Drei

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Die Tage vergingen. Tage voller Leere. Tag an denen ich nicht wusste, was ich eigentlich mit mir anfangen sollte . 

Er kam lange nicht wieder und irgendwann wartete ich auch nicht mehr auf ihn. Ich füllte meine Tage mit dem Nichtstun und meinen Kopf mit viel zu vielen Gedanken. Gedanken über das Leben und mein Leben, Gedanken über die Anderen, über mich, über meine tote Freundin und vorallem Gedanken über ihn. 

Etwas an ihm, so wenig ich ihn auch kannte, hatte irgendetwas in mir verändert, bewegt, ins Rollen gebracht. Doch soviel ich auch darüber nachdachte, ich kam nicht darauf. Ich fühlte mich anders, irgendwie normaler als sonst und zwei Seiten in mir waren sich nicht einig darüber, ob das gut oder schlecht war. 

Und irgendwann stand ich von der Wiese auf, auch weil es mittlerweile Herbst geworden war, hauptsächlich aber, weil die eine Seite in mir, die das ganze für gut hieß und ihn sehen wollte, siegte und mich zu ihm trieb. 

Ich wusste nicht wohin, also ging ich einfach, hoffend in die richtige Richtung zu laufen. Nicht oft war ich in unserer Stadt herumspaziert. Zu viele Leute, zu viel Lärm, zu viel Gestank.

Ich liebte die Ruhe und das Alleinsein, da war ich in irgendwelchen Bars, Kaffees oder Clubs noch nie gut aufgehoben und bekam eher Beklemmungen und Panikattacken, als dass es mir gefiel. Auch deswegen hatte ich wohl keine Freunde, Menschen mieden mich und ich sie.

Eine Weile später kam ich in einen Stadtteil an den ich mich zu erinnern glaubte. Ein oder zwei mal war ich kurz bei ihr zu Besuch, bevor sie starb. Ich sah mich langsam um und da fiel es mir in den Blick: Ihr blaues Fahrrad. Ich hatte ihn gefunden. Ein Gefühl, das ich nicht kannte, durchströmte meinen Körper und ich war kurz davor wieder umzudrehen und nach Hause zu gehen. Ich ging also zur Haustüre und bevor ich klopfen konnte drehte ich mich um und wollte gehen, ich hätte es wirklich gemacht, wäre er nicht im selben Moment aus der Haustüre gekommen und beinahe über mich drüber gestolpert. "Emma.", sagte er verwundert und blieb wie angewurzelt stehen. "Was machst du denn hier?" Ich bekam kein Wort heraus, nicht, dass es wunderlich war, dass ich nicht sprach. Mich wunderte es, dass ich sprechen wollte aber nicht konnte. Ich schluckte zweimal tief, zählte innerlich bis drei und sah ihm in seine tiefblauen, wartenden Augen. Sie hatte recht, mit der Farbe Blau. Blau war wunderschön, atemberaubend, faszinierend. Blau, blau, blau.

"Emma?", fragte er wieder. "Irgendwann musst du mit mir reden." Ich schluckte wieder. "War in der Nähe.", stotterte ich herum. Er nickte nur grinsend und so blieben wir stehen. Solange, bis er mir sanft zu bedeuten gab, dass er eigentlich gerade weg wollte. "Ich war gerade am Weg..zum Grab.", sagte er leise. Er musterte mich fragend und ich nickte nur und folgte ihm wortlos. 

Es war das erste Mal, seit der Verabschiedung. Dazwischen war ich nie am Grab. Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Magen breit und Bilder von ihren in Blut getunkten blonden Haaren schossen mir wie Blitze durch den Kopf. Wir standen da, ganz still und trauerten miteinander für uns alleine. Ich weiß nicht wie lange.

Dann nahm er vorsichtig meine Hand und das war der größte Trost, der mir gespendet werden konnte.


EmmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt