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Stille, angespannte Stille, die sich im gesamten Raum ausbreitete. Ich spürte wie sie mich musterte, wie ich nach Ähnlichkeiten zu suchen, jedoch senkte ich meinen Kopf, da ich ihr genaues Abbild in meinem Kopf trug. Diese blauen Augen, diese Augen, die einerseits so rein, aber auch nicht perfekt wirkten, undefinierbar. Die schmale Nase, gefolgt von den Konturen im Gesicht, sie stimmten überein. Ich fragte mich weshalb es mir nicht aufgefallen war, hätte ich es nicht spüren müssen? Immerhin war ich doch ihre Tochter, hätte ich es nicht spüren müssen?

»Lasst uns allein.«, wies sie nun Jayden und Rick monoton an. Ich vernahm das leichte Zittern meines Atems, welches mein Gefühlschaos weiterhin untermalte. Ich wollte einerseits weinen, obwohl ich noch nicht einmal wusste, ob ich traurig oder glücklich war, vielleicht langes aber auch daran, dass Rick so schnell mit der Sprache herausgerückt war, sodass ich mich kaum vorbereiten konnte. Ich wusste kaum damit umzugehen, meine Gedanken lagen im vollkommenden Chaos, sodass nicht einer klar wurde, um mir zu zeigen was genau hier vor sich ging.

»Setz dich, ich will mir die Wunde mal ansehen.«, sagte sie nun das erste Wort zu mir, nachdem die anderen beiden den Raum verlassen hatten. Es war als hätte ich meine Zunge verschluckt, als ich mich auf den knarzenden Holzstuhl setzte. War es denn so schwer ein Wort zu sagen? Mir schwirrten tausend Fragen im Kopf herum, wobei sie sich alle unterschieden und alle dringend zu sein schienen. Wer war mein Vater? Wieso hatte man mich ihr genommen? Warum war mein Vater nicht bei ihr? Sie nahm sich einige Utensilien von der kleinen Anrichte neben mir, ein paar der Dinge erkannte ich sogar, da es die Medizin der anderen Seite war, die Medizin für die diese Seite ausgerottet wurde.

»Ich benutze sie ungern, aber es heilt am schnellsten.«, beantwortete sie mir meine umgestellte Frage, während sie mich vor mich setzt. Wollte ich diese Substanzen überhaupt weiterhin benutzen? Sie halfen, aber waren sie all das Leid wert? Als ich zehn war, hatte man bei mir Lungenkrebs festgestellt, es wäre ohne diese Spritze eine Tragödie gewesen, da es ja nicht perfekt war eine lebenserhaltende Sauerstoffflasche hinter sich herzuziehen, aber die Impfung ließ ihn verschwinden. Aber warum mussten für solch ein Wunder erst tausende ihr Leben lassen? Hätte ich es damals gewusst, dann... nein, ich war zehn, ein viel zu erwachsenes Kind, welches sich wie eine Frau benehmen musste, aber immer noch ein Kind, welches Träume von der ganzen Welt hatte, die es nie preisgeben durfte. Ich wollte schon früher weg, raus aus der Mauer, in die radioaktiv verseuchte Gegend, wie man es uns sagte, obwohl dies eine Lüge war. Unser Land war riesig gewesen, die Mauer umfasste nur ein paar Hektar, jedoch reichten diese, um so viel Leid zu bringen.

»Das wird eine Narbe, ich habe noch etwas Salbe, wenn du-«

»Nein, ich will sie behalten.«, unterbrach ich sie schon. Narben waren nie perfekt gewesen, aber vielleicht wollte ich sie gerade deshalb, aber vielleicht auch um mich für den Mord zu bestrafen.

'Es was kein Mord, sondern Verteidigung. Eigentlich kann er froh sein, dass du ihn getötet hast, ansonsten hätte Rick mit seinem Hass darum gekümmert. Du hast ihm ein gnädiges Ende geschenkt, was er nicht verdient hat.' Ich zog etwas die Luft ein, sie hatte Recht, Rick hätte ihn womöglich gefoltert, ihm jeden Finger einzeln abgeschnitten, sodass er um den Tod gebettelt hätte. Aber was hatte mir das Recht gegeben über sein Schicksal zu entscheiden? Ich war keine Gottheit, sondern ein Mensch. Meine Gedanken waren fern von der Wirklichkeit abgeschwiffen, während meine leibliche Mutter sich um meine Wunde kümmerte, wobei ich schon das unangenehme Brennen spürte und sich die Wunde langsam schloss. Die Salbe hätte weitaus mehr geholfen, das Mittel, mit dem sie meine Wunde eingerieben hatte, kümmerte sich nur um die schlimmsten Schäden.

»Wer ist mein Vater?«, rückten auf einmal die Fragen aus mir heraus. Sie erstarrte auf einmal, hielt das Fläschchen fest umschlossen und zog scharf die Luft ein.

Kämpferherz   Gespaltene Seele Where stories live. Discover now