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Gleich müsste Juli kommen. Die halbe Stunde ist zwar schon um, aber sie kann ja nicht genau auf die Sekunde kommen. Ich freue mich richtig darauf, sie wieder zu sehen. Ihre grünen Augen und diese langen, blonden Haare. Wer würde bei diesem Anblick nicht dahin schmelzen? Ich könnte glatt sage, dass ich mich wirklich in sie verliebt habe...

Das Klingeln der Haustür reißt mich aus meinen Gedanken. Ich springe von meinem Stuhl auf und renne nach Unten. Ich öffne die Tür und ein breites Lächeln erscheint auf meinem Gesicht, als ich Juli vor mir sehe. Sie trägt eine Hotpan, einen dunkelroten Pullover und ihre schwarzen Chuks. Verdammt, sie sieht so heiß aus!

"Hi!" begrüße ich sie voller Freude und öffne meine Arme. Warum fühlt es sich so an, als hätten wir uns Jahre nicht mehr gesehen? Aber jedenfalls ist die Umarmung wie jedes Mal einfach nur unglaublich.

Nachdem wir uns begrüßt haben, gehen wir hoch in mein Zimmer. "Also, weshalb ich dich zu mir gerufen habe. Ich verstehe kein bisschen von dem Zeug, dass wir in Englisch lernen müsse, beziehungsweise ich noch lernen muss, weil ich sie nachschreiben muss."
"Bist du deshalb nicht in die Schule gekommen?" Sie schaut mir tief in die Augen. Das macht sie immer, wenn sie sich nicht sicher ist, ob ich lüge. Aber irgendwie ist dieser Blick schon sexy. Kein Wunder, dass ich dann immer - jedoch ungewollt - die Wahrheit sage.
"Ja, also, ähm, nein..." beginne ich stotternd. "Also ich war gestern wieder feiern...und...ähm..." Mehr brauchte ich anscheinend nicht zu sagen.

Sie rollte mit ihren Augen und Atmet schwer aus. "Nicht schon wieder, Alex! Du weißt, dass ich es hasse, wenn du dich betrinkst, weil es dich zerstört..."

Na toll gemacht, Alex! Jetzt ist sie wieder enttäuscht und sauer. Und sie weiß wovon sie redet: Ihr Bruder, Harry, hatt sich auch immer wieder betrunken, hat geraucht und Drogen genommen. Es hat ihn immer mehr zerstört, bis es letztendlich zu spät war und er an allem zerbrochen ist. Er ist erst seit einem Jahr tot, aber Juli hat es schnell hinter sich gebracht. Seit Harry mit dem Rauchen angefangen hatte, hatten die beiden keine gute Beziehung mehr.

Ich könnte es mir überhaupt nicht vorstellen, wie es ohne meinen Bruder wäre. Er ist inzwischen alles für mich. Nicht nur weil ich ihm ein einigermaßen "normales" Leben zu verdanken habe, sondern auch weil er eine Art Ersatz für meine Eltern ist. Ich hab ihn einfach lieb!

"Ok..." holt mich Juli aus meinen Gedanken. "Ich werde dir helfen. Aber nur weil ich dich so lieb hab." Als ich diesen Satz gehört habe, macht mein Herz kleine Freudensprünge.

Ich öffne meine Arme und reiße sie in eine Umarmung. "Danke..." sage ich und lasse sie los. Und schon vermisse ich ihre Wärme. "Du weißt gar nicht, dass du mir mein Leben damit rettest."

"O-ok. Also, was verstehst du denn nicht?" "Ähm... alles...?"

Juli seufzt und setzt sich auf mein Bett. "Das kann ja 'ne lange Nacht werden."

Nacht? Wer hat etwas von Nacht gesagt? Wir haben gerade erst einmal 13:37! Juli hat wahrscheinlich meinen verwirrten Blick gesehen: "Wenn du alles nicht verstanden hast, dann müssen wir auch in die Nacht arbeiten. Und ich denke, es ist kein Problem. Oder?"

Sie steht von meinem Bett auf und kommt immer näher auf mich zu. Sie macht es mir wirklich schwer und anscheinend will sie wirklich bei mir schlafen. Also warum nicht.

"Ähm..j-ja klar, warum nicht." "Super!" Sie freut sich anscheinend: Sie umarmt mich und springt herum. Das ist das erste mal, dass sie bei mir übernachtet.

Als Juli sich wieder einkriegt, steht sie wieder vor mir und streift sich ihre Haare hinter ihr Ohr. "Ähm... sorry..." Sie schämt sich, ihre Wangen werden rot. Ein grinsen erscheint auf meinen Lippen. Als sie zu mir hoch sieht und entdeckt, dass ich grinse, muss sie auch grinsen. Sie soll sich nicht für das schämen, was sie ist. Sie soll sich bei mir zuhause fühlen. So wie ich bei ihr.

Ihr grinsen verschwindet wieder als sie anfängt, über Englisch zu reden. Ich werde auch wieder ernst. Aber solange ich mit Juli lerne, ist es mir scheißegal.
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Ich öffne langsam meine Augen und versuche die Uhrzeit zu erkennen. 5:12 Uhr. In einer Stunde und 33 Minuten muss ich aufstehen. Ich und Juli waren gestern bis 22 Uhr wach. Wir haben die ganze Zeit gelernt, bis wir dann gemerkt haben, dass ich heute die Arbeit gar nicht schreiben kann, morgen haben wir kein Englisch und am Freitag Vertretung. Das bedeutet, ich kann die Englischarbeit erst nächste Woche schreiben.

Als wir das gemerkt haben, sind wir sofort schlafen gegangen.

Erst jetzt bemerke ich, dass Juli in meinen Armen liegt. Sie ist noch am schlafen, ich wecke sie lieber nicht. Ich versuche, meinen Arm, der unter ihr liegt, wegzuziehen. Ich bewege mich ganz langsam und brauche einige Sekunden, bis ich mich auf meinen Rücken legen kann.

Ich atme tief ein und aus. Mein Herz bleibt stehen, als ich merke, dass Juli sich zu mir dreht und ihren Arm auf meinen Bauch legt. Mein Herz fängt an, immer schneller zu schlagen. Ich glaube... ich habe mich wirklich in Juli verliebt...

Ich will das aber nicht! Sie wird sich doch niemals in mich verlieben! Obwohl... so wie sie sich in letzter Zeit verhält... Und wenn ich so überlege, würde es viel Sinn ergeben, dass ich lesbisch bin. Ich fand Frauen beziehungsweise Mädchen immer attraktiver als das männliche Geschlecht. Aber darüber kann ich mir auch später noch Gedanken machen.

Julis Hand wandert immer höher zu meiner Brust. Sie zieht sie schnell wieder weg. Ich schaue ihr in die Augen und sehe,dass sie wieder beschämt ist."T-tschuldigung
..." flüstert sie. "N-nicht schlimm!" sage ich und meine es auch so. Ich liebe es, wenn sie mich berührt. An der berührten Stelle kribbelt es dann immer.

Sie legt ihren Kopf in meinen Nacken und legt ihre Arme um meinen Körper. Ich kann ihren heißen Atem spüren. Ich fühle mich so wohl bei ihr. Im Moment habe ich einfach nur das Verlangen, sie zu küssen... aber ich traue mich nicht.

Wir liegen die restliche Zeit in dieser Position, bis Toby in mein Zimmer platzt.

"Heute gehst du aber in die..." er kann seinen Satz schon wieder nicht beenden. Er sieht Juli einfach nur verwirrt an. "Ähm... Alex... kann ich mal mit dir reden? Alleine!" Erst nach ein paar Sekunden merkt Juli, dass Toby damit meinte, dass sie rausgehen soll. Sie steht auf und schaut noch ein letztes mal zu mir zurück.

Ich springe aus meinem Bett und strecke mich. "Was sollte das denn?" beginnt Toby. "Warum hat sie in deinem Bett geschlafen? Bist du etwa... und ihr seit..." Er will die Wörter anscheinend gar nicht aussprechen. Ist es ihm peinlich, oder was?

"N-nein! S-sie hat einfach nur bei mir übernachtet! Wir haben für Englisch gelernt! Naja, also ich und sie hat mir geholfen. Sonst nichts, ok?"

Er schaut mich schon wieder mit seinem Blick an. Ich will es ihm einfach nicht sagen. Ich kann es nicht. Ich bin mir ja noch nicht einmal sicher, ob ich wirklich lesbisch bin.

"O-ok, dann mach dich schnell fertig, du musst bald in die Schule." Er verlässt schnell wieder mein Zimmer. Als Juli und ich wieder alleine sind beginnt sie mir sofort Fragen zu stellen.

"Ist nicht so wichtig. Wir müssen uns fertig machen, ansonsten kommen wir zu spät zur Schule." Was rede ich da? Bin das wirklich ich?

Ich weiß, dass sie merkt, dass etwas nicht stimmt, aber sie fragt nicht weiter nach.

"Ähm, hast du vielleicht Klamotten für mich... ich will nicht den Pullover tragen, mit dem ich geschlafen hab."
"Ja, klar." antworte ich und reiche ihr ein schwarzes Top aus meinem Kleiderschrank.

Nachdem wir uns fertig gemacht haben, fahren wir gemeinsam zur Schule. Das war meine beste Nacht seit langer Zeit. Ich kann es nicht verleugnen. Ich liebe sie!


Can you love me?|girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt