Nomadenkind

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Magie ist nicht so kompliziert wie viele glauben. Sie denken an mächtige Naturgewalten, an Orkane, Tsunamis, Erdbeben und vergessen dabei ganz, dass ein Zauber schon von der kleinsten Blume ausgehen kann, wenn sie denn ein Lächeln in das Gesicht eines Mädchens zaubert. Es mag für viele nach plumper Jugendromantik klingen, doch Magie durchstreift jede der Arkanenebenen und so sind auch Dinge in unserer Welt, die zunächst wirken als seien sie keine Zauberei, doch wie alles andere auch mit Magie durchströmt. Wenn ich jetzt behaupte jeder könne zaubern, werden viele meiner Kollegen den Kopf schütteln und behaupten es sei die richtige Begabung nötig. Eine Gabe mit der man geboren sein müsse. Ich sage, dass diese Gabe nicht in dem Stern liegt, unter dem man geboren wurde, sondern im Leben, das von eben diesem Stern geleitet wird. Mein Leben hat mir Magie ebenso gelehrt wie mein alter Meister es immer tat. Und ich weiß bei meinen Schülern wird es genauso sein. Es ist ein Kreislauf, der einen schon in jungen Jahren verfolgt und im Alter dann einholt. Ich denke es ist keine Schande zuzugeben, dass man Angst davor hat. Denn gerade in unserer Ebene, im arkanen Konstrukt der Welten, ist Zeit wie ein Bach in den Hängen eines Berges. Und wir, liebe Schüler, Adepten, Jünglinge und wer auch immer sonst meine bescheidene Meinung liest, sind alle wie ein Blatt: Wir fallen von einem Baum, landen im Bach, treiben eine Weile und irgendwann sind wir getränkt mit Wasser und zu schwer zum Schwimmen. Wir sinken. Ein Moment, vor dem sich viele fürchten, weil sie glauben, die Geschichte des Blattes sei damit beendet. Doch das ist sie nicht, liebe Schüler. Jahrhunderte vielleicht sogar Jahrtausende später, wenn der Bach verschwunden und der Berg gewandert ist, kann an eben dieser Stelle ein ganz neuer Baum gewachsen sein. Eine neue Welt mit neuem Leben, neuen Blättern. Und erst dann schließt sich der Kreislauf. Vielleicht, meine Schüler, fragt ihr euch warum ich euch das erzähle. Wo ich doch eigentlich das Wissen der Wildnis lehre. Ganz einfach, weil ihr nicht so werden sollt, wie ein Mann, den ich einst kannte, und dessen Angst vor dem Kreislauf beinahe unsere Welt gekostet hätte. Wie viele von euch wissen habe ich nicht immer auf den Inseln des Reichs gelebt. Ich wurde auf Nomia geboren, der Nomadeninsel. In einem Clan aus Sha-acs. Orks, wie ihr sie nennt. Den grauen Herren der Wüste.

Die Herren der Wüste

„Schatten in den Stürmen aus Sand und Zeit". So wurde mein Volk von unserem alten Schamanen beschrieben. „Trommelnde Wilde" werden wir im Reich oft genannt. Obwohl so gut wie keiner von hier je dort war, um zu beurteilen, wie wild das Volk des Sandes wirklich ist. Sicher, das Berserkertum hat seine Wurzeln in den Clans meines Volkes, jedoch ist ein Berserker nicht einfach ein rasender Ork mit Schlachterbeil. Es braucht sehr viel Beherrschung und Jahre der Meditation, um seine Wut so präzise in die Hiebe einer Waffe kanalisieren zu können. Vielleicht kennen einige der Leser meine Abhandlung über den Kult der Berserker. Ich musste viel Spott dafür ernten, dass ich behauptet habe, auch Berserker seien der arkanen Künste mächtig. Nur glaube ich nicht, dass mir einer von ihnen logisch erklären kann, wie man mit einer gewöhnlichen Waffe Stein spaltet.

Aber die Clans haben ohnehin noch so viel mehr zu bieten als nur diesen alten Kriegskult. Das, was meinen Clan ausmachte, war die Verbindung zu den Schakalen. Als Junge besaß ich auch einen. She-Naya hieß sie und sie war ein stolzes Tier. Schon verspielt, wie man es sich als Junge wünscht, aber dennoch immer mit dem nötigen Respekt gegenüber anderen Schakalen. Ich kann mich noch heute genau an den Tag erinnern, an dem sie zu mir kam. Ich war 13 und hatte das Sher-Toc zu bestehen. Ein Ritual zur Mannwerdung. Man bekommt die Augen verbunden und wird irgendwo in der Wüste ausgesetzt. Während der Clan weiterzieht hat man drei Aufgaben: Man muss ein Geschenk finden, welches dem Clan nützlich sein kann, man muss den Clan finden und man muss überleben. She-Naya war das Geschenk meines Sher-Tocs.

Es war Nacht und ich lag in einer kleinen Schlucht, in der ich noch am Tage Schutz vor einem Sandsturm gesucht hatte. Der Sandsturm war weitergezogen und so leuchtete der nächtliche Wüstenhimmel so hell wie er es immer tat. Als ich ein Jaulen hörte öffnete ich die Augen. Es war kein einfaches Jaulen, es war das Geräusch von Schakalen, die kämpften. Nach einer Weile des Suchens fand ich sie. Alleine und Winselnd. Das Rudel hatte sie verstoßen. Und so lag sie da nun. Zurückgelassen um im Sand zu sterben. Mein erster Gedanke war, sie von ihrem Leiden zu erlösen und mir dann ein nettes Abendmahl aus ihrem Fleisch zu machen. Doch als sie mich sah, humpelte sie in meine Richtung. Ich hatte keine Angst wie ich es eigentlich hätte haben sollen. Als sie dann vor mir stand, setzte sie sich hin und legte ihre verletzte Vorderpfote auf meine Schulter. Im selben Moment fiel der Mondschein zu uns in die Schlucht. Ich sah dies als Zeichen des Schicksals und half ihr, worauf sie mir von diesem Tag an immer folgte.

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