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Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Die stechenden Kopfschmerzen, die in mir das Bedürfnis auslösen, eine Überdosis an Schmerztabletten zu schlucken oder der penetrante Ton des Telefons, welches mich aus meinem heiligen Schlaf gerissen hat.

Ich entscheide mich für letzteres und strample genervt die Bettdecke von mir. Jede Bewegung schmerzt und ich fasse stöhnend an meine Schläfe, während ich zu meinem Telefon tapse. Als dann noch der Name meiner Mutter angezeigt wird, komme ich zu dem Entschluss, dass dieser Tag zum Scheitern verurteilt ist. Selbst ein Anruf vom Finanzamt wäre mir momentan lieber.

Ich seufze und gehe nach dem gefühlt hundertsten Klingeln ran.

"Na endlich! Ich dachte schon, du gehst niemals ran", höre ich die empörte Stimme meiner Mutter und verfluche mich dafür, dass ich genau das nicht getan habe.

"Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, Mama", sage ich und versuche nicht allzu genervt zu klingeln.

"Guten Morgen? Ich glaube, ich höre nicht richtig, Olivia! Es ist viertel vor zwei! Erzähl mir bloß nicht, dass du erst jetzt aufgestanden bist", sie klingt vorwurfsvoll und ich verschweige ihr, dass ich sogar noch viel länger geschlafen hätte, hätte sie das arme Telefon nicht wie eine Verrückte klingeln lassen.

"Gibt es einen Grund für deinen Anruf?", frage ich sie höflich. Im Hintergrund höre ich meinen Vater murmeln, der wahrscheinlich gerade von der Arbeit nach Hause gekommen ist.

"Ohja, den gibt es! Wann hattest du mal wieder vor, deine Eltern zu besuchen? Von alleine kommst du ja überhaupt nicht, was wirklich empörend ist. Da bringt man sie auf die Welt, wirft ihnen jahrelang mit Geld hinterher und am Ende können sie einen nicht mal besuchen. Unfassbar, nicht, Christopher?", schimpft sie und mein Dad lacht leise.

"Schon gut, Mum. Ich komme nur nicht wirklich dazu", gestehe ich ihr und sie lacht verächtlich.

"Ach ja? Was tust du denn den ganzen lieben Tag, außer Arbeitslosengeld einkassieren, dass du hinterher für Schwachsinn ausgibst?"

Schon seit längerem ist das Verhältnis zu meinen Eltern gebrochen, aufgrund der Tatsache, dass Olivia Gray arbeitslos und trotz einem hervorragenden Abschluss ohne Studium dasteht und den Namen der wohlhabenden, im guten Ruf badenden Familie Gray in den Dreck zieht.

"Mutter, ich denke nicht, dass ich mit dir meinen Alltag abklären muss", sage ich seufzend und eine kurze Stille folgt.

"Wenn du meinst. Heute Nachmittag wollten wir mal alle wieder zusammen essen. Dein Bruder kommt auch. Es wäre nett von dir, uns endlich mal wieder mit deiner Anwesenheit zu beehren", sie betont das Wort spöttisch.

Ich seufze. "Gut, ich komme gegen drei Uhr", teile ich ihr mit. Schließlich legt sie auf, zufrieden darüber, dass ich sie heute Nachmittag besuchen werde. Augenrollend laufe ich zurück in mein Zimmer und werfe mich auf mein Bett. Ehrlich gesagt hätte ich mir den Tag besser vorstellen können. Mit einer Packung Eis und einer Staffel The Walking Dead, anstatt mit meinen pingeligen Eltern und meinem älteren Bruder, der ja so viel erreicht und seine Eltern niemals enttäuscht hat.

Ich sehe mich in meinem Zimmer um und überlege bereits, was ich anziehen soll. Meine Klamotten liegen verteilt im Zimmer und ich rappele mich auf, um mir etwas auszusuchen. Schließlich blieb mir nicht mehr allzu viel Zeit, um mich mental und körperlich auf dieses Familientreffen vorzubereiten.

Nach längerem Überlegen greife ich nach einem schwarzen, etwas weiter geschnittenen Rock und einer hellblauen Bluse mit einem Blumenmuster, welche mir eigentlich überhaupt nicht gefällt und nur in meinem Schrank gelandet ist, weil das SALE-Zettelchen mein Denken übernommen hat.

left me in piecesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt