Kapitel 1

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"Okay Hope. Das war unsere letzte Sitzung. Fürs erste, versteht sich. Du bist jetzt bereit in eine Familie aufgenommen zu werden und wieder in die Schule zu gehen."
Lächelnd sah ich meine Psychologin an. Endlich! Vielleicht kann ich jetzt mit einem neuen Leben anfangen.
"Aber du musst natürlich immer noch die Tabletten wegen deinen Panik Attaken und deiner Schizo-"
Bevor sie den Satz beenden konnte unterbrach ich sie. "Ich habe keine Schizophrenie! Wie oft denn noch?"

"Bitte nimm einfach die Tabletten, Hope. Sie sollen dir doch nur helfen!"
Flehend sah Mrs. Greench mich an.
Ich rollte nur mit den Augen und gab dann widerwillig nach.
"Susan wartet außen auf dich, ja? Mach's gut Liebes!"
Lächelnd umarmte mich die große, schwarzhaarige Frau mit der Brille.
Fast fünf Jahre war ich jetzt bei ihr um meine 'Probleme' unter Kontrolle zu bringen und jetzt war ich anscheinend endlich bereit wieder in das normale Leben einzutauchen.
Vielleicht mit einer Pflegefamilie die es besser macht als meine letzte. Und vielleicht eine neue Schule in der niemand mich kennt. In der niemand über mich urteilen kann weil niemand weiß, was mit mir passiert ist. Aber ob ich das Vertrauen haben werde, zu Menschen zu gehen welche ich nicht kenne, wird schwierig. Geschweige denn in Kontakt mit Leuten in meinem Alter zu treten, außer die, welche ich bis jetzt schon kenne. Für mich war es nach dem Vorfall schon schwierig genug meinen jetzigen Freunden zu vertrauen.

Ich verlasse das kleine, helle, freundlich aussehende Büro in dem meine Psychologin ihre Sitzungen hält und ging nach draußen zu meiner Jugendhelferin. Susan.
Eine kleine, zierliche Frau mit Bob Haarschnitt und einem riesen Temperament. Sie ist eine der wenigen Leuten denen ich wenigstens ein wenig Vertrauen schenke.

"Und? Was hat Jenny gesagt?", fragt sie sofort. Jenny, meine Psychologin, und sie waren immer für mich da und außerdem sind die beiden gute Freundinnen. Aber Jenny verrät ihr trotzdem nie was in den Sitzungen passiert. Schweigepflicht und so.

"Sie....hat gesagt dass ich bereit wäre für eine Familie."
Ich hatte Angst. Angst davor dass mich keine Familie haben will und dass ich mein letztes Jahr -bevor ich 18 werde- im Heim verbringen muss. Ich war zwar vorher, nach meiner ersten Pflegefamilie, schon im Heim aber eigentlich hatte ich vor mein letztes Jahr nicht dort zu verbringen.

Ich hatte Angst dass die Leute in einer neuen Familie fragen stellen. Dass sie mich fragen was mit mir passiert ist und ich zusammen breche. Deswegen konnte ich mich auch nicht wirklich freuen. Auf einer Seite zwar schon. Immerhin musste ich jetzt nicht mehr alles wiederholen was vor 10 Jahren passiert ist. Ich musste jetzt nicht mehr ständig darüber reden dass ich immer wieder davon Träume. Dass ich immer wieder sein Gesicht sehe und immer wieder die Schläge spüre. Immer wieder die Kälte um mich herum fühlen konnte.
Manche sind froh darüber dass sie es jemanden erzählen können der ihnen helfen kann.
Ich möchte das aber nicht. Ich will alleine damit klar kommen. Ich will nicht, dass mir immer wieder jemand sagt, dass man mich versteht, denn das kann keiner von ihnen. Niemand wird jemals verstehen können was ich durchgemacht habe. Außer vielleicht jemand der das selbe überstanden hat wie ich.
Jenny hat gemeint, dass es viele Jugendliche gibt die mit den selben Problemen kämpfen wie ich. Dass manche auch ähnliches durch gemacht haben.
Aber Jenny erzählte mir auch, dass die meisten dieser Kinder Familienteile  haben bei denen sie unterkommen.
Der Rest kommt genau wie in meinem Fall in Pflegefamilien oder in ein Heim.
Natürlich habe ich Jenny oft gefragt ob ich eines dieser Kinder kennen lernen durfte. Sie verneinte und meinte dass es keine gute Idee sei.
Ich war Tage lange sauer auf sie und redete bei den Sitzungen kein Wort mit ihr. Nach einer Zeit verstand ich es aber. Ich dachte aber immer daran sie wieder zu fragen. Und jetzt? Jetzt ist es vorbei. Ich komme ein Jahr lang in eine Familie oder ins Heim. Je nachdem ob sich eine Familie bei Susan meldet und mich haben will oder nicht. Das wird jetzt von den nächsten 4 Wochen abhängig sein.

"Wo soll ich jetzt eigentlich hin, Susan? Wieder ins Heim und warten?" Wir setzten uns langsam in Bewegung richtung Susans Auto.

"Mach dir darüber mal keine Sorgen. Du kannst erstmal zu mir und dann schauen wir nach einer Familie für dich ja?"

"Ok. Aber ich will in keine Schnösel Familie damit das schon mal geklärt ist." Nach diesem Satz blieb ich stehen verschränkte und verschränkte die Arme.

"So Leid es mir tut Süße aber das kannst du nicht entscheiden."
Leicht lachte sie. Lachte sie mich ernsthaft gerade aus?
Leicht schmunzelte ich und rempelte sie leicht mit meinem Ellebogen an während wir weiter gingen.

Ich sah sie an und zog eine meiner Augenbrauen hoch
"Du steckst mich aber nicht absichtlich in so eine Familie oder?"

Plötzlich blieb sie stehen und sah mich streng an.
"Hope! Wie oft noch? Ich kann das nicht entscheiden! Und eigentlich solltest du froh sein wenn du in eine Familie kommst die etwas wohlhabender wäre. Du könntest endlich mal sehen wie schön das Leben ist wenn man einen guten Job hat. Außerdem wäre dein Umfeld komplett anders als es jetzt ist."

"Man Susan was hast du denn jetzt schon wieder mit meinem Umfeld? Sei doch froh dass ich wenigstens mit ein paar Leuten 'befreundet' bin."
Ich habe noch nie verstanden was sie an den paar Leuten die ich kannte falsch fand. Es ist für quasi eine kleine Familie, meine Crew. Wir sind eine kleine zusammen gemixte Gruppe aus den verschiedensten Typen von Menschen die irgendwie alle eine Maske tragen. Aber wenn wir zusammen sind lassen wir die Maske fallen und sind wir selbst. Ich muss gestehen dass wir uns manchmal nicht wirklich an Gesetze halten und auch ziemlich krumme Dinge drehen aber wir halten zusammen und haben Spaß. Die größte Leidenschaft von uns allen ist das Kämpfen. Also so richtig kämpfen. Nicht in irgendwelchen überteuerten Fight Clubs sondern auf der Straße, ohne Regeln. Susan und Jenny wissen nichts davon. Sie wissen nur dass ich mit diesen Leuten viel Zeit verbringe wenn ich nicht gerade eine Sitzung mit Jenny oder ein Gespräch mit Susan hab.

"Ich weiß dass diese Leute nicht ganz sauber sind Hope! Ich habe die Akten von ihnen geprüft."
Ihren Blick kann ich nicht deuten aber in mir verspüre ich eine unglaubliche Wut.

"Du hast bitte was getan? Sag mal gehts noch?"
Meine Stimme wurde immer lauter.

"Hope! Hör auf so mit mir zu sprechen! Wir gehen jetzt zu mir nach Hause und heute Abend wirst du nicht raus gehen!"
Ich konnte nicht fassen was sie gerade gesagt hatte.

"Du kannst mich doch nicht einsperren!" Meine Stimme wurde nicht leiser, eher nurnoch lauter.

"Und wie ich das kann! Es gibt jetzt keine Wiederrede mehr Hope! Wir gehen jetzt zu mir und fangen an eine Familie für dich zu suchen."
Ich ging immer weiter zurück um von
ihr weg zu kommen.

Mit -nun leiser- Stimme sagte ich: "Kannst du vergessen."

So schnell ich konnte rannte ich weg. Nur weg von ihr. Sie kannte meine Geschichte und wollte mich trotzdem einsperren. Ich konnte es einfach nicht fassen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich dann an der alten Lagerhalle an. Der Treffpunkt meiner Crew.

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Hoffnung? Nicht Für Mich.Where stories live. Discover now