Kapitel 13

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"Lucy?" Hörte Lucy ihren eigenen Namen von weit her in einem netten und besänftigenden Ton.
"Lucy, wach auf, komm zu dir"
Lucy öffnete langsam die Augen, ihre Augenlider waren verklebt und feucht und schmerzten beim Öffnen. Ihre Umgebung war in ein milchiges Licht getaucht und nur verschwommen wahrzunehmen, Ihre Glieder fühlten sich wie aus Beton an und lasteten schwer auf der Erde, ihr Kopf pochte als wäre ihr Herz in ihren Schädel gewandert.
"Lucy! Aufwachen!" Sagte die Stimme erneut, diesmal etwas lauter. Lucy zwang sich aufzustehen und sich umzusehen. Sie war in Christian's Wohnung, einem schönen großen Raum mit neumodischen Möbeln und größeren Fenstern.
"Was ist passiert?" Fragte Lucy verdutzt und rieb sich Ihren immer noch schmerzenden Kopf.
"Du bist ohnmächtig geworden und mit dem Kopf voran auf den Steinboden geknallt!" Sagte Christian, der vor ihr auf einem Stuhl saß und sie besorgt ansah. "Du hast dir eine Platzwunde an der Stirn zugezogen, aber mein Vater hat sie schnell genäht!" Sagte er beruhigend.
Christian's Vater war Arzt als Beruf und hatte jeden Tag mit Operationen und anderem zu tun.
"Danke" sagte Lucy kleinlaut und schaute zu Boden.
"Kein Problem" antwortete Christian nur, mit müder und ausgelaugter Stimme.
"Ich werde jetzt mal gehen" sagte Lucy. Sie brauchte Ruhe, niemanden, der mit ihr redete, einfach nur sich selber und schon alleine das war zu viel.
Lucy rannte aus der Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.
Die Luft tat gut, wie sie um ihren Körper schmeichelte und ihr ein leichtes Gefühl der Geborgenheit vermittelte.
Sie lief die Straße entlang, die Gedanken vergraben unter Trauer, Wut und Verzweiflung. Sie wusste nicht an was sie denken sollte, sie wusste nicht was sie tun sollte, sie konnte nicht nach Hause gehen, da sie Angst hatte von ihrem Körper und der stetigen Ruhe in ihrem Apartment aufgefressen zu werden, also machte sie sich daran, ein bisschen was einkaufen zu gehen. Immer wieder, kam ihr der Anblick der Toten Thea in den Kopf, wie sie ganz ruhig in ihrem Sarg lag, geborgen von Ruhe, Frieden und dem Leid der anderen, es verfolgte sie in alle Ecken ihres Kopfes, ihres Geistes, in ihre Seele und verzehrte sie ganz langsam von innen.
Lucy schaute über die Menschenmenge hinweg, versuchte etwas zu sehen, was sie ablenkte, was ihr half zu vergessen und sei es nur für eine Sekunde, für einen Augenblick.
Und plötzlich sah sie ihn. Matthew, wie er fünfzig Meter vor ihr stand und sie ansah. Sein Blick war aufgelöst, verängstigt, streng und kaputt, er schaute sie nur an und Lucy tat genau das selbe, sie wagte nicht wegzuschauen, nicht wegzurennen, ihr Gesicht verzog sich, aber sie wusste nicht welches Gefühl sie ihm vermittelte, sie hatte selber keine Ahnung, was sie tun sollte geschweige denn wie sie reagieren könnte. Sie fühlte Angst, aber aus einem komischen Grund auch einen Anflug von Freude. Sie sah ihn an und wusste sofort, dass er ihr nichts antun würde, sie nicht verletzen wollte, sie nicht vergewaltigen wollte.
Lucy ging auf ihn zu, langsam und behutsam setzte sie einen Fuß vor den anderen, wie ein Kleinkind, was das erste mal versuchte zu laufen. Sofort spürte sie wieder ein Kribbeln auf ihrer gesamten Haut, was im Stande war sie zu zerreißen, sie alles andere vergessen ließ und sie Antrieb, direkt auf ihn zu zugehen.
Matthew sah verändert aus. Das Leuchten seines Blickes war gänzlich verschwunden, seine Haut wirkte blass und fahl und seine, sonst so aufrechte Figur, verblasste in einer zusammengeknickten, gebrochenen Statur, seine immer gemachten Haare, lagen schäbig auf seinem Kopf. Man sah ihm an, dass jeder Lebenswille aufgebraucht war, jede Fröhlichkeit verschwunden und jedes Fünkchen Glück vorübergezogen war. Unter seinem hochgekrempelten Pullover erkannte man die Tiefe und schlecht verheilte Narbe der Glasscherbe, die er sich in den Arm gerammt hatte. Eine einzige Träne, lief ihm über die Wange und vertrocknete auf halber Strecke zu seinem Kieferknochen.
"Es ist schön dich wieder zu sehen" sagte er nach langer Stille mit einer zu erwartenden grauenhaften Stimme. Er zitterte am ganzen Leib und verkrampfte seine Finger zu Fäusten.
Lucy war unfähig zu reden, immer noch, starrte sie ihn einfach nur an.
"Ich kann verstehen, wenn du nicht mit mir reden willst! Ich kann alles verstehen! Jedes Gefühl, jeden Gedanken und jeden Drang von dir! I i ich wollte nur eines sagen! Und dann bin ich für immer weg! Dann will ich, dass du mich vergisst! Mich aus deinem Leben schneidest und mich für immer deiner Vergangenheit angehören lässt!"
Noch immer stand Lucy da, aber langsam war sie derjenige der ebenfalls zu zittern anfing. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken hinunter über die Beine bis hinein in die Zehenspitzen. "Was war es was er mir sagen wollte? Werde ich ihn hassen? Ihn vergessen? Ich weis es nicht? Ich weis gar nichts!"
"Ich liebe dich! Ich werde dich immer lieben! Ich werde dich immer vergöttern! Und ich werde dir nie mehr etwas tun! Ich wollte dich niemals schlagen! Und als du da lagst, hab ich einfach Panik bekommen und bin weggerannt und als ich wieder gekommen bin warst du verschwunden! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Ich habe es niemandem erzählt! Ich konnte nicht! Ich traute es mich nicht!"
Die Aussagen bombardierten Lucy's Kopf und gruben sich tief in ihr Bewusstsein, bis ihr klar wurde, dass er den einen entscheidenden Satz, den sie hören wollte, nun endlich gesagt hatte! "Er liebt mich!"
Sie glaubte ihm! Alles was er sagte war ehrlich gemeint! Alles was er fühlte war echt! Für alles, wofür Lucy ihn verantwortlich gemacht hatte stimmt nicht! "Er war es nicht! Es hat ihr nichts angetan! Er hatte sie nicht vergewaltigt! Sie nicht gedemütigt! Aber wer war es dann?"
Mit einem innerlichen jauchzen vor Freude und dennoch Trauer, kam Lucy wieder zu sich. Doch Matthew war verschwunden, weg, irgendwo, wo sie ihn nicht sah, er war gegangen, hatte versprochen sie nachdem er es gesagt hatte in Ruhe zu lassen! Hatte es versprochen und sein Wort gehalten!
Lucy rannte durch die Straßen, versuchte ihn zu finden, nur noch einen Blick von ihm zu erhaschen, ihm auf Wiedersehen zu sagen! Ihm zu sagen, dass sie ihn liebte, immer geliebt hat und immer lieben wird.

Adore me! (Fertiggestellt!) Where stories live. Discover now