Kapitel 16

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„Eine Erklärung schuldest du mir allerdings noch: Wie hast du es damals eigentlich fertig gebracht, das am Leben bleiben?", Sherlock musterte sein Gegenüber mit einem kalten Blick. „Du kennst mich, Sherlock! Ich bin wie du: Einfach nicht kaputt zu kriegen: Wenn du einen Sprung vom Dach eines Hochhauses überlebst, wieso sollte ich dann mit so einer kleinen Kugel im Kopf nicht überleben?", der Consulting Criminal grinste Sherlock frech an. „Aber mal im Ernst", fuhr Moriarty fort: „Wenn du Leute hast, die dir helfen, zu verschwinden, und das so gut, dass selbst John glaubt, du wärst tot, wieso sollte ich nicht eben genau solche Leute auch auf meiner Seite haben?", „Ich habe dein Netzwerk ausgelöscht.", erwiderte Sherlock kühl. Moriarty lachte hell auf: „Du glaubst, das wäre alles gewesen? Du glaubst, ich würde mich so leicht besiegen lassen? Oh Sherlock, ich hatte dich für so viel klüger gehalten! Der Teil meines Netzwerkes, über den dein Bruder und seine lächerliche Armee aus parfümierten Anzugaffen informiert waren, war nur ein Bruchteil, ein winziger Splitter meiner unglaublich gut strukturierten Organisation des kriminellen Consultings! Wenn ihr wüsstet, was sich in London und im ganzen Rest der Welt abspielt, ohne dass ihr auch nur die leiseste Ahnung davon habt, was meine Leute und ich tun!" Er lachte sein typisches, unheimliches Psychopathen-Lachen. Sherlock wusste nicht, ob Moriarty jetzt die Wahrheit sprach oder lediglich bluffte, um ihn einzuschüchtern, aber er sah befriedigt auf die kleinen, glänzenden Schweißperlen, die sich auf Moriartys Stirn zu bilden begannen.

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Die Stimmung in dem kleinen Polizeiwagen war bedrückt. Jeder der vier Insassen war übermüdet, verängstigt und angespannt und jeder einzelne von ihnen schwelgte stumm in seinen finsteren Gedanken, während sie sich trotz Blaulicht nur stockend und langsam durch die überfüllten Straßen Londons quetschten. Gedanklich waren sie sich selbst und ihrem Dienstwagen einige Kilometer voraus im leerstehenden Gebäude der Alan-Turing-Secondary School. Mehrere mögliche Szenarien spielten sich in ihren Köpfen ab, eines besorgniserregender als das andere. Keiner von ihnen wagte es, über das zu sprechen, was sie eventuell dort erwarten würde.

Sogar Sergeant Donavan, die neben DI Lestrade auf dem Beifahrersitz saß, drehte sich der Magen um, als sie vor ihrem inneren Auge einen toten Sherlock sah. Sie konnte den Consulting Detective nicht ausstehen, sie gestand es sich zwar nicht ein, aber innerlich beneidete sie ihn für seine unglaubliche Intelligenz und seine kriminalistische Kompetenz, von der sie und ihre Kollegen bei Scotland Yard nur träumen konnten, jedoch besorgte die Möglichkeit, dass er jetzt vielleicht wirklich tot sein könnte, sie zutiefst. Sie hatten schon einmal 2 Jahre auf ihn verzichten müssen und die Vorstellung der vielen Fehler, die sie in dieser Zeit gemacht hatten verursachte ihr noch heute Kopfschmerzen. So schwer es für sie auch war, es zu zugeben: Sie waren auf diesen Freak angewiesen, so traurig das auch sein mochte.

Auch Mollys Gedanken drehten sich in diesem Moment nur um einen Namen: Sherlock. Ihr Sherlock. Sie hatte so lange gewartet, so viel gelitten, oft auch unter seinem rücksichtslosen Verhalten, aber sie hatte ihn immer geliebt. Immer hatte sie sich nach ihm gesehnt und gerade jetzt, wo ihr Wunsch endlich in Erfüllung zu gehen schien, war sie zugleich auch so kurz davor, ihn für immer zu verlieren. Sie hatte geglaubt, dieser kurze Moment des Zweifelns seinerseits, sei vorübergehend gewesen, sie hatte geglaubt ihn überzeugt zu haben, dass Moriartys Angebot nur auszuschlagen gewesen wäre, dass dies der einzig richtige Weg sei. Aber anscheinend hatte sie versagt. Jetzt war er fort, vermutlich in den Fängen des einen Mannes dessen Boshaftigkeit und Rücksichtslosigkeit sie am eigenen Leib hatte erfahren müssen, ausgerechnet er hatte jetzt über das Leben oder Sterben von Sherlock zu entscheiden. Mühsam hielt Molly die Tränen zurück, die aus ihren braun-grünen Augen zu fließen drohten, als sie durch die regennasse Fensterscheibe hinaus auf die Straße blickte.

Die wohl trübsten Gedanken kreisten in Johns Kopf umher, der neben Molly auf der Rückbank des Polizeiwagens saß. Er drohte die drei wichtigsten Menschen, die er am meisten von allen auf dieser Welt liebte, an ein und denselben teuflischen Mann zu verlieren, an den er schon mehrfach selbst beinahe sein Leben verloren hatte. Moriarty hatte seine Tochter entführt, seinen besten Freund zu sich gelockt und was er mit seiner Frau gemacht hatte, wusste John nicht, aber sie ging nicht an ihr Handy und als sie daraufhin eine Streife in die Wohnungen 221 und 221b Baker Street geschickt hatten, waren diese mit aufgebrochenen Türen und leer aufgefunden worden.

Sherlock FF - Tick, Tack, Boom!Where stories live. Discover now