Prolog

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"Mrs. Lima, Ihre Mutter entschuldigt Sie vom Unterricht, Sie können gehen", ruft mein Lehrer in die Klasse und schaut mich an. Mein Blick liegt auf der Tür, wo meine Mutter steht. Verwirrt packe ich meine Sachen rasch ein, verabschiede mich von Ana und verlasse den Klassenraum. "Mum, was ist los, ich schreibe gleich Englisch?", frage ich neugierig und starre sie erwartend an. "Süße, wir müssen nochmal zum Arzt. Du weißt, es gab keine wirklichen Ergebnisse bei deinen letzen Tests, aber heute will der Doktor einen letzen Test durchführen und endgültig ein Ergebnis bringen. Es ist nichts schlimmes, aber es ist ihm wichtig, deswegen müssen wir uns jetzt beeilen, Honey. Okay?", erklärt sie mir ruhig. Ich schlucke und sage stotternd: "Mum, er hat gesagt, dass ich nichts habe und jetzt will er, dass ich nochmal untersucht werde? Was ist, wenn ich-", doch meine Mum unterbricht mich: "Nein, Ärzte gehen nun mal sicher und jetzt komm, Tay!" Ich werde von meiner Mutter weggezogen, während sie durch den Gang stöckelt und meine Gedanken fliegen herum. Was ist, wenn ich eine Krankheit habe?

"Guten Tag, Mrs. Lima, hallo Taylor. Entschuldigt bitte, dass wir euch her gerufen haben, aber wir müssen einen letzen Test durchführen, um das Ergebnis eintragen zu können. Die Diagnose steht zwar schon fest, allerdings gibt es ungewöhnliche Probleme mit der Klinik. Sie meinen, dass etwas an deiner Lunge nicht stimmt und wir wollen ihnen nun das Gegenteil beweisen. Bist du startklar?", fragt mich Dr. Wayne mit seiner weichen Stimme. "Ja", sage ich kurzatmig und huste kurz, bevor ich mich entschuldige. Ich bemerke, wie meine Mutter mit Dr. Wayne einen schnellen Blick austauscht, aber ignoriere es. Was ist hier los?! Schnell lege ich die gesamte Bekleidung meines Oberkörpers aus und setze mich grade auf die Untersuchungsliege. "Gut, tief ein und aus atmen, dann können wir beginnen", sagt der Doktor, wie immer und ich gehorche. Während ich gleichmäßig atme, betrachtet der Arzt meine Atmung genau und tastet dann mein Thorax ab und hört meinem Atem an. Danach trägt er etwas in sein Klemmbrett ein und setzt sich wieder hin. "Also, bei der Inspektion ist nichts aufgefallen, bei der Perkussion des Thorax ebenfalls nicht, allerdings sind mir diesmal ungleichmäßige Atemgeräusche und einige Fehler bei der Palpation des Thorax aufgefallen. Da das ein kleines Problem seien könnte, bitte ich Sie hierzubleiben, ich hole einen Facharzt im Bereich der Lunge, in Ordnung?" Ich nicke knapp und schaue meine Mutter nervös an. "Mummy, was ist hier los?" Ich merke, wie meine Mum versucht Tränen zurückzuhalten und plötzlich rollt mir ebenfalls eine Träne über die Wande. "Mum, rede mit mir!", schluchze ich. Meine Mum kommt zu mir und legt ihre Hand auf meine, bevor sie antwortet: "Süße, es könnte sein, dass du einen Tumor in der Lunge hast. Es tut mir so leid, wir versuchen alles um das zu verhindern, bitte weine nicht." Ich schaue sie schockiert an und fange augenblicklich an stumm zu weinen. Ich lege meinen Kopf auf die Brust meiner Mutter und umarme sie. "Schatz, es tut mir leid", schluchzt meine Mum, doch ich antworte kurz: "Mummy, noch ist nichts klar und falls es so sein muss... es ist okay."

"Hallo, ich bin Doktor Coin, Fachärztin im Bereich Lunge und Gehirn. Du bist Taylor, richtig?", stellt sich eine blonde, freundlichaussehende Frau vor. Ich gebe ihr die Hand und sage zögerlich: "Ja, genau die bin ich." Sie lächelt mir aufmunternd zu und widmet sich anschließend Dr. Wayne. "Wo liegt das Problem, Rick?", fragt sie sanft. "Beim Zentralen Atemgeräusch habe ich sehr gedämpfte, unregelmäßige Geräusche gehört und auch bei der Palpation habe ich in der Nähe des Rippenfells, sowie am Pleuraspalt Fehler gefunden. Ich würde diese Fehler Druckstellen nennen, also könnten es Tumoren sein. Aber ich bin mir nicht hundertprozentig sicher. Es könnte auch gutartiger Tumor sein, aber das ist ja, wie Sie wissen, sehr selten", erklärt er. Ich lausche dem Gespräch schockiert und warte auf ein Ergebnis. "Was Sie da reden ist wahrscheinlich zum größten Teil Schwachsinn. Das muss ich mir selbt anschauen", sagt die Frau stur und führt die gesamte Untersuchung erneut durch. "Gut. Nein, gar nicht gut. Alle Symptome sagen Tumorwachstum. Beziehungsweise kann ich noch nichts dazu sagen, aber nach hunderten Patienten kenn ich die Anzeichen des Lungenkrebs'. Ohne eine richtige Behandlung kann ich nur vermuten: Vom Lungengewebe geht ein Tumorwachstum aus, der wahrscheinlich von den Zellen kommt, welche sich in den Bronchien auskleiden. Lungenkarzinome oder Bronchialkarzinome. Bei Krebserkrankungen können über die Lymphflüssigkeit auch Krebszellen verschleppt werden. Diese erreichen dann oft zunächst die ersten Lymphknoten im Bereich der Lungenwurzeln und im Raum zwischen den Lungenflügeln, dem Mittelfell. Das befindet sich momentan wahrscheinlich in deinem Körper. Es kann sein, dass du grade denkst: 'Was redet die denn da, will die mir Angst machen?', nein, ich möchte dir helfen. Helfen, die Realität zu sehen. Das ganze 'Alles ist gut' Gesabbel wird jetzt beendet und wir untersuchen die Fakten. Rick, ruf in der Klinik an, ab heute haben sie eine neue Patientin. Mrs. Lima, fahren Sie bitte ihre Tochter in die Klinik. Du wirst dort untersucht, diesmal richtig mit einem Ultraschall. Ab jetzt müssen wir handeln, nicht langsam voran arbeiten, verstanden?" Immernoch schockiert nicke ich langsam und gehe dann zu meiner Mutter.

"Wir haben Ergebnisse, Mrs. Lima. Taylor, möchten Sie, dass ihre Mutter mitkommt oder soll sie hier warten?", fragt mich eine Krankenschwester der Klinik. "Nein, nein, natürlich soll sie mit", sage ich schnell und greife nach der Hand meiner Mum. Ich weiß seit drei Jahren, dass ich krank bin, aber immer wurde mir gesagt, ich bin es nicht. Mir wurde es eingeredet und jetzt habe ich zu 90% Lungenkrebs. Ich kann nicht weinen. Ich wusste es ja schon. Aber wieso jetzt? Wieso nicht vor drei Jahren? Vielleicht wäre ich dann geheilt. Jetzt ist der Tumor bestimmt schon riesig, zu riesig um mich zu retten. Ich habe eine tolle Familie, perfekte Freunde und gute Noten. Kann ich das alles zurück lassen? Was alles umsonst? Kann ich nicht mehr kämpfen? Wann werden Ergebnisse geliefert? Ich setze mich auf einen weißen Stuhl, direkt neben Mum. Danach kommt der Facharzt rein, der mich untersucht hat. Er breitet seine Akten auf seinem Schreibtisch aus und fasst sich konzentriert an die Stirn. Ich sehe nichts in seinen Augen, keine Hoffnung, kein Glück. Ich habe doch eh Krebs. Sag es. Bitte. Ich möchte die Worte hören, die mein Leben zerstören werden. Ich sollte traurig sein, doch nun kämpft der Hass gegen den Trauer. Sag es, schrei es, flüster es.

"Die Diagnose hat folgende Ergebnisse geliefert: Ihre Tochter hat einen fortgeschrittenen Tumor in der Lunge, es wurde letzendlich Lungenkrabs diagnosiziert. Es tut mir leid."







ScherbenWhere stories live. Discover now