Kapitel 19

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Mein Schädel brummte und schmerzte höllisch als ich wieder zu mir kam. Leich überfordert, dass ich kopfüber hing schaute ich mich panisch um. Was ist passiert? Wieso ist alles voller Glassplitter? Wieso steht der Wagen kopfüber? War ich das? Wieso? Was wollte ich damit bezwecken? Und noch mehr Fragen stiegen in meinen Kopf auf und verstärkten die Schmerzen, sodass es sich anfühlte als würde gleich mein Kopf explodieren. Doch bevor er explodierte, erinnerte ich mich wieder an alles was passiert war. Dieses Wesen, die Anstalt und der Autounfall, sowie der Zettel stieg wieder in mein Gedächtnis auch Gina. Als ich mich wieder an sie erinnerte, riss ich vor Panik meine Augen weit auf bevor ich den Blick langsam nach rechts wandern ließ.

Mein Blick wanderte über die verlassene Straße vor mir, welche mit Glassplittern und anderen Autoteilen überseht war hin bis zur Seite. Als er dort ankam entkam ein geschockter Schrei über meine Lippen. Ich wusste von meinem Studium aus, dass Leichen nach Autounfällen nicht gerade schön aussehen - jedenfalls die meisten nicht -, aber so wie Gina aussah war es einfach die Hölle auf Erden. Ich wollte meinen Arm zu ihr strecken, aber ich konnte ihn nicht bewegen. Ich konnte keiner meiner Arme bewegen, geschweige denn meine Beine. Alles an meinem Körper fühlte sich an als hingen überall Betonklötze, welche mir jegliche Gefühle aus dem Körper zogen. Benommen starrte ich auf Gina, welche fast nicht mehr wieder zu erkennen war. Wieso habe ich das nur getan? Ich wollte doch nicht, dass... Dass sie stirbt. Tränen rollten über meine Stirn und feuchteten meine Haare an, dabei wandte ich meinen Blick nicht von der zerquetschten Leiche von Gina weg. Neben Gina stand ein Baum, welcher die Beifahrertür total zerstörte und Äste hingen in den Wagen. Ein paar durchbohrten den leblosen Körper von Gina. Jedoch das schockenste war der Ast, welcher durch den Kopf von ihr ging, und ihr zerkratztes Gesicht. Ihre Augen hatte sie vor Schreck und Panik weit aufgerissen und auf ihrem Mund lag der letzte Schrei, welcher nie mehr aus dem Mund entkommen kann.

Ich beobachtete mit Tränen in den Augen, wie das dickflüssige Blut an ihr herunter lief. Immer und immer wieder schluchzte ich und verschluckte mich auch ab und zu dabei. Nein. Nein! Was hab ich nur getan?! Ich wollte doch nur, dass sie leise ist. Ich wollte...

»Gina! «, fing ich an zu schreien und versuchte irgendwie Leben in meine Glieder zu bekommen. Jedoch vergeblich. Bis auf das Bewegen meines Mundes, aus welchen nur noch Schlurzen und zwischen drinnen Ginas Name herauskam, bekam ich nirgends leben in meine Glieder. Alles war steif und mit der Zeit fühlte es sich an als würde das Auto immer weiter schrumpfen und mich ebenfalls zerquetschen. Das Gefühl, das der Innenraum des Autos immer enger wurde, lastete auf meiner Lunge und ich begann neben dem Schlurzen Schnappatmungen zu machen bis ich mich abermals verschluckte und anfing zu husten. Meine Lunge fühlte sie daraufhin an als hätte jemand Feuer in ihr entfacht.

Ich schaute weiterhin auf Ginas zerkratzte Leiche, welche nur durch die Äste aufrecht saß wie ich mit der Zeit bemerkte. Gina... Es... Es tut mir leid. Ich... Ich wollte es nicht... Ich... Bitte verzeih mir. Ich konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Es war alles zu viel für mich. Ich musste von hier weg und zwar schnell, aber ich konnte meine Muskeln immer noch nicht anspannen, geschweige denn fühlen. Das einzige was ich bewegen konnte und spürte war mein Gesicht, welches genau wie die Lunge schmerzte. Ich konnte nicht mal richtige, klare Gedanken fassen. Alles schwirrte in meinem Kopf herum und der Druck von meiner Lunge breitete sich bis zu meinem schmerzenden und brummenden Kopf aus. Der Druck wurde auch mit der Zeit stärker, sowie das Gefühl, dass ich bald zerquetscht werde, welches bis jetzt noch nicht von meiner Seite gewichen war. Ich. Muss. Hier. Raus!

Endlich schaffte ich es, mich von Ginas Anblick zu trennen und blickte an mir herab. Jetzt konnte ich auch den Grund von dem Gefühl, dass ich bald zerquetscht werde, erkennen. Ich saß eingeklemmt zwischen dem Lenkrad und den Autositzt. Vor mir breitete sich der Airbag aus, während mein Gurt lose an mir herunter hing. Ich betrachtete weiter meine Umgebung und konnte viele Blutspritzer erkenne, aber ich wusste nicht von wem genau sie waren. Ob es nur Ginas waren oder von uns beiden. Ich wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen. Das einzige was ich wissen wollte war, wie ich hier raus kam. Ich betrachtete meine sitzende Position und versuchte irgendwie einen Ausweg zu finden. Eigentlich hätte ich schon einen, aber das einzige was einen Strich durch die Rechnung machte waren meine eingeklemmten Beine. Meine Arme hatte ich schon in der richtigen Position, denn beide hingen schützend über meinen Kopf und so langsam konnte ich die Kälte des Metalls und der Nacht spüren, wie sie sich an meinen Armen entlang hochschlich und meinen ganzen Körper versuchte einzunehmen. Ich versuchte tief ein und aus zu atmen und die Kälte, sowie die Schmerzen, welche anfingen sich jetzt bemerkbar zu machen, auszublenden. Mit etwas Erfolg schaffte ich es nach einiger Zeit und versuchte mit meinem brummenden und schmerzenden Kopf einen klaren Kopf zu bekommen, aber ich scheiterte immer und immer wieder bis ich es aufgab und mich auf meine Arme konzentrierte.

Ich versuchte den linken Arm, welcher als unterstes lag, zu bewegen, was ich nach vielen Versuchen auch schaffte. Meine Bewegungen waren erst ruckartig, aber als ich den linken Arm aus seiner Position befreien konnte bewegte ich meinen schmerzenden Arm fließender. Vorsichtig tastete ich das verdellte Dach ab und schnitt mich immer wieder an herumliegenden Glassplitter. Immer wenn ich mich schnitt durchzuckte ein stechender und unerträglicher Schmerz meine Handfläche und breitete sich im ganzen Körper aus. Mit der Zeit fingen meine Hände, durch den Schmerz und der Kälte, an zu zittern und es wurde immer unkontrollierter, sowie meine Handbewegungen. Ich wusste nicht was ich machen sollte als griff ich nach den Airbag und versuchte ihn, so gut es mit einer schmerzenden und zitternden Hand ging, von dem Lenkrad zu befreien. Was ich nach ein paar Mal herum Gezerre auch aufgab. Was mache ich jetzt nur? Ich muss hier raus! Ich will weg von hier!

Aus Frust und Panik fing ich an mich ruckartig zu bewegen und zu schreien. Immer weiter breitete sich die Panik in mir aus bis es ein Knackgeräusch vom Lenkrad aus kam und es unter meinen Bewegungen endlich nachgab. Es krachte bevor das Lenkrad auf die Innenseite des Daches fiel und meine schmerzenden Beine ihm nachtaten. Für eine kurze Zeit verharrte ich in der verkrümmten Position und versuchte herauszufinden, wie ich es geschafft hatte mich zu befreien, aber mir blieb nicht lange Zeit zum nachdenken, denn ich hörte ein unmenschliches Geräusch von meiner Seite des Autos. Langsam drehte ich den immer noch schmerzenden Kopf in die Richtung verdellte Autotür und hielt dabei meinen Atmen an, was jedoch ein Fehler war, da die Schmerzen in der Lunge noch unerträglicher wurden. Wenn ich diese Nacht überlebt habe, werde ich alles daran setzten und Jeff in den Arsch zu treten!, schwor ich mir und lauschte nach weiteren ungewöhnlichen Geräuschen, aber ich hörte keine mehr. Also grabbelte ich so gut es ging nach draußen. Ich quetschte mich durch das ehemalige Autofenster in die kalte Nacht. Draußen angekommen begrüßte mich etwas Schnee, welcher vom Himmel fiel, und viele Glassplitter auf dem Boden. Ich robbte über die Glassplitter, welche sich schmerzhaft in mein Fleisch bohrten, bis auch meine Beine draußen waren, welche schlaff da lagen und sich weder bewegen ließen noch jegliche Gefühle von sich gaben.

Als ich auch mit meinen Beinen aus dem Auto war, ließ ich mich erschöpft in den frischen Schnee und in den ganzen Glassplitter fallen, welche sich ohne Umwege tiefer in meine Haut bohrten. Der Schmerz, welcher durch die kleinen und großen Glassplitter verursacht wurde, wurde immer größer und erdrückender bis er mich dazu zwang einen Schrei, welcher die Verzweiflung hinter sich herzog, über meine Lippen zu bringen. Doch zu meinem Pech lockte der Schrei jemanden an, wenn ich lieber nicht begegnen wollte. Dieser Jemand oder Etwas machte sich durch ein Geräusch hinter mir bemerkbar und ließ meine Härchen aufstellen. Angst ließ mein Herz verkrampfen und Panik verschnellerte meinen Puls. Ich wollte mich nicht nach hinten umdrehen. Ich wollte Es nicht sehen, also schloss ich meine Augen und legte mein Gesicht auf meine zu Fäusten geballten Hände. Mein Unterkiefer spannte sich an und ein weiterer Schmerzensstoß durchdrang jede einzelne Faser meines Körpers.

In meiner letzten Hoffnung fing ich an zu Gott zu beten und hoffte auf ein rettendes Wunder. Ich wollte nicht sterben, auch wenn es besser für mich wäre, da ich ein Menschenleben auf den Gewissen hatte und nicht irgendeins, sondern Ginas.



Es war der 17. November an dem Gina Millington durch einen Autounfall, in der Nähe von der verlassenen Psychiatrie, starb.





Lied: The Arena ~ Lindsey Stirling

Sleep, my BeautyOù les histoires vivent. Découvrez maintenant