Unerwarteter Besuch & Schwäche

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Legolas
Drei Wochen waren vergangen, seit ich wieder in meine Heimat zurückgekehrt war und ehrlich gesagt, wusste ich nicht so recht, ob ich mich eigentlich darüber freute oder nicht. Ich hatte noch ein paar Mal mit meinem Vater gesprochen, doch alle Gespräche waren in einen Streit ausgeartet. Das war weder gut für meine, noch für Ada's Psyche, wobei die Auswirkungen der Streitereien bei meinem Vater viel deutlicher zu sehen waren, wie bei mir. Zudem verweigerte er weiterhin das Essen, egal, wie sehr ich ihn dazu drängte oder bat, endlich wieder etwas zu essen. Mittlerweile war er deutlich abgemagert. Seine Wangen waren eingefallen, seine Schultern nicht mehr ganz so breit und seine Hände schienen nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Zudem konnte ich sehen, dass seine Tunika ihm ein klein wenig zu groß zu sein schien, was aber schlicht und einfach an seiner mageren Figur lag. Ich betrat einen kleinen Saal, indem ein paar gemütliche Sessel standen. ,,Wie geht es ihm?", fragte Feren besorgt, der mich schon zusammen mit Brethil erwartete. ,,Schlecht", antwortete ich ebenfalls in Sorge und setzte mich auf einen der Sessel, ,,Er wird immer schwächer, weil er nichts isst und seine Launen sind unberechenbar. Ein Wunder, dass er noch nicht weinend vor mir zusammengebrochen ist." ,,Ein Wunder, dass er Euch überhaupt noch zu sich lässt, nachdem er erst mich und letzte Woche auch Feren sozusagen aus seinem Gemach verbannt hat", meinte Brethil. ,,Brethil, du bist Heiler", setzte ich an, ,,Was glaubst du wäre das Beste, was wir jetzt tun können?" Brethil wollte antworten, doch da stürmte eine Wache in den Saal. ,,Hir nin Legolas (mein Herr Legolas)", sagte die Wache, ,,Vor dem Westtor steht ein Zwerg, der behauptet, Euer Freund zu sein. Er bittet um Einlass." ,,Gimli", sagte ich, sprang auf und rannte zum Westtor. Zum ersten Mal seit ich von Vaters Zustand erfahren hatte, hellte sich mein Gesichtsausdruck etwas auf. Wenn Gimli an meiner Seite war, hatte ich nie wirklich schlechte Laune gehabt, es sei denn der Zwerg war selbst schlecht gelaunt. Immer hatte er ein paar gute Sprüche parat, die mich aufheiterten, selbst wenn es darin um die, aus der Sicht der Zwerge, Eigenart der Elben ging. Die zwei Wächter am Westtor sahen mich leicht verwirrt an, als ich dort ankam. ,,Öffnet das Tor, ich will mir unseren zwergischen Gast selbst ansehen", sagte ich mit strengem Blick. Die Elben öffneten einen der riesigen Torflügel so weit, dass ich problemlos vor das Tor treten konnte. Allerdings sah ich keinen Zwerg, sondern nur die zwei Wachen. Doch da ertönte schon die tiefe Stimme eines Zwerges von einer der Säulen. ,,Und ich habe gewonnen. Jawohl, ICH! Ich habe einen Ork mehr getötet wie Legolas." Das konnte nur Gimli sein, der sich offenbar einen Spraß daraus gemacht hatte, den Wachen Geschichten zu erzählen. ,,Machst du mich wieder schlecht und das diesmal auch noch vor meinem eigenen Volk?", fragte ich und vergaß für einen Moment meine ganzen Sorgen. ,,Legolas!", rief Gimli, der, auf seine Axt gelehnt, vor einer der Wachen stand. Der Elb starrte allerdings strickt geradeaus und beachtete den Zwerg nicht, was bei der aufbrausenden Stimme Gimlis, wenn er Geschichten erzählte, zugegebenermaßen ziemlich schwer war. ,,Das hat aber lange gedauert. Die wollten mich nicht reinlassen und haben mir nicht geglaubt, dass wir Freunde sind", beschwerte sich Gimli. ,,Jaja, ich weiß", sagte ich, ,,Was führt dich hierher?" ,,Eigentlich bin ich auf der Durchreise", erklärte der Zwerg, ,,Ich will nämlich Verwandte im Erebor besuchen und ihnen von den neusten Forschungen in den Höhlen von Helms Klamm berichten." ,,Ich verstehe", sagte ich, ,,Komm. Du musst erschöpft sein." ,,Ich und erschöpft? Niemals", behauptete Gimli während er mir in den Palast folgte. Ich führte ihn zunächst in eines der Gästegemächer. Der Zwerg sah sich die ganze Zeit über staunend um. ,,Wie es scheint, gefällt es dir hier", meinte ich. ,,Naja...es sind nunmal Höhlen", entgegnete Gimli, ,,Zwar kein Vergleich zu den Hallen Erebors, aber du weißt, dass ich Höhlen mag, so wie jeder Zwerg." Ich nickte. Den gesamten restlichen Tag verbrachte ich mit Gimli und endlich vergaß ich meine Sorgen für einige Stunden. Ich beschloss, Gimli nichts von meinem Vater zu erzählen, da ich wusste, er würde seine Reise sonst verschieben und länger hier bleiben.

Thranduil
Ich lag mit offenen Augen auf meinem Bett, wie so oft in letzter Zeit. Inzwischen kostete es mich sehr viel Kraft, aufzustehen und zu laufen, weshalb ich das so gut es ging mied. Ich bemerkte selbst, dass ich mager geworden war, doch noch immer verspürte ich keinen Hunger, weshalb ich weiterhin nichts aß. Legolas kam fast jeden Tag zu mir. Noch immer wollte er mir irgendwie helfen, erzählte mir, dass er begonnen hatte, die Bibliothek nach einem Heilmittel zu durchsuchen. Begriff er denn nicht, dass es wirklich kein Heilmittel gab? Auch für mich war das schwer zu verstehen, doch inzwischen hatte ich mich damit abgefunden. Zumindest versuchte ich, es so erscheinen zu lassen, denn innerlich wurde ich weiterhin von Selbstzweifeln zerfressen. Das machte mich halb wahnsinnig. Während ich tagsüber halbwegs versuchte, meine starke Fassade zu wahren, zeigte ich in der Nacht, wenn alles still war, mein wirkliches Ich. Jede Nacht vergoss ich hunderte Tränen. Tränen der Verzweiflung. Schlaf hatte ich schon lange keinen mehr gefunden. Ich wusste, dass Tränen bedeuteten, dass man schwach war, doch ich wusste auch, dass dies bei mir der Fall war. Nicht nur, weil ich nichts aß und nicht mehr schlief, sondern auch, weil ich mein Augenlicht verloren hatte. Ohne Augenlicht war jedes Wesen angreifbar und schwach.

Hurt by Fire ⚜A Middleearth Story| Book 1⚜Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt