Kapitel 36

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So, nach einer viel zu langen Zeit melde ich mich mal wieder mit einem neuen Kapitel, ich hoffe ihr lest überhaupt noch weiter. ;)

Rachel wohnt zwei Zimmer weiter. Es ist ein kahles zugiges Gebäude, irgendwo ganz unten, so nah am Boden, dass man zwischen den Dielenritzen den unbändigen Sand der Wüste erkennen kann. Es erinnert mich ein bisschen an die Jugendherbergen, in denen wir auf Klassenfahrt immer gewohnt haben.

Das Zimmer in das man mich gesteckt hat, ist so klein, dass die zwei Dopoelstockbetten nur mit Mühe hinein passen. Von dem Schrank mal ganz abgesehen. Ich teile es mir mit einem rothaarigen Mädchen namens Charlotte und einem Zwilligspärchen, dass sich so ähnlich sieht, das man sie kaum voneinander unterscheiden kann. Die selben blonden Haare, die blasse Haut mit den unzähligen Sommersprossen, die großen, puppenhaften Augen.

Ich sitze aufrecht im Halbdunkeln vor dem kleinen Haufen an frischer Kleidung, den sie mir dort hingelegt haben. Mein Rücken schmerzt, und ich habe Angst dass mich morgen ein Muskelkater quälen wird. Ich fahre mir mit den Fingern durch meine Haare und binde sie mit einem abgerissenem T-Shirt Stoffstreifen, zu einem wilden Knoten nach hinten.

Das leise Atmen der anderen hat eine beruhigende und zugleich nervtötende Wirkung. Ausserdem lässt es meine Augenlider noch schwerer werden, am liebsten würde ich mich von dem Schlaf überrollen lassen, aber seitdem wir hier angekommen sind und eine Frau im Militäranzug meinen Namen auf einer Liste notiert hat, werde ich wieder mit millionen Fragen bombardiert. Aber dieses mal ist es nicht Eden, oder Grandpa, oder der Flugzeugabsturz, über das sich meine Gedanken drehen, sondern wie es nun mit mir selber weitergehen wird.

Wie lange werde ich noch beim Straßenbau helfen müssen? Wollte Edderain es so, handelte es sich um eine zufällige Entscheidung? wird man mir die Lüge abnehmen, ich sei Emmets Cousine aus Kalifornien wenn ich noch nicht einmal weiß, wie es jetzt dort überhaupt aussieht? Kann ich mir hier in North eine Zukunft aufbauen?

Ich seufze und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Plötzlich höre ich, wie die Bettfostten über mir laut aufquietschen und eine Gestalt die Leiter nach unten klettert.

„Ist alles in Ordnung bei dir?" im schwachen Mondschein, kann ich erkennen, dass es Charlotte ist, die dort mit zerzausten Haaren, vor mir steht. Ohne eine Antwort abzuwarten setzt sie sich neben mich und wickelt sich die Decke fest um ihre schmalen Schultern.

ich rücke erschrocken von ihr ab und sage kurz angebunden: "Ja, ist alles in Ordnung."

„Ich haben dich die ganze Zeit so laut seufzen hören, und als du hier angekommen bist, hast du schrecklich nervös ausgesehen." ihre Augen wirken im Halbdunkeln riesig. Ich überlege sie einfach runter zu schubsen.

„Ich bin neu hier." sage ich kurzangebunden. Und das entspricht fast der Wahrheit.

„Du musst dir keine Sorgen machen. Das war jeder hier einmal."

Ich schweige, starre weiter unbeirrt auf das graue Hemd, die weite Hose und die schlichte Unterwäsche, vor mir. Mein Plan war eigentlich gewesen, mich alleine im Dunkeln umzuziehen, ohne dass die anderen etwas davon bemerken. Das kann ich jetzt wohl vergessen.

„Woher kommst du?" fragt sie mich. Wir wurden einander zwar von Rachels grölender Stimme vorgestellt aber mehr kann ich ihr auch noch nicht zuordnen, als eine Namen und einem Gesicht.

„Woher kommst du?" kontere ich also.

Sie lächelt als verstünde sie meinen Wink mit dem Zaunfahl mich nicht weiter auszufragen.

„Ich komme aus North, meine Eltern haben bis vor meiner Geburt alleine auf einer Farm gelebt, aber als meine Mutter schwanger wurde, haben sie beschlossen hier her zugehen. mein Bruder war damals schon sechs."

Ich bin erstaunt, dass sie mir das alles so offen sagt. Einer Wildfremden.

Aber sie hat meine Neugier geweckt. vielleicht kann sie mir Antworten geben.

„Und wieso arbeitest du hier im Straßenbau? Ich bin nicht von hier. Ich weiß nicht wie das hier aufgebaut ist." deute ich unauffällig an und hoffe dass sie nicht darauf eingehen wird.

"Ich bin hier, weil..."sie zögert. „ Vor einem Jahr habe ich die Schule beendet und wollte eigentlich zu den Medizinern gehen. aber mein Bruder..."

„Was ist mit deinem Bruder?" jetzt bin ich es, die sie ausfragt.

Sie zögert noch immer, dann sagt sie schließlich:" Alexander, ist verschwunden. Eines Tages, war er einfach weg. Aber die Sache ist, er hatte einen Job bei den Wissenschaftlern und hat einen gesamten Vorrat an menschlichen Blutproben vernichtet. Das war illegal. Aber niemand weiß wo er sich nun befindet." ich schlucke und denke an Grandpa.

„Naja, jedenfalls" fährt sie fort " wurde ich bei den Medizinern abgelehnt und stattdessen hierher zugeteilt. Wenn sie meinen Bruder nicht bekommen, können sie wenigstens mich da für bestrafen." ein bitterer Unterton mischt sich in ihre Stimme.

„Aber das ist ungerecht. Du kannst doch gar nichts dafür." sage ich und starre sie entsetzt an. „Und ausserdem, welche Blutbroben sind so wichtig?"

„Ich weiß es nicht." Charlotte seufzt. „ Aber so läuft das hier nun einmal, Maggie. Straftäter, Leute die schlecht in der Schule sind oder andere die anfach Pech haben, so wie ich, die kommen alle hierher. Wir befinden uns sozusagen wortwötlich im der untersten Kaste."

„Und du kannst nichts dagegen tun?" mich überkommt ein Hauch von Mitlleid für dieses Mädchen, das mit seinen roten Haaren kaum älter als ich ist.

„Nein. nichts." sie schüttelt den kopf. Plötzlich frage ich mich, was ich hier eigentlich zu tun habe? Habe ich einfach nur Pech gehabt?

„Und Rachel? Was ist mit ihr?"

„Rachel?"

„Das Mädchen mit... mit der Narbe..."

„Ich weiß wer Rachel ist." unterbricht sie mich. „Aber wie kommst du auf sie.?"

„Ich habe mich heute mit ihr unterhalten und da habe ich mich gefragt..."

„Natürlich." Charlotte nickt. „Sie hat uns vorgestellt. Nun Rachel..."sie senkt ihre Stimme, dass ich ihr Flüstern kaum noch hören kann. „...hat jemanden umgebracht."

„Jemanden... umgebracht?" schockiert lasse ich die angehaltene Luft mit einem Zischen durch die Zähne entgleiten.

Charlotte nickt. „Das sagt man sich so. Aber das ist lange her. Da war sie 14 oder so... soll ein Mann aus ihrer Familie gewesen sein. Hat ihn erschossen. Ich denke sie ist verrückt"

Ich denke an Rachels nervöse Blicke und die brutale Narbe auf ihrem Gesicht. Wenn ich mir jemanden vorstelle der einen anderen Menschen kaltblütig ermordet, dann sie.

Charlotte steht auf. „Ich glaub ich leg mich wieder schlafen. Morgen wird anstrengend, da wird die Straße am Platz er erneuert." ich nicke während sie wieder an der Leiter hoch in ihr Bett klettert.

Es ist ein langer Tag gewesen.





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