Neun

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Mehrere Tage oder sogar Wochen. Ehrlich gesagt habe ich gar nicht nachgezählt. Ich weiss nicht, wie lange ich mich hier im Gefängnis befinde. Niemand besuchte mich. Natürlich nicht. Das ist bei den Hochverbrechern nicht erlaubt. Vor allem nicht bei mir, haben sie gesagt, da ich mehrere Regeln missachtet habe. Mehrere harmlose Regeln. Aber natürlich sieht das System das Ganze aus einer anderen Sicht. Ich würde nur Unruhe und Unwohl unter den Menschen verbreiten. Das kann den Mitmenschen negativ ausfallen und sie schädigen. Fast hätte ich ironisch aufgelacht, als mir der Wächter dieses Gesetzt aufsagte. Ich konnte mich gerade noch beherrschen. Möchte nicht wissen wie es sonst herausgekommen wäre. Bestimmt schrecklich. Warum kümmert es mir das auch nur. Mir ist es wirklich egal, was das System nun mit mir anstellt. Mein letztes Ein und Alles habe ich schon verloren. Mehr habe ich nicht zu Verlieren. Niemand würde auch nur ein klein bisschen über mich bescheren. Warum soll das jemand tun. Ich bin nun nichts anders mehr, ausser einem kleinen Häufchen Elend, das wartet zu ihrer Familie zurückzukehren.

Ich habe nicht den ganzen Prozess meiner Schwester angeschaut, was für das System schon heisst, dass ich eine Regel gebrochen habe. Nur das ist noch nicht alles. Ich habe mich in der Öffentlichkeit unangemessen verhalten, was den Mitmenschen zu Unwohlsein geführt hat. Ebenfalls wurde ich gewalttätig und asozial gegenüber andere Menschen, was der Hauptgrund ist, dass ich nun zu den Hochverbrechern gehöre.

Die zweite Minderjährige jemals in der Unterwelt, die zu den Gefährlichsten gehört. Was für ein Schwachsinn. Ich kichere leise vor mich hin. Nun ist mir vollkommen bewusst, wie scheisse das System eigentlich ist. Vor einigen Monaten habe ich das ganz anders betrachtet. Aber jetzt! Jetzt sehe ich die abscheuliche Wahrheit des Systems.

Ein Klimpern lässt mich darauf hinweisen, dass das Mittagessen gebracht wird. Ich drehe mich auf der harten Pritsche auf die Seite und blicke zum schmalen Spalt an der Wand am Boden. Gleich davor befindet sich eine Plastikschüssel mit dem hässlichsten Brei darin. So etwas Ekliges habe ich noch nie gehabt.

Ich drehe mich wieder auf den Rücken und schaue die Decke an. Hunger habe ich nicht. Lust, so oder so nicht. Also habe ich keinen Grund aufzustehen. Das einzige, was ich momentan möchte ist, dass die Zeit schneller vergeht. Wieder ertönt ein Klimpern, das eher nach einem Klicken anhört. Ich blicke mich zu Seite und erkenne, dass ein Wächter den Raum betritt. Er kommt direkt auf mich zu, packt ohne etwas zu sagen an meinem Oberarm und führt mich aus dem Raum. Überrascht stolpere ich seinem schnellen Schritttempo nach. Werde ich jetzt schon hingerichtet? Der Verbannungstag kann unmöglich schon jetzt sein!

Der Wächter führt mich durch verschiedene Gänge und Lifte, bis wir vor einer schlichten Türe stehen. Das kann nicht der Weg an die Oberfläche sein, denke ich mir und blicke verwirrt zum Mann hoch, der ohne mich zu beachten die Türe aufreisst und mich grob herein stösst. Stolpernd falle ich auf den kalten Boden und drehe mich wütend zum Wächter um. Er jedoch ignoriert mich eiskalt und schliesst die Türe mit einem Knall zu. Ich beseitige mein Haar, das ins Gesicht gefallen ist und blicke durch den Raum. Es ist ziemlich düster hier. Nur ein kleines Glühbirnchen flackert an der Decke. Mehr kann ich hier nicht finden. Warum bin ich hierhin geschickt worden? Wird man hier für die Verbannung vorbereitet? Das scheint für mich nicht wahr.

Ich reibe an meinen schmerzenden Knien und ziehe mein schwarzes Kleid zurecht. Ein dumpfes Geräusch lässt mein Kopf in dieser Richtung schellen. Angespannt halte ich meinen Atem an und lausche. Wieder höre ich das Geräusch. Als würde jemand mit schweren Schritten langsam auf mich zurückkommen. Alarmiert stehe ich auf und schaue in die Dunkelheit, woher die Schritten kommen.

„Du brauchst keine Angst vor mir zu haben", ertönt eine vertrauliche Stimme und ein Mensch kam zum Hervorschein. Auch wenn ich sein Gesicht nicht sehe, da es im Schatten liegt, weiss ich, dass Elias vor mir steht.

REVELATION | Wenn die Wahrheit ans Licht kommt...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt