "Klär das." Jetzt war es an mir die Augen zu verdrehen. Wenn das so einfach wäre.


Claire

Ich kam gerade, nur in einem Handtuch eingewickelt, aus der Dusche, als plötzlich Noah vor mir im Flur stand und mich mit hochgezogener Augenbraue musterte. "Nette Begrüßung", meinte er und grinste. Ich merkte sofort, dass ich rot anlief. "Was machst du hier?!" fragte ich, nachdem ich mich wieder gefangen hatte. "Ich wohne hier", antwortete er gelassen. "Kam mir aber die letzten Tage nicht so vor", fauchte ich und er fing an zu lachen. "Was ist los, kleine Claire? Hast du mich etwa vermisst?" Noch röter, als ich schon war, konnte man nicht werden. Er musste viel Zeit mit Jake verbracht haben, denn, kleine Claire, war sein Mantra für mich. "Nein, hab ich nicht", funkelte ich ihn an. "Und jetzt will ich mir was anziehen gehen, okey!?" "Du musst mich nicht um Erlaubnis bitten." Er lachte und natürlich war es kein nett gemeintes Lachen. Es war ein provozierendes, arrogantes Lacheln, das mich über alle Maßen aus dem Konzept brachte. "War auch nicht meine Absicht." sagte ich aufgebracht und stampfte wütend an ihm vorbei. Kurz bevor ich ins Zimmer ging, schaute ich noch über die Schulter und rief "Hau jetzt aber nicht wieder ab, verstanden?"


Noah

Es brauchte nur diese wenigen Sekunden mit Claire, um meine ganze, mühsam aufgebaute Mauer, zum Einsturz zu bringen. Sie war so süß, wenn sie sich aufregte, und wie sie jedes Mal rot wurde, wenn ihr etwas peinlich war. Irgendetwas hatte sie einfach an sich, das mir den Kopf verdrehte, und mich nicht mehr ganz klar denken ließ. Ich ging in mein Zimmer, legte mich auf auf das Bett und starrte an die Decke. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, herzukommen, nachdem ich bei Said den Brownie gegessen hatte. "Noah! Wo bist du? Wenn du wieder abgehauen bist, bring ich dich um!" Sofort richtete ich mich auf. Claire lief wütend den Flur entlang und riss mit voller Wucht meine Zimmertür auf. "Oh, hier bist du", Sie stand kleinlaut im Türrahmen und zupfte am Ärmel ihres Pullovers. "Du kannst reinkommen, wenn du versprichst, mich nicht umzubringen", sagte ich und sie verdrehte die Augen. Dann kam sie ins Zimmer. "Hab dich gesucht und dachte, du bist wieder weg." "Keine Sorge, Prinzessin, wenn du sagst, ich soll bleiben, dann bleibe ich." Sie sah mich verwirrt an, und mir war bewusst, dass sie nicht genau wusste, ob ich das sarkastisch meinte oder nicht. Vielleicht sprach da auch der Brownie aus mir, aber das musste sie ja nicht wissen. "Wie auch immer", fuhr sie fort. "Könntest du mir vielleicht mal erklären, warum du einfach abgehauen bist, ohne dich zu melden?" Was sollte man dazu schon groß sagen? Sie seufzte und setzte sich vor mich auf das Bett. "Ich hab mir Sorgen gemacht." Wieso? Wieso machte sie sich Sorgen um mich? "Ich verstehe das alles nicht, Noah." "Was verstehst du nicht?" fragte ich, und sie erzählte zuerst zögernd, und dann ganz aufgebracht von ihrem Gespräch mit Josh, als es sie im Krankenhaus besucht hatte. Ich war nicht überrascht über seine Reaktion, doch trotzdem versetzte sie mir einen stich. "Was soll ich dir dazu noch sagen?" fragte ich monoton und versuchte nicht zu zeigen, wie nah mir ihr Gespräch mit Josh tatsächlich ging. "Warum hast du es mir nicht einfach gesagt?", wollte sie wissen. "Das du dabei warst?" Sie zog die Ärmel über ihre Hände und sah mir nicht in die Augen. "Ich weiß es nicht", sagte ich. "Ich hätte nicht gedacht, das es wichtig ist." Ich stand auf. Das Bett quietschte durch den Gewichtsverlust. "Gehst du jetzt wieder und kommst nicht zurück?" fragte Claire dann. "Keine Ahnung", antwortete ich, und als ich Im Flur stand hörte ich sie noch leise flüstern. "Du scheinst anscheinend auch nicht besonders viel zu wissen." Und dann ging ich wieder.

Lost in a Perfect NightmareWhere stories live. Discover now