Kapitel 40

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Mir ist schon übel, als ich aufwache und an den bevorstehenden Flug in die Heimat denke. Vor allem habe ich dann keine Ausreden mehr, eine Entscheidung wegen Marcel aufzuschieben. Das bereitet mir noch größere Bauchschmerzen als die Möglichkeit irgendwo über dem Meer abzustürzen und zu sterben. Bekloppt. An solchen Gedankengängen macht sich das wieder ganz deutlich bemerkbar. Wenigstens liegt Marcel nicht mehr neben mir im Bett; weil er ganz klar keine Aussichten auf Morgensex hatte, und ich krabbele von dem großen Himmelbett und gönne mir zu aller erst eine ausgiebige Dusche, bevor ich in die Höhle des Löwen betrete. Ich hoffe ja mal schwer, dass Marco sich wieder eingekriegt hat nach gestern. Ich habe das nicht, kann das aber besser verstecken als der werte Herr. Außerdem ist zumindest eine Sache gut daran, dass wir Thailand wieder verlassen: ich bin ihn erstmal los. Egal wie das alles weiterläuft, aber ich werde alles daran setzen möglichst wenig Zeit mit diesem Arschloch verbringen zu müssen.

Seufzend binde ich meine nassen Haare zu einem hohen Dutt und schlendere durch die Küche nach draußen auf die Terrasse. Auch ein absolut neues Bild, dass ich die letzte bin, die zum Frühstück auftaucht. Aber nach meinem äußerst sinnvollen Gespräch mit meiner besten Freundin, war ich noch die ganze Nacht draußen auf der Terrasse gehockt und habe Löcher in die Luft gestarrt. Habe mich damit beschäftigt die Erniedrigung und Enttäuschung runterzuschlucken und mich wieder auf die wichtigen Dinge des Lebens zu konzentrieren. Trübsal blasen hat noch niemanden weitergebracht.

„Morgen", sage ich in die Runde und lasse mich neben Marcel nieder, der mir einen kurzen Kuss auf die Lippen gibt. Es brennt. Es ist, als wären seine Lippen neuerdings ein Feuer, das mir Schaden zufügen will. Mein Gewissen ist eindeutig zu lieb. Ich bin zu lieb. Andere machen sowas ständig, oder? Also ich meine natürlich nicht beinahe-Sex mit Marco Reus, aber Seitensprünge. Gibt sogar Homepages dafür. Und ich? Ich drehe durch, obwohl ich mit ihm noch nicht mal geschlafen habe. Da sollte ich mir wohl eine härtere Schale zulegen.

Weil mein Magen noch immer nicht wirklich auf der Höhe ist, bediene ich mich nur am Kaffee und denke einen Moment darüber nach, ob ich anfangen sollte zu rauchen. Kaffee und Zigarette sollen Wunder bewirken können, habe ich gehört.

„Du, Marco?" Conny schluckt den letzten Bissen von ihrem Brötchen runter und ich spanne mich automatisch an. Marco, der schwer mit seinem Handy beschäftigt ist, schielt von seinem Display nach oben zu meiner besten Freundin und zieht eine Augenbraue hoch. „Wie lange fahren wir eigentlich zum Flughafen?", fragt sie mit ihrer scheinheiligen Stimme und ich werfe ihr einen bösen Blick zu, „zwei, oder drei Stunden?" Mit ihren Fingern hebt sie die Zahlen und ich verdrehe genervt die Augen. Ihr Ernst? Ich verstecke mein Gesicht hinter der Kaffeetasse und überprüfe aus dem Augenwinkel, ob Marcel oder Robin etwas von dieser höchst bizarren Unterhaltung mitkriegen. Doch sie schnallen zum Glück gar nichts. „Zwei, zwei ein halb oder so", nuschelt er, wirft mir einen kurzen Blick zu und ich tue weiterhin so, als wäre ich nur mit Kaffeetrinken beschäftigt. „Na, zeig doch mal. Zwei oder drei?", bohrt Conny weiter und versucht ihr dämliches Grinsen hinter ihren zusammengepressten Lippen zu vertuschen. Leider sitzt sie zu weit von mir weg. Sonst hätte sie einen kräftigen Schlag auf ihr Schienbein gekriegt. Oder ich nehme am besten gleich ihren verdammten Kopf und tauche sie so lange in den Pool, bis sie keinen Sauerstoff mehr kriegt und nie wieder reden kann! Marco die absolute Voll Null checkt ihre Andeutung nicht Mal und streckt tatsächlich zwei Finger in die Höhe, woraufhin meine beste Freundin dumm in sich reingluckst und versucht nicht lauthals loszulachen. Sie wackelt mit den Augenbrauen und Marco widmet sich mit gerunzelter Stirn wieder seinem Handy. Vielleicht schläft der eigentlich noch? Und tut nur so, als wäre er wach? Oder er kann diese Zweideutigkeit so gut ignorieren, dass es nicht auffällt. Mein Kopf ist schon wieder feuerrot, sodass ich weiterhin hoffe, das hinter meiner Kaffeetasse verstecken zu können.

Regenbogen [Marco Reus]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt