Kapitel 1 - Ausreißermädchen

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Ich werfe mein Handy auf den nassen Asphalt und ignoriere das nervende Vibrieren. Ich habe keinen verdammen Bock auf die Chemotherapie, wann versteht meine Mutter das? Es vibriert immer weiter, weshalb ich es ausschalte und in meiner Hosentasche untergehen lasse. Ich krieche noch mehr in die Ecke des alten Kartons und warte darauf, dass der unendliche Regen ein Ende findet. Seit mehreren Stunden bin ich nun draußen, müsste eigentlich in der eintönigen Klinik liegen und die Chemo über mich ergehen lassen. Aber meine Lunge ist eh schon kaputt, was nützt mir diese angebliche Heilung? Einen Tag länger, einen Tag länger diese Schmerzen spüren. Seit die Diagnose steht ist mein Leben komplett anders. Ich meine nicht die immer schlimmer werdende Schmerzen, sondern mich. Vom Mauerblümchen, zum punkigen Ausreißermädchen. Klischee, eben. Von hunderten Freunden, zu vier Freunden. Von guten Noten, zu gar keiner Schule. Fast zum lachen. "Taylor! Taylor, wo bist du?!", höre ich auf einmal meine Mum schreien. Scheiße, wie konnte die alte mich jetzt schon wieder finden? "Mutter, wenn du mich zur Chemo zerren willst, jage ich mir sofort ne Kugel in den Schädel!", sage ich genervt, während sie zu meinem Karton stöckelt. Sie zieht mich auf die Beine und hält ihren Regenschirm über mich. Ihre Wangen sind komplett nass, ich glaube es ist nicht nur der Regen. "Schatz, du musst nicht zur Chemotherapie, aber bitte bleib nicht im Regen sitzen und rauche. Bitte, deine Lunge darf nicht noch mehr Schaden bekommen, okay? Ich möchte wenigstens noch, dass du erwachsen wirst und ich will mitbekommen, wie du deine erste große Liebe findest. Komm mit, tu es für mich, Tay", flüstert sie sanft, während sie meine Hand hält. Kurz schaue ich auf den Boden, aber dann reiße ich meine Hand aus ihrem Griff und stürme ins Haus. Ich schließe mich in meinem Zimmer ein und gehe auf Facebook. 'TAYLOR WANN STIRPST DU ENTLICH EJJ kEINAh BRAuch dich!!!!', fällt mir als erstes in die Augen. Ein kleiner Schmerz bohrt sich in mein Herz, bevor ich anfange zu husten. Schnell wische ich das Blut mit einem Taschentuch ab und werfe es weg. Seit Wochen bekomme ich diese Nachrichten, es hat angefangen mit: 'Gute Besserung, werde gesund, du schaffst das!♥' und es hört auf mit: 'STIRP doch entlich!!!!!!' Generation heute. Nach dieser grausamen, dazu grammatikalisch ekelhaften, Nachricht vergeht mir die Lust am Internet und ich klappe den Laptop wieder zu. Es ist fünf Jahre her, seit alles angefangen hat. Seit zwei Jahren ist es klar, dass ich Krebs habe. Eigentlich weiß ich es seit fünf Jahren, aber niemand hört ja auf so eine verwöhnte Göre sondern lieber auf Fachärzte, die zwei Jahre später wegen Alkoholproblemen gefeuert werden. Super, dass heutzutage so viele produktive und intelligente Menschen Medizin studieren, oder etwa nicht? Die Chemo war bis jetzt erfolglos. Natürlich, können Ärzte das nicht erklären, oder wie sie sagen: das ist völlig normal. Lasst die Krebskranken warten bis sie im 3. Stadium sind, lasst sie dann behandeln, um feststellen zu müssen: Oh nein, sie sind ja schon im 4. Stadium, sorry, aber ab da ist der Krebs nicht mehr heilbar, viel Spaß beim Sterben! Und ich bin im 2A3. Stadium. Ich habe also einen großen Tumor mit Befall von Lymphknoten in Lungenhilus und Mediastinum, kurz vor dem 3. Stadium. Wenn im 3. Stadium nichts passiert, kann man für mich schon mal einen hübschen Platz im Wald aussuchen.


Sorry, dass das Kapitel so kurz ist, aber ich wollte im ersten Kapitel noch mal alles ETWAS genauer erklären, also wie krank sie jetzt nach dem Zeitsprung ist, wie sie jetzt ist. Und das 'Ausreißermädchen' im Titel steht für ihre momentane 'Phase'. Also, wenn in Kapitel 2 'Streber' stehen würde, könnte das ein Zeitsprung in die Zukunft oder Vergangenheit sein, wo sie in einer Streber-Phase war/ist. :) Versteht ihr das? :D


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⏰ Poslední aktualizace: Dec 19, 2015 ⏰

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