⑦Honest

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^ab hier noch unbearbeitet - siehe vorwort^


Ich atmete tief ein und aus und versuchte, seine Anwesenheit, so weit es ging, zu ignorieren.
»Ich habe nicht das Bedürfnis danach, laufen zu gehen. Ich war die Tage schon, ich bin ausgeglichen.« Nervös spielte ich an meinen Haaren. Da meine Stirn auf meinen angezogenen Knien ruhte, hingen die krausen Strähnen leblos herab.
Ich spürte, wie er näher an mich heran rückte und dann so dicht neben mir war, dass seine Wärme mich erreichte. Sein Geruch stieg mir in die Nase und lenkte mich mehr ab als mir lieb war. 

Dass er ebenfalls meine Haare zwischen seine Finger nahm, bekam ich nicht wirklich mit. Erst als er mir diese sachte hinter mein Ohr steckte und dabei hauchdünn über meine Haut strich, erwachte ich aus meinen Gedanken und sog überrascht die Luft ein. Leichte Gänsehaut zog sich über meine gesamte Hautoberfläche und mein Herz schlug so schnell wie die Flügel eines Kolibris.

»Weißt du, es gibt eine Sache, die ich auf den Knochen nicht ausstehen kann«, hauchte er an mein Ohr. Für einen Moment blieb mein überstrapaziertes Herz stehen, bis es dann womöglich noch schneller schlug.
»Wenn man mich anlügt.« 

Mit diesen Worten packte er mich im Nacken. Meine Gefühle verwandelten sich in Angst, dann augenblicklich in Panik und mir entwich ein kleiner Schrei. Sein Griff wurde stärker und ich wimmerte leise. Es fühlte sich an, als würde er meinen Kopf abreißen wollen. Schmerz durchzog meinen Nacken und ich versuchte diesen zu mindern, indem ich meinen Nacken einzog.
»Normalerweise frage ich nicht zweimal, aber ich habe heute einen guten Tag.« Seine Stimme jagte mir einen unschönen Schauer über den Rücken. 

»Also, waren bist du nicht mit deinem stinkenden Freund mitgegangen?«
Er bezog sich darauf, wie wir für sein Rudel rochen. Wir hatten kein Rudel mehr, wir waren Rogues und rochen auch wie welche. Ein stechender Schmerz zog durch mein Herz, als mir das klar wurde. Wir waren heimatlos, hatten niemanden mehr, außer uns. Dass noch jemand überlebt hatte, war unwahrscheinlich und seit zwei Wochen verbat ich mir die Gedanken daran. Doch er hatte recht, wir stanken, wir gehören nirgends mehr hin. 

Meine Brust hob und senkte sich unregelmäßig, ich stand kurz davor, einfach umzukippen. Nur sein immer stärker werdender Griff in meinem Nacken hielt mich noch aufrecht.
Mittlerweile hatte ich meine vorherige Position aufgegeben und saß mit nach hinten gebeugten Rücken da. Meine Schulter nach hinten gezogen, die Arme nach Halt suchend auf den Boden gerichtet. Mir war klar,dass ich aussah, wie die leichteste Beute, doch was blieb mir anderes übrig? 

Der Alpha dieses Rudels, auf dessen Grund und Boden Daniel und ich waren, war wütend auf mich und mit jeder Sekunde wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass Dan und ich den morgigen Tag nicht mehr erlebten.
»Ich-«, mehr brachte ich nicht raus, da mir die Luft zum Sprechen fehlte. Als er merkte, dass ich ihn Antworten wollte, lockerte er seinen Griff etwas.

Das half mir jedoch nicht, Luft zu holen. Ich wusste nicht, warum es mir so schwer fiel, warum meine Brust mir nicht gehorchte. Doch ich musste ihn irgendwie antworten.
»Ich-« Nach Luft schnappen. »Lüge-« Einatmen. »Nicht.« Mir war schwindelig, schlecht. Mein Körper wurde immer schlaffer und als ich dachte, jetzt würde ich in den Staub fallen, hörte ich, wie ein Wolf vor uns aus den Wald trat. 

Er knurrte und ich hörte etwas, dass sich anhörte, als würde ein Sack Mehl umfallen.
Ich nahm wage wahr, wie Liam seinen Kopf nach vorne drehte und seinen Griff abermals lockerte. Mit jedem Mal, bei dem er mich weiter frei gab, bewegte sich meine Brust langsamer. Meine Lungen füllten sich langsam wieder mit der dringend notwendigen Luft und meine Wahrnehmung kehrte Stück für Stück wieder zurück.

»Du willst mir in meinem Territorium Befehle erteilen?«
Im ersten Moment dachte ich, er sprach zu mir. Mein Herz zog sich vor Angst wieder zusammen. Er klang gefährlich, gefährlich ruhig. Wie die Ruhe vor dem Sturm.
Doch dann merkte ich, dass er von mir weg sprach. Zu dem Wolf vor uns. Ich zwang mich zu Ruhe. Befahl mir, mich zu entspannen. Es half mir nichts, wie ein Häufchen Elend vor ihm zu sitzen. 

Als der Wolf wieder knurrte, hing er am Ende ein leisen Winseln an. Ich spürte die Verwunderung und Verwirrtheit von Liam und fragte mich, was der Wolf sagte.
Ein Alpha konnte in Gedanken mit einem sprechen, ob man nun Mensch oder Wolf war. Zu seinem Rudel gehörte oder nicht. Sobald man ihn in seine Gedanken ließ, hörte er, was man dachte. 

Der Wind wehte vom Wolf zu mir und brachte seinen Geruch mit. Es traf mich wie ein Blitz, als ich begriff, wer vor uns war. Doch bevor ich etwas sagen konnte, sprach Liam wieder.
»Interessant« sagte er leise und ließ mich los. Zu überrascht, um mich abzufangen, landete ich auf meinen Hintern und ein kurzer Schmerz schoss mir hoch in den Rücken. 

»Du würdest wirklich alles für sie tun oder?«, hörte ich Liam sagen und wurde neugierig. Sprach er noch zu Daniel? War Daniel noch da?
Ein Knurren beantwortete meine Fragen.

»Verwandel dich zurück.« Liams Stimme klang nun nicht mehr ruhig und neugierig, sondern eher bedrohlich und wütend. Von seinen plötzlichen Stimmungswandlungen bekam ich Kopfschmerzen. Wie konnte ein Mensch nur so bipolar sein? 

»Geh weg von ihr. Sie hat nichts getan«, drang Dans Stimme nach kurzer Zeit zu mir durch.
»Sie ist eine Gefahr für mein Rudel, wenn sie sich nicht verwandelt. Jeder Wolf ist eine Gefahr für mein Rudel, meine Familie, wenn er sich nicht verwandelt. Deswegen sehe ich die Sache anders.« 

Sie redeten von mir. Glasklar. Nur warum taten sie so, als wäre ich nicht anwesend?
»Sie hat sich verwandelt. Vor ein paar-«
»Jaja das habe ich schon von ihr gehört«, unterbrach Liam ihn genervt. »Nur ist euch anscheinend nicht klar, dass ich rieche, wenn jemand lügt.« Auf einmal schlug seine Stimmung wieder um und es kam mir so vor, als könnte ich die Spannung in der Luft greifen.
Es blieb für einen Augenblick ruhig. Der Wind wehte leicht durch meine Haare, die Blätter an den Bäumen raschelten und füllten die menschliche Stille mit Tönen. Als ich mich jedoch aufsetzte und versuchte aufzustehen, kam Bewegung in die Situation. Bevor ich stehen konnte, hörte ich Schritte. Ich konnte es zwar nicht sehen, aber ich erkannte den Klang zwei aufeinander prallender Körper und hatte keinen blassen Schimmer, was vor sich ging.

Blind MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt