Kapitel 13

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»Der Drache ist also ein Mädchen?« Marlon konnte das Grinsen nicht unterdrücken. Deshalb war sie wohl auch kleiner und schmächtiger als Brak'dag Monsa – und schöner. Bei genauerer Betrachtung erkannte man tatsächlich weibliche Züge. Ihre Schnauze war bei weitem nicht so breit und lief eher spitz zu und die Augen schienen mandelförmiger und schmaler.

»Ob männlich oder weiblich spielt doch keine Rolle. Sie ist nicht weniger gefährlich«, keifte Fynn und klammerte sich an Marlons Bein, um ihn wegzuzerren, aber ihm fehlte jede dazu notwendige Kraft.

»Wie heißt sie?« Marlon ging ein paar Schritte um sie herum. Allein das Wissen, dass es sich um ein Mädchen handelte, veränderte seine komplette Sichtweise. Wenn es sich so verhielt, wie bei Menschen, waren Frauen ohnehin weniger kampflustig und blutrünstig – zumindest bis auf Hilda. Vielleicht war sie deshalb geflohen.

»Brak'dag Norja«, seufzte Fynn und schaute sie ehrfürchtig an. »Die Menschen nennen sie Andalie.«

Als habe sie ihn gehört, reagierte sie auf den Namen. Sie zuckte kurz und schnaubte durch die Nüstern, bevor sie langsam die Augen öffnete.

Marlon wich gleich einen Schritt zurück. Er wollte sie mit seiner Anwesenheit nicht erschrecken. Er hob beschwichtigend die Hände. Sie sollte nicht glauben, er wolle sie angreifen.

Andalie bemerkte ihn sofort und hievte sich schnell vom Boden auf. Sie machte ebenfalls einige Schritte rückwärts und zeigte wieder diesen ängstlichen Gesichtsausdruck. Ihre weit aufgerissenen Augen beunruhigten Marlon. Er wollte nicht, dass sie sich vor ihm fürchtete. Er würde ihr doch niemals etwas tun.

Lange starrte sie ihn an, bis sie sich umsah. Sie erwartete bestimmt noch weitere Menschen, die ihr hier auflauerten.

»Ich bin allein«, gab Marlon ihr zu verstehen und hoffte, sie mit seinem Tonfall ein bisschen zu beruhigen. »Niemand will dir was tun.« Er zeigte ihr seine leeren Hände, und als sie merkte, dass er tatsächlich keine Waffe trug, entspannte sie sich ein wenig. Die Angst wich aus ihrem Gesicht und stattdessen kannte man jetzt den Ärger deutlich heraus.

»Warum habt ihr ihn hergeführt?«, zischte sie und richtete sich an die Schmetterlinge. Marlon blinzelte ungläubig. Ihm war nicht aufgefallen, wann sie erschienen waren. Sie flatterten fröhlich um Andalie herum, ihre Farbe glich der des Himmels und machte sie dadurch fast unsichtbar..

»Er ist ein Drache«, kicherten einige gleichzeitig und nun schien auch Fynn sie zu hören. Er starrte sie entsetzt an, dabei sollte er am besten von allen wissen, dass sprechende Tiere im Bereich des Möglichen lagen. Marlon dagegen konzentrierte sich eher auf die Stimme des Drachen. Sie war tief, aber auch sehr weiblich und trotz ihrer Verärgerung weich.

»Es ist ein Mensch«, brüllte sie die Schmetterlinge an und schaute dann wieder auf Marlon, als wollte sie sich vergewissern, dass es sich tatsächlich nicht um einen Drachen handelte.

Auch er war unschlüssig, was die Behauptung der Falter bedeutete. Nur weil er das Drachenmal trug, war er doch noch lange keiner von ihnen.

Andalie fletschte die Zähne. Selbst wenn sie somit probierte, furchteinflößend zu sein, musste Marlon schmunzeln.

Fynn klammerte sich an sein Bein und versuchte ihn dazu zu bringen, mit dem Lachen aufzuhören. »Sie wird uns töten«, flüsterte er durch die zusammengebissenen Zähne, aber Marlon verlor seine Gelassenheit kein bisschen.

»Du solltest uns vertrauen, Norja. Wer immer auch vor dir steht, er ist kein Mensch«, kicherten die Schmetterlinge und surrten fröhlich durch die Luft um ihren Kopf. Sie versuchte, sie mit ihren Pranken zu erfassen, doch dann ließ sie sich keuchend auf den Boden fallen. Sie krümmte sich vor Schmerzen zusammen und umschlang mit den Vorderpfoten ihren Körper. Ihr Kopf fiel ins Gras und sie atmete schwer.

Der GezeichneteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt